Blum Beschläge : Philipp Blum im großen Interview: "Langfristig geht an China kein Weg vorbei"

"Die Redensart, wonach die dritte Generation alles kaputtmacht, ist mir natürlich bekannt."
Philipp Blum
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"Die Redensart, wonach die dritte Generation alles kaputtmacht, ist mir natürlich bekannt."
Philipp Blum
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Philipp Blum – weiter unten im ausführlichen Interview – ist in seinem Element. Der geschäftsführende Gesellschafter des Beschlägeherstellers Blum führt durch das Werk in Höchst. Sind internationale Kunden und Partner im Haus, werden die jeweiligen Landesflaggen der Gäste gehisst.
Auch das gehört zum Wertefundament am Bodensee. Seit den Wirtschaftswunderjahren, die den ersten großen Internationalisierungsschub brachten, trägt man diese Einstellung auch in die 33 Tochtergesellschaften hinaus.
Mit Martin und Philipp Blum übernahmen 2019 zwei Vertreter der dritten Familiengeneration die Geschäftsführung. Sie wollen die Vorarlberg-Zentrierung in den Entscheidungsstrukturen des Unternehmens weiter aufbrechen. "Wir sind nicht der Nabel der Welt", sagt Philipp Blum. Man dürfe sich nicht anmaßen, zu glauben, "die Bedürfnisse internationaler Kunden besser zu kennen als unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort".
Einen Großteil seiner Jugend verbrachte er in den USA. Und dieser Tage wird er endlich die Blitzvisite im neuen Werk in Shanghai nachholen können.
Lesen Sie hier, welchen Ruf Blum in der Metallindustrie genießt.
Es gab zwei wesentliche Kriterien der Übergabe. Wollen sie es? Und die viel wichtigere Frage: Können Sie es?Philipp Blum, Geschäftsführender Gesellschafter, Blum
Beschlägehersteller Blum: Klarer Auftrag, klare Potenziale
Ein Führungsverständnis, das dem "Oberhaupt" der Familie, dem 2006 verstorbenen Gründer Julius Blum, gefallen hätte. Philipps und Martins Großvater legte nach Kriegsende als gelernter Huf- und Wagenschmied mit der Produktion von Hufstollen den Grundstein. Er beging nicht den Fehler, die eigenen Fähigkeiten zu überschätzen. Ein Faktor, der Blum letztlich zu dem Unternehmen gemacht habe, das es heute ist, sagt sein Enkel.
Eher hat der Gründer die Möglichkeiten charmant unterschätzt. Nach Errichtung der ersten Halle am Standort Höchst in den fünfziger Jahren urteilte er, diese sei groß genug, um für ein ganzes Leben zu reichen. Wie seine beiden Söhne Herbert und Gerhard prolongiert nun auch die dritte Generation das Wachstum.
Wenn sich in China erst einmal die Bremse gelöst habe und das das Konsumentenvertrauen zurück sei, sei das ein Markt mit Potenzialen für die Blümler. Wie auch USA, Südostasien, Afrika. Und natürlich Europa. Jede Küche hier könne in Zukunft "noch besser ausgestattet sein", sagt Philipp Blum. Für die 9.400 Mitarbeiter ein klarer Auftrag, ihren Job "ghörig" zu erledigen, wie der Vorarlberger sagt.
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Philipp Blum im Interview: "Rechnen mit der Trendumkehr"
Warum beim Beschlägehersteller globales Wachstum nicht am Rücken der heimischen Standorte stattfindet, schildert Blum-Chef Philipp Blum.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Blum, im vergangenen Herbst drückte Blum überraschend auf die Bremse: In Teilbereichen drosselten Sie die Produktion. Sie sagten, Sie könnten die Einbrüche noch nicht zu den massiven Zuwächsen der letzten Jahre in Relation setzen. Haben Sie mittlerweile eine Erklärung, was da passiert ist?
