Anlagenbau : Andritz-Chef Leitner: In Russland "Klumpenrisiko vermieden"
Der scheidende Konzernchef des steirischen Anlagenbauers Andritz, Wolfgang Leitner, hat am Dienstag seine letzte Jahresbilanz präsentiert. Zum Abschied gibt es einen kräftigen Schub bei Gewinn, Dividende und Auftragseingang - und ein insgesamt gut verkraftbares Russland-Exposure: "Der Umsatz mit Russland macht etwa 2 bis 3 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus, ist also nicht dramatisch", sagte der CEO am Mittwoch mit Blick auf den Ukraine-Krieg.
"Natürlich gibt es Liefereinschränkungen", betonte Leitner auf der Bilanzpressekonferenz in Wien. "Wir sind da gut ausgestattet und vorbereitet, um diese Sanktionen zu leben und das tun wir, da gibt es keinen Graubereich", so der Andritz-Chef. "Aber das sind unsere Kunden und die können persönlich nichts dafür, was da passiert ist, und sie werden auch unsere Kunden der Zukunft sein", fügte er hinzu. "Es ist alles im Fluss und ändert sich täglich." Große Containerreedereien lieferten nicht nach Russland und es gebe Banken, die auf der Sanktionsliste stünden, zählte Leitner auf. "Wir sind mit unseren russischen Kunden täglich in Kontakt." Andritz steht zu den Sanktionen, doch: "Im Rahmen dessen, was möglich ist, wollen wir das abfedern."
In die Region liefert Andritz beispielsweise Zellstoffanlagen, Anlagen zur Herstellung von Eisenbahnrädern, Kläranlagen und Schlammtrocknungsanlagen. Die Ukraine spiele geschäftlich "praktisch keine Rolle", in Weißrussland sind die Steirer den Angaben zufolge nur projektweise tätig. Insgesamt stuft der Konzern sein Engagement dort als relativ gering ein. "Wir waren anderswo erfolgreich, so dass Russland immer kleiner geworden ist", erklärte Leitner.
"Die Hoffnung, die man für Russland vor zehn bis fünfzehn Jahren hatte, dass die Wirtschaft wächst, hat sich nicht wirklich erfüllt", resümierte der CEO. Das sei auch an den steigenden Devisenreserven des Landes abzulesen. "Das heißt, dass nicht viel investiert wurde." Russland sei aber "ein attraktiver, interessanter Markt". Die Lehre aus den jüngsten Entwicklungen dort: "Man kann die Dinge nie richtig einschätzen. Um nirgends richtig getroffen zu werden, ist regionale Streuung wichtig - das Klumpenrisiko muss man, wenn möglich, vermeiden."
Die weitere Entwicklung des Kriegsgeschehens ist naturgemäß schwer abzuschätzen, im Extremfall wird es für die EU schwierig. "Wenn es ein lokaler Konflikt bleibt, werden wir bescheidene Auswirkungen haben", so Leitner. Wenn es weiter eskalierte, mit einer beeinträchtigten Energieversorgung in Europa, ergibt sich ein anderes Bild. "Wenn Russland die Gaslieferungen einstellt oder die EU keines mehr aus Russland beziehen will, dann hat das natürlich Auswirkungen", sagte der Manager. "Wenn der Strom rationiert werden sollte in Europa, dann haben wir insgesamt ein Problem. Das muss und wird man sehen, ich halte das nicht für sehr wahrscheinlich", so der CEO.
"Mit einen Umsatz in Europa von 30 Prozent des Gesamtumsatzes ist das natürlich substanziell", umriss Leitner den Anteil des Konzerngeschäfts, der beeinträchtigt werden könnte. Die Hälfte der Verkaufserlöse erzielt Andritz den Angaben zufolge auf Emerging Markets in Asien und Südamerika, "die voraussichtlich überhaupt nicht betroffen werden".
Gewinn bei Andritz
Andritz hat seinen Gewinn im zweiten Coronajahr 2021 massiv gesteigert und will auch die Dividende kräftig nach oben schrauben. Das Konzernergebnis verbesserte sich gegenüber dem Jahr davor von 203,7 auf 321,7 Mio. Euro, bei einem leichten Umsatzminus von 3,5 Prozent auf 6,5 Mrd. Euro (2020: 6,7 Mrd. Euro). Der Konzern schloss das Jahr mit einem Rekordauftragsstand, wie der Konzern am Dienstag bekanntgab.
