Wettbewerbsklausel : Metaller-KV: Ein Viertel der Unternehmen kann unter vereinbarter IST-Lohnerhöhung bleiben

Chefverhandler Reinhold Binder (PRO-GE) und der Obmann der Metalltechnischen Industrie in der Wirtschaftskammer, Christian Knill (R.)  Metaller-KV-Verhandlungen a

Metaller-Verhandler Christian Knill, FMTI (rechts) und Reinhold Binder, Gewerkschaft ProGe (links): Einigung auch bei der Härtefallklausel für Unternehmen mit hohem Personalkostenanteil und internationalem Wettbewerbsdruck.

- © ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Die achte Verhandlungsrunde für den Kollektivvertrag der Metalltechnischen Industrie brachte vergangenen Donnerstag eine vorläufige Einigung. Die IST-Löhne und -Gehälter steigen rückwirkend ab 1.11.2023 um 10 Prozent, maximal jedoch 400 Euro pro Monat. Für personalintensive Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, wurde eine Wettbewerbssicherungs-Klausel für Härtefälle ausverhandelt: Abhängig von der Personalkostenbelastung des jeweiligen Unternehmens, kann für einen Teil der nachhaltigen Erhöhung auf betrieblicher Ebene im Rahmen eines Interessenausgleiches eine Kompensation in Form von Einmalzahlungen, Freizeit oder Aus- und Fortbildungsmaßnahmen vereinbart werden.

Montagvormittag nahmen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite dazu die Verhandlungen auf. Verhandelt wurde bis in die Abendstunden. Fest stand bereits vorm Wochenende die Berechnungslogik. Die Klausel ermöglicht es, bis zu drei Prozent der Erhöhung als Einmalzahlung oder in Form von Freizeit auszuzahlen. Im Raum standen zwei Modelle: 1,5 Prozent bei 8,5 Prozent Lohnerhöhung und einem Deckel von 340 Euro. Sowie 3 Prozent bei 7 Prozent Lohnerhöhung und einem Deckel von 280 Euro. Freilich: In den Genuss einer Klausel würden nur Unternehmen kommen, die auch die GuV offenlegen würden.

Die Berechungsformel, die dem zugrunde liegt, lautet Personalkosten geteilt durch Bruttowertschöpfung. Konkret bedeutet das also: Wie hoch der Personalkostenanteil am Endprodukt tatsächlich ist. Der Knackpunkt: Wo der Schwellenwert gelegt wird, entscheidet darüber, wie viele Firmen in die Härtefallklausel fallen. Die ganze Woche über glühen zwischen Gewerkschaften und den Arbeitgeberverhandlern die Drähte: Über die Höhe dieses Schwellenwertes wurde telefonisch verhandelt. Ein Abschluss war dringend: Unternehmen müssten die Wettbewerbssicherungs-Klausel zeitgerecht - es heißt noch bis 22. Dezember - beantragen können. Jetzt ist eine Einigung gefunden.

Die Wettbewerbs- und Beschäftigungssicherungsklausel im Detail:

Sie gilt abhängig von der Personalkostenbelastung und dem Betriebserfolg des jeweiligen Unternehmens. Die zugrundeliegende Formel berechnet die Personalkosten gemessen an der Bruttowertschöpfung (Summe aus Personalkosten, Abschreibung und Gewinn). Konkret lautet die Berechnung Personalkosten durch Bruttowertschöpfung. Je nach Höhe des errechneten Wertes ergibt sich eine Reduktion der IST-Erhöhung (10 %, gedeckelt mit 400 Euro) in zwei Stufen

* bei einer Personalkostenbelastung von mehr 75 Prozent: 8,5 Prozent (mit 340 Euro Deckel), eine Reduktion um 1,5 % von den IST-Löhnen

* bei einer Personalkostenbelastung von 90 Prozent und darüber: 7 Prozent (mit 280 Euro Deckel), eine Reduktion um 3 % von den IST-Löhnen

Die Wettbewerbssicherungsklausel kann nur auf Antrag angewendet werden. Interessierte Unternehmen müssen bis 22. Dezember 2023 anhand von Ertrags- und Personalkostendaten gegenüber den Sozialpartnern belegen, dass sie die Kriterien für die Anwendung der Klausel erfüllen. Nach ersten Schätzungen wären in der Metalltechnischen Industrie rund ein Viertel der Unternehmen für die Härtefallklausel qualifiziert. Wieviele Unternehmen einen solchen jedoch auch tatsächlich beantragen werden, wird wohl erst Ende Dezember klar sein. Nach Informationen von INDUSTRIEMAGAZIN stehen zahlreiche Unternehmen in den Startlöchern.

