Metalltechnische Industrie : Metaller-KV: Verhandler erzielen Einigung bei 8,6 Prozent

Reinhold Binder Gewerkschaft Streik Metaller

Metaller-KV: In der achten Runde erzielten Gewerkschaft und der FMTI eine Einigung.

- © Daniel Gürtler


Noch bevor die Arbeitgeberverhandler und die Gewerkschaft der Metaller heute um 11 Uhr vormittags in der Wirtschaftskammer im vierten Wiener Gemeindebezirk zur achten Runde zusammengekommen sind, startete wenige Kilometer weiter im Osten der Bundeshauptstadt der Handel mit den ersten Warnstreiks: Den Anfang machten Filialen der Supermarktkette Interspar sowie des Buchhändlers Thalia im Wiener Donauzentrum im 22. Bezirk. Und doch war zum Start der achten Runde Optimismus zu spüren: Die Verhandlungen seien "recht konstruktiv", hieß es vonseiten der Verhandler des FMTI. Und auch die Gewerkschaften bemühten sich um Optimismus "Wir hoffen, dass wir heute auch ein Ergebnis verkünden können, aber da sind wir noch ein Stückchen weg", sagte Reinhold Binder vor den Verhandlungen. Man kam sich näher - zwischenzeitlich drang späteren Nachmittag aus den Verhandlungen, dass die Arbeitgeber noch einmal nachgelegt haben.

Um knapp nach halb Sieben Uhr Abends war es dann soweit, eine Einigung war erzielt: Und die enthält ein Novum - erstmals wurde eine Einigung über einen Zweijahresabschluss erzielt. Die Beschäftigten der Metalltechnischen Industrie bekommen für das kommende Jahr ein Plus von durchschnittlich 8,6 Prozent Lohn- und Gehaltserhöhung, sozial gestaffelt. Bis zu einem Bruttoeinkommen von knapp 4.200 Euro gilt laut Berechnungen des FMTI die Erhöhung von 10 Prozent, danach schmilzt sie ab. Bei knapp 8.000 Euro Bruttolohn sind es nur noch 5,5 Prozent. Anderslautenden Berechnungen zufolge gilt das Lohnplus von 10 Prozent bis zu einem Einkommen von bisher 3.791 Euro.

Für das darauffolgende Jahr wurde ebenfalls bereits eine Vereinbarung erzielt: Ab 1.11.2024 ist die Basis für die Erhöhung der Verbraucherpreisindex (VPI), dazu kommt 1 Prozent plus. Einen kleinen Schönheitsfehler hat die Vereinbarung noch: Noch ist der Abschluss nicht wirksam, betont man vonseiten der Arbeitgeber: Eine Wettbewerbssicherungs-Klausel für Betriebe mit hoher Personalkostenbelastung, die eine Reduktion der IST-Erhöhung in Unternehmen im Härtefall bis maximal drei Pozent ermöglicht, müsse noch im Detail ausgehandelt werden.

Die Details der Vereinbarung:

Abschluss 2023:

Die IST-Löhne und -Gehälter steigen rückwirkend ab 1.11.2023 um 10 %, maximal jedoch 400,- Euro/Monat. Das bedeutet im Schnitt 8,6 %, sozial gestaffelt. Die Lohn- und Gehaltsgruppen steigen von 3,3 % (höchste Beschäftigungsgruppe) bis zu 10 % (unterste Beschäftigungsgruppe). Die KV-Entgelte steigen generell um 8,5 %. Zulagen, Diäten und Aufwandsentschädigungen steigen um 8,5 %, Vorrückungsbeträge werden eingefroren. Der neue Brutto-Mindestlohn bzw. das Mindestgrundgehalt liegt nun bei 2.426,23 Euro.

Wettbewerbssicherungsklausel für Härtefälle: Für personalintensive Betriebe, die im internationalen Wettbewerb stehen, gilt eine Wettbewerbssicherungs-Klausel für Härtefälle im Kollektivvertrag: Grundsätzlich kann dadurch die vereinbarte Ist-Erhöhung um maximal drei Prozent reduziert werden. Abhängig von der Personalkostenbelastung des jeweiligen Unternehmens, kann für einen Teil der nachhaltigen Erhöhung auf betrieblicher Ebene im Rahmen eines Interessenausgleiches eine Kompensation in Form von Einmalzahlungen, Freizeit oder Aus- und Fortbildungsmaßnahmen vereinbart werden.

Abschluss 2024:

Ab 1.11.2024 steigen die IST-Löhne und Gehälter in Höhe des zugrundgelegten VPI-Verbraucherpreisindex (1.10.2023 – 30.9.2024) plus 1 %. Die KV-Entgelte, Zulagen, Diäten und Aufwandentschädigungen steigen in Höhe des VPI. Auch eine Wettbewerbssicherungs-Klausel wird zur Anwendung kommen.