Philipp Blum: Viele investierten in der Pandemie in ihre eigenen vier Wände, in Möbel und Küchen. Nach Jahren des stabilen Geschäftsverlaufs mit schönem Wachstum im einstelligen Prozentbereich prasselten die Aufräge über uns herein. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine brachte die Zäsur. Auch Chinas Lockdownpolitik. Wir sehen seit einem halben Jahr, dass die Aufträge nicht mehr auf so hohem Niveau sind, wie wir es erwartet hätten. Wir gehen davon aus, dass der Ordereingang kurzfristig weiterhin eher verhalten sein wird. Entsprechend mussten wir reagieren.
Punktuell verschoben Sie Personal in Werke mit besserer Auslastung. Der Radikalschritt, ein Personalabbau, war kein Thema. Jedoch meinten Sie, man könne nicht in die Zukunft schauen. Ist ein solcher vom Tisch?
Blum: Die Kolleginnen und Kollegen in der Produktion gingen in den vergangenen zwei Jahren an und über ihre Grenzen, um Kundenbedarfe zu erfüllen. Sie trugen das Unternehmen durch diese Zeit. Wie könnten wir das jetzt vergessen. Wir hangeln uns jetzt von Quartal zu Quartal und rechnen mit der Trendumkehr. Es ist unser Ziel, die jetzige Situation ohne Entlassungen zu meistern.
Der Beschlägemarkt hält offenbar - in beide Richtungen - Dynamiken bereit. Haben Sie sich eigentlich schon in aller Form bedankt bei Ihrem Vater Gerhard? Immerhin übertrug der Ihnen die Führung 2019, also just vor Ausbruch der Pandemie und den daraus folgenden Marktverwerfungen?
Blum: Das konnte ja keiner ahnen (lacht). Wir haben die Übergabe von langer Hand vorbereitet. Das war ein mehrjähriger Prozess. Ich bin seit 2009 im Unternehmen, mein Cousin stieß ein paar Jahre später dazu. Wir hatten wirklich ausreichend Zeit, das Unternehmen kennen zu lernen. Wir sind extrem froh, was die Generation vor uns geleistet hat. Und extrem dankbar, was sie uns als Basis gelassen hat.
Wie Ihr Cousin Martin sind Sie also in die Rolle hineingewachsen. Ab welchem Alter war klar: Sie werden mal im Familienunternehmen arbeiten und sich nicht über die Bodenseeroute absetzen?
Blum: Ich sage immer liebevoll: Als Kind wuchs ich mit der Firma auf. In die klassischen Poesiealben, die in der Schule herumgegangen sind, schrieb ich bei Berufswunsch: Chef von Blum. Natürlich, ohne zu wissen, was das heißt. Während meiner Ausbildung lernte ich das Übergabeprozedere kennen. Und da gab es für unsere Väter zwei wesentliche Kriterien. Wollen sie es? Und die viel wichtigere Frage: Können Sie es?
Keine ganz leichte Frage für einen Mitzwanziger....
Blum: Es gab großes Vertrauen unserer Väter, dass wir die nötigen Fähigkeiten mitbringen. Und es gibt dieses unglaublich starke Team. Wir sind keine One-man-show, auch keine Two-men-show. Die Inhabergeschäftsführer spielen eine Rolle, auch eine wichtige, aber keine, die man überschätzen sollte.
Wie würden Sie das Erziehungsmodell Ihrer Eltern beschreiben? Ging es morgens bis abends um Beschläge?
Blum: Die Kindheit war wunderbar. Meine Mutter war immer für mich da. Auch mein Vater, wenn ich ihn gebraucht habe. Ich verbrachte sieben Jahre meiner Jugend in den USA, als er dort Geschäftsführer war. Aber das Geschäft war zuhause kein Thema. Man hat uns mit der nötigen Demut erzogen. Wichtig war immer, mit beiden Füßen am Boden zu bleiben.
Hatten Sie alternative Karrierepläne - ein musisches, künstlerisches Talent, dass Sie gerne weiterverfolgt hätten?
Blum: Ich bin durchaus musikalisch, spiele Klavier und Gitarre, aber für einen alternativen Karriereplan hätte es nicht gereicht. Einige meiner Kinder haben dieses musikalische Talent geerbt. Ein paar Stunden am Klavier zu sitzen und mit ihnen zu singen, ist eines der schönsten Dinge.
Es gibt ja die schöne Redensart: Die erste Generation schafft das Vermögen, die zweite verwaltet es, und die dritte studiert Kunstgeschichte. Warum ist das bei den Blums nicht so?
Blum (lacht): Ich kenne die Redensart anders. Nämlich dass die dritte Generation alles kaputtmacht. Die Redensart war uns natürlich bekannt. Und es wird nicht passieren. Dazu stecken wir zu viel Herzblut in das Unternehmen.
Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrem Großvater, dem 2006 82-jährig verstorbenen Gründer Julius Blum?
Blum: Ich verbinde vor allem den Jäger mit ihm. In der Pension hat er dieses Hobby leidenschaftlich gelebt, war auf der ganzen Welt unterwegs, lernte Menschen und Kulturen kennen. Er hatte sieben Kinder, wir waren also eine Menge Enkel. Auf den Familienfeiern war er einfach das Oberhaupt.
Was machte ihn zum Ausnahmeunternehmer?
Blum: Es war seine Gabe, die richtigen Talente um sich zu scharen. Er wusste, was er konnte, überschätzte nie seine Fähigkeiten. Dieses Talent hat die Firma groß gemacht. Zugleich nahm er in der Zeit des Wiederaufbaus unglaubliches Risiko. Nach seiner Pensionierung interessierten ihn zwei Dinge: Wo wird gebaut? Und: Habt ihr genug Geld, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen?
Sie sprachen das kinderreiche Elternhaus des Großvaters an. Zog es die Kinder alle gravitätisch ins Unternehmen wie ihren Onkel Herbert und Ihren Vater oder gingen da viele eigene Wege?
Blum: Mein Großvater ließ nur zwei seiner Buben ins Unternehmen. Das war gut begründet. Lässt man sieben Kinder - unabhängig davon, ob sie es können oder nicht - ins Unternehmen, dann bilden sich Allianzen. Zu zweit aber muss man sich arrangieren. Das halten wir auch in der dritten Generation so: Martin und ich müssen Entscheidungen einstimmig treffen. Wir suchen uns keine Mehrheiten.
"In die Poesiealben, die in der Schule herumgingen, schrieb ich bei Berufswunsch: Chef von Blum."Philipp Blum
Das dürfte, sieht man sich die Unternehmensentwicklung an, bisher nicht die schlechteste Konstellation gewesen sein.
Blum: Der Erfolg der ersten und zweiten Generation hat gezeigt, dass es kein schlechtes Modell ist.
Ihr Onkel Herbert schied 2015 aus der Geschäftsführung aus, er ist heute Aufsichtsratschef von Julius Blum. Wie gelang der zweiten Generation die Löslösung aus dem operativen Alltag?
Blum: Unsere Väter haben sich sukzessive aus den Themen zurückgezogen. Das war kein abrupter Schnitt. Ab dem Stichtag 1. Juli 2019 hatte keiner von uns das Gefühl, alles ist anders. Die wirkliche Zäsur kam mit der Pandemie, dem Zusammentrommeln eines Krisenstabs.
War Seniorität in der Pandemie unbezahlbar?
Blum: Natürlich. Wenn Sie 40 Jahre in einem Unternehmen arbeiten, dann kennen Sie die Akteure, die Abläufe, dann wissen Sie auch, wohin man den Finger legen muss wenn es brennt. Diese Erfahrung kann man nicht kaufen.
Was macht die dritte Generation anders?
Blum: Wir haben uns immer liebevoll als mittelständisches Familienunternehmen bezeichnet. Mittlerweile sind wir ein sehr großes Unternehmen. Trotz der rund 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei unseren internationalen Tochtergesellschaften sind wir jedoch immer noch sehr Vorarlberg-zentriert in den Entscheidungsstrukturen. Vorarlberg ist ein kleiner Flecken in der Welt. Wir dürfen uns nicht anmaßen, zu behaupten, die Bedürfnisse unserer Kunden in den USA oder Asien besser zu kennen als unsere Kolleginnen und Kollegen vor Ort. Im Gegenteil - von ihnen können wir vieles lernen.
In Asien etwa ist Blum durchaus eine Marke, die beim Endkunden präsent ist und mit der aktiv geworben wird. In Österreich wird fast jeder auf die Frage, welche Beschläge in der Küche verbaut sind, fragen: Was ist ein Beschlag? Während wir also mit unseren zahlreichen Tochtergesellschaften und Vertretungen schon sehr früh auf Internationalisierung gesetzt haben, so geht es jetzt darum, die Innovationskraft und die Expertise aus den Märkten gewinnbringend ins Unternehmen zu bringen und das Unternehmen internationaler aufzustellen.
Wie nachhaltig muss ein Beschlägehersteller produzieren?
Blum: Wir leben hier an einem Flecken Erde, wo andere Urlaub machen. Wie auch an anderen Standorten geht das mit der Verpflichtung einher, den Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für unsere nachkommenden Generationen zu gewährleisten. Hier in Vorarlberg produzieren wir klimaneutral. Wir sprechen nur nicht allzu viel darüber.
Blum hat mittlerweile drei größere Produktionsstandorte außerhalb Österreichs, in den USA, Polen und China. Ein Scharnier, das aus einer Produktionsanlage am Blum-Standort Shanghai fällt, folgt denselben Qualitätsvorgaben wie ein solches, das auf baugleichen Anlagen in Vorarlberg produziert wird. Das könnte weniger standortverbundene Unternehmen auf gewisse Ideen bringen...
Blum: Wir halten mit Herzblut an unserer Heimat Vorarlberg fest. Verlagerungen ins Ausland finden nicht statt, sondern wir orientieren uns an den Bedürfnissen in den Märkten und schaffen durch Produktion vor Ort Mehrwert für unsere Kunden. Für die Standorte in Vorarlberg ist Wachstum in Überseemärkten keine Gefahr.
1. Generation: Julius Blum, 82+
1952 gründete der gelernte Huf- und Wagenschmied Julius Blum in Höchst sein Unternehmen und produzierte sein erstes Produkt: Hufstollen für Pferde. Im Städtle 40 in Höchst ließ der Vollblutunternehmer - stimuliert durch den Marshallplan - eine Großhalle mit 600 Quadratmetern und acht Drehautomaten errichten. Der Einzug von Traktoren in die Landwirtschaft machte die Erschließung neuer Geschäftsfelder nötig. 1958 gelang mit einem Einbohrband für Möbel, Fenster und Türen der Einstieg in die Möbelbeschlagbranche. 1965 folgten erste Exporte, bald darauf die Gründung erster Auslandsvertretungen. Blum - siebenfacher Vater - lebte nach seiner Pensionierung seine Jagdleidenschaft aus.
2. Generation: Gerhard, 68, und Herbert Blum, 72
Die Brüder Gerhard und Herbert - ersterer ein Betriebswirt, zweiterer Techniker - traten 1982 in die Geschäftsführung des Unternehmens ein. Sie internationalisierten das Unternehmen, von 1982 bis 2020 vervielfachten die beiden den Umsatz von rund 80 Millionen auf über 1,9 Millarden Euro. Herbert Blum ist Aufsichtsratsvorsitzender von Julius Blum. Bruder Gerhard war bis 2020 Holding-Geschäftsführer.
3. Generation: Martin, 39 (li.), und Philipp Blum, 43
Seit 2019 geschäftsführende Gesellschafter, führen die beiden Cousins als Dreierspitze mit Finanzchef Gerhard Humpeler das Unternehmen. Ihre Ausbildungswege orientierten sich an jenen ihrer Väter: Martin, seit 2012 in verschiedenen Funktionen im Bereich Technik und Produktion im Unternehmen (bitte Funktion ergänzen) ist studierter Wirtschaftsingenieur, Philipp, der ab 2010 die Leitung für die Marktregionen Asien und Südeuropa innehatte, Wirtschaftswissenschafter. Mit der Fertigstellung des Werks in Shanghai 2022 soll der chinesische Markt breiter erschlossen werden. Auch USA, Südostasien, Afrika und Europa sind Wachstumsmärkte.
Wird China für Blum nach schwierigem Start zur Wachstumslok?
Blum: Mit dieser unfassbar großen Anzahl von Menschen und der Wachstumsdynamik ist vieles möglich. Natürlich muss sich erst wieder die Bremse lösen, das Konsumentenvertrauen zurückkehren. Langfristig geht an China kein Weg vorbei. Auch Indien und Südostasien werden durch Lohnzuwächse und Investitionen ins eigene Heim für Wachstum gut sein. Und: Jede europäische Küche kann in Zukunft noch besser ausgestattet sein, noch mehr Blum-Produkte verbaut haben. Wir sind getreu unseres Innovationscredos noch lange nicht am Ende.
In China werden Sie gnadenlos kopiert, etwa mit Beschlägen der Marke bulm. Ein Ärgernis oder ein echtes Problem?
Blum: Die Markenverletzungen sind lästig, aber gleichzeitig bietet China inzwischen eine gute Rechtssicherheit. Wir verfolgen diese Verletzungen sehr konsequent und gewinnen diese Verfahren auch größtenteils.
Im 2022 eröffneten Scharnierwerk in Shanghai wird ein Werkleiter gesucht. Die Einschulung in den Job erhält man in Höchst. Welchen Werteset bekommt man da mit?
Blum: Da geht es weniger um die Vorarlberger Mentalität (lacht). Schon eher um die Unternehmenskultur. Auch wenn diese weltweit verankert ist: Hier in Vorarlberg gewinnt man andere Einblicke. Und es lassen sich Beziehungen aufbauen. Die Netzwerkpflege, sich gegenseitig näher kennenzulernen, füreinander Verständnis zu entwickeln, all das ist unbezahlbar.
Sie werden nicht leugnen wollen, dass sich die Bodenseeregion mit seinen kulturellen Reichtümern auch hervorragend zur Bindung eignet?
Blum: Jeder Kunde, der uns besuchen kommt, ist natürlich eine Chance für uns. Und das Kulturprogramm ist nicht schlecht (lacht). Wir würden jedoch nicht so weit gehen und behaupten, wir Vorarlberger verstehen jeden. Wir müssen zu den Kunden, in die Märkte. Wir fingen früh an, unsere Präsenz in lokalen Märkten mit heute über 30 Tochtergesellschaften aufzubauen. Das geht nicht ohne Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die tagtäglich im Markt sind, um diese vertrauensvollen Partnerschaften aufzubauen.
Blum hat schon im Herbst sein russisches Tochterunternehmen in Moskau verkauft und sich vom Markt zurückgezogen. Ist das als klares Statement zu verstehen im Hinblick auf einen kriegerisch auftretenden Aggressor?
Blum: Wenn Sie die erste Videokonferenz mit dem Geschäftsführer der ukrainischen Niederlassung haben und der steht in Uniform vor Ihnen, dann geht das schon unter die Haut. Fernsehbilder sind das eine, und die sind schon schrecklich genug, aber wenn man die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sieht, deren Familien betroffen sind, dann gewinnt das eine andere