Hintergrund für die Vereinbarung einer Wettbewerbssicherungsklausel ist der stetige Verlust an Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der Metallindustrie, die mit einer Exportquote von über 80 Prozent auf internationalen Märkten bestehen müssen. Nicht nur heuer lagen die Lohnabschlüsse in Österreich aufgrund der höheren Inflation deutlich über denen anderer EU-Länder, wie etwa der Schweiz, Deutschland, Niederlande oder Frankreich. Durch diese höheren Lohnabschlüsse steigen die Lohnstückkosten stärker als im EU-Vergleich und dies bedeutet für die exportorientierte Metalltechnische Industrie preisliche Nachteile.

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Herbstlohnrunde: Die bisherigen KV-Einigung im Detail

„Unsere Betriebe müssen sich auf den internationalen Märkten behaupten und haben durch die hohen Lohnabschlüsse der letzten Jahre an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Mit der neuen Vereinbarung ist es uns erstmals gelungen, diese Entwicklung etwas abzufedern und den besonders personalintensiven Branchen mehr Luft zu verschaffen" sagt Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie (FMTI) in einer ersten Stellungnahme.

In der laufenden Herbstlohnrunde hat es in den vergangenen Tagen neben der Metallindustrie noch andere Abschlüsse gegeben. in der Nicht-Eisen-Metallindustrie hat man - ähnlich der Metallindustrie - eine Einigung für zwei Jahre gefunden. Heuer erhöhen sich Löhne und Gehälter im Schnitt um 8,9 Prozent, für kommendes Jahr wurde die rollierende Inflation plus 1 Prozent vereinbart. Auch hier gilt eine Härtefallklausel. In der Bergbau/Stahlindustrie hat man sich auf eine Erhöhung der IST-Löhne und Gehälter um durchschnittlich 10 Prozent, maximal jedoch 400 Euro geeinigt. Eine Härtefallklausel ähnlich jener in der Metalltechnischen Industrie kommt zur Anwendung.

Im Güterbeförderungsgewerbe erhöhen sich die Mindestgehälter um 9,17 Prozent, jedoch aber mindestens um 165 Euro. Im Glasbläser- und Glasinstrumentenerzeugergewerbe steigen die Einkommen um 9 Prozent. Bei der Raiffeisen Ware Austria steigen die Monatslöhne um 8,7 Prozent. Bei den Straßengesellschaften gibt es ein Plus von 9,3 Prozent.

In der Telekombranche (alle Unternehmen ausser A1 Telekom, hier stehen die Zeichen auf Streik) hat man sich auf eine Erhöhung um 4 Prozent geeinigt, Eine zweite Erhöhungsstufe um 90 Euro pro Monat erfolgt demnach zum 1. Oktober 2024. Zusätzlich werden lbis Ende des ersten Quartals 1.500 Euro als Teuerungsprämie abgabenfrei gezahlt. Außerdem komme eine Reduktion der Arbeitszeit von 40 auf 38,5 Wochenstunden ab 1. Oktober 2024.

Holprig verläuft es nach wie vor bei den Kollektivvertrags-Verhandlungen für die IT-Angestellten. Auch nach drei Gesprächsrunden gibt es noch kein Angebot der Arbeitgeber, kritisiert die Gewerkschaft GPA. Sie fordert bei einer zugrunde gelegten Jahresinflation 2023 von 7,75 Prozent eine KV-Erhöhung um 9,75 Prozent.

Am Donnerstagabend ist die 5. KV-Verhandlungsrunde im Handel gescheitert. Das Angebot der Arbeitgeber über eine Erhöhung um 8 Prozent stand einer Forderung der Arbeitnehmerseite von zuletzt 9,4 Prozent gegenüber. Für Freitagvormittag um 10 Uhr hat die Gewerkschaft nun eine Kundgebung auf dem Wiener Reumannplatz angekündigt. Um 11 Uhr will man auf dem Schillerplatz in Linz demonstrieren. Bereits zuvor hatte die Gewerkschaft für den Fall des Scheiterns der 5. Verhandlungsrunde Warnstreiks und Proteste, wie sie in der Metallindustrie durchgeführt wurden, am Marienfeiertag bzw. am darauffolgenden zweiten Weihnachtseinkaufssamstag angekündigt. Beim Handels-KV geht es um die Gehälter von 430.000 Angestellten und Lehrlingen. Es ist der zweitgrößte Kollektivvertrag in Österreich.

Metaller-Kollektivverträge: Erstmals Einigung leicht unter der rollierenden Inflation.
INDUSTRIEMAGAZIN News vom 6. Dezember: Metaller-KV: Einigung bei 8,6 Prozent - Zweijahresabschluss mit Wettbewerbsklausel