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Metaller-Abschlüsse seit 2017: Historisch hoch aber unter rollierender Inflation
VIDEO: Einigung bei Metaller-KV Verhandlungen

"Signal, dass die Sozialpartnerschaft funktioniert"

Christian Knill, Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie (FMTI) sagte in einer ersten Stellungnahme: „Es ist positiv, dass wir eine grundsätzliche KV-Einigung erzielen konnten, die fair und innovativ zugleich ist: Mit dem erstmaligen Abschluss über zwei Jahre schaffen wir Planungssicherheit für die Unternehmen." Mit einer betrieblichen Wettbewerbssicherungs-Klausel erhielten Unternehmen mit hohen Belastungen die Möglichkeit, Teile der Lohnerhöhungen flexibel umzuwandeln, so Knill. "Diese vorläufige Einigung ist eine klare Anerkennung für die Leistungen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in einem sehr schwierigen wirtschaftlichen Umfeld.“

Auch die Arbeitnehmerverhandler zeigten sich erleichtert: „Die Einigung bringt kräftige und vor allem dauerhafte Erhöhungen. Es war uns von Anfang an wichtig, dass gerade niedrige und mittlere Einkommensgruppen die Teuerung nachhaltig ausgeglichen bekommen. Dies ist mit einer Erhöhung von 10 Prozent gelungen“, betonen die beiden Chefverhandler der Arbeitnehmer:innen, Reinhold Binder (PRO-GE) und Karl Dürtscher (GPA).

Lob für die Sozialpartner in der Metallindustrie kam von Wifo-Direktor Gabriel Felbermayr noch am Abend des Abschlusses: "Das ist wirklich ein guter Abschluss." Beide Seiten hätten sich auf Neues eingelassen. "Das war ein ganz wichtiges Signal, dass unsere Sozialpartnerschaft noch funktioniert", so der Ökonom. Bei den kleinen Einkommen würde die Inflation voll abgegolten, inklusive eines kleinen Plus. Allerdings sei ein Abschluss gefunden worden, der historisch hoch sei und die Industrie vor einige Herausforderungen stelle. Die Einigung für 2025 auf die rollierende Inflation plus ein Prozent sei für beide Seiten aufgrund der Unwägbarkeiten der Entwicklung der Teuerung riskant.

Zusammengefunden haben Donnerstagnacht noch die Metallindustrie-Verbände Bergbau/Stahlindustrie und die Nichteisen-Metallindustrie. Wie erwartet liegt der Abschluss auf dem Niveau der heutigen Einigung in der Metalltechnischen Industrie. Auch hier wurde eine Härtefallklausel vereinbart und somit ein Kompromiss unter Vorbehalt besiegelt.

Christian Knill
Arbeitgeber-Chefverhandler Christian Knill: „Es ist positiv, dass wir eine grundsätzliche KV-Einigung erzielen konnten, die fair und innovativ zugleich ist: Mit dem erstmaligen Abschluss über zwei Jahre schaffen wir Planungssicherheit für die Unternehmen." - © ROBERT JAEGER / APA / picturedesk.com

Erstmals Abschluss unter der rollierenden Inflation

Bemerkenswert ist, dass sich die Arbeitgebervertreter mit ihrer Forderung nach einen Abschluss deutlich unter der rollierenden Inflation durchgesetzt haben. Erstmals seit 2017 liegt die Vereinbarung unter diesem Wert - mit einem Prozent sogar deutlich. Nicht durchgesetzt haben sich Arbeitgeber mit der Forderung, die so genannte Benya Formel aufzuweichen: Bei der Benya-Formel - benannt nach dem langjährigen ÖGB-Präsidenten Anton Benya (1963-1987) - ist die Inflationsrate der vergangenen zwölf Monate plus das durchschnittliche Produktivitätswachstum der Ausgangspunkt für die Kollektivvertragsverhandlungen. Für das kommende Jahr wurde eben diese Inflationsrate plus einem Prozent als KV-Lohnplus festgelegt.

Ein flächendeckender Streik, wie er zuletzt für ein Scheitern der achten Verhandlungsrunde angekündigt wurde, ist damit endgültig abgewendet worden: Zuletzt standen bei den Metallern im Oktober 2013 alle Zeichen auf Arbeitskampf. Die Gewerkschaft sah damals die Kollektivertragsverhandlungen für die Beschäftigten der Maschinen- und Metallwarenindustrie in der sechsten Runde als gescheitert, nachdem bei den Arbeitszeiten keine Lösung erzielt werden konnte und kündigte unbefristete Streiks an. Schon damals war es FMMI-Obmann Chrisitan Knill, der mit versöhnlichen Signalen die Rutsche für eine Lösung legte während sich Industrie-Chefverhandler Veit Schmid-Schmidsfelden unnachgiebig gezeigt hatte. Man einigte sich im letzten Moment auf eine Auslagerung des Themas neue Arbeitszeitmodelle, die Gewerkschaften verzichteten auf Arbeitskampfmaßnahmen. Im Jahr 2011 wurde ein Warnstreik der Metaller mit Geheimverhandlungen der Spitzen aus Wirtschaftskammer und Gewerkschaftsbund über das Wochenende verhindert. Am Dienstagmorgen danach kam es dann doch zu einem Abschluss des Kollektivvertrages.