Der per Ende Dezember verbuchte Auftragspolster vergrößerte sich um 20,5 Prozent auf 8,17 Mrd. Euro (Jahr davor: 6,77 Mrd. Euro). Der Auftragseingang stieg um 29 Prozent von 6,11 auf 7,88 Mrd. Euro.
"Der Rekordauftragseingang mit Steigerungen in allen vier Geschäftsbereichen zeigt, dass wir über eine starke Wettbewerbsposition in allen von uns bedienten Industrien verfügen - und auch operativ ist es uns gelungen, die Herausforderungen der Covid-Pandemie gut zu bewältigen", teilte Konzernchef Wolfgang Leitner mit.
Der operative Gewinn (EBITA) erhöhte sich von rund 392 Mio. Euro auf 546,5 Mio. Euro, die Rentabilität von 5,8 auf 8,5 Prozent. Zuwächse gab es auch beim um Sondereffekte bereinigten Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, das von rund 471 auf 549,9 Mio. Euro zunahm. Das Vorjahr enthielt den Angaben zufolge Sonderaufwendungen in Höhe von 79 Mio. Euro, die vor allem die Unternehmensbereiche Metals Forming und Hydro betrafen.
Der Personalstand der Andritz wurde im abgelaufenen Geschäftsjahr um 1,6 Prozent auf 26.804 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter verkleinert, das waren um 428 Beschäftigte weniger als im Jahr davor.
Pionierauftrag in Deutschland
Allein im letzten Monat konnte Andritz eine ganze Reihe an neuen Aufträgen an Land ziehen. So wird das Unternehmen unter anderem Deutschlands erste Zement-CO2-Abscheideanlage – basierend auf dem Amin-Prozess – an das Zementwerk in Rohrdorf liefern.
Derzeit wird auf der Südseite des Rohrdorfer Zementwerks eine Pilotanlage errichtet, in der die technischen, qualitativen sowie wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die CO2-Abscheidung und Umwandlung getestet werden. Die Anlage soll Ende Juli 2022 in Betrieb gehen.
Folgeaufträge weltweit
Von der Romatex (Pty) Ltd., Südafrika hat Andritz einen Auftrag zur Lieferung einer neuen Vliesbildungslinie erhalten.
Die Linie wird bei der Produktion von Maliwatt-Produkten eingesetzt, die in einem breiten Anwendungsspektrum einschließlich Heimtextilien verwendet werden. Die Inbetriebnahme der Linie ist im vierten Quartal
2022 vorgesehen. Dies ist bereits die dritte von ANDRITZ an Romatex gelieferte Linie innerhalb von vier Jahren.
Auch in Polen konnte das Unternehmen einen spannenden Folgeauftrag lukrieren. Andritz erhielt von ICT Poland den Auftrag zur Lieferung von zwei Wärmerückgewinnungslinien für die Tissuemaschinen PM12 und PM14 des Werks in Kostrzyn.
Aus China bekam der Grazer Anlagenbauer den Zuschlag für die Lieferung einer neuen Hochleistungsbeiz- und -verzinkungslinie für warmgewalzte Bänder aus C-Stahl. Die Inbetriebnahme der Linie ist für Ende 2023
geplant. Der Liefer- und Leistungsumfang von Andritz umfasst das Engineering, die Lieferung der Ausrüstungen, Montageüberwachung sowie Inbetriebnahme der kompletten Beiz- und Verzinkungslinie einschließlich
der Elektrik und Automatisierungstechnik.
Für das angelaufene Geschäftsjahr 2022 ist das Management vorsichtig optimistisch - für Umsatz, EBITA und Konzerngewinn wird "ein Anstieg" erwartet. "Sollte sich die von den Marktforschern erwartete weitere Erholung der Weltwirtschaft 2022 nicht einstellen, sich die Pandemie wieder verschärfen oder der Konflikt Russland/Ukraine noch stärker eskalieren, dann könnte dies negative Auswirkungen auf die Abarbeitung von Aufträgen bzw. auf den Auftragseingang und somit einen negativen Einfluss auf die finanzielle Entwicklung von Andritz haben", hieß es aus dem Konzern. Auch weiter steigende Rohstoffpreise bzw. Engpässe in den globalen Lieferketten könnten sich negativ auf die Ergebnisentwicklung der Gruppe auswirken. (apa/red/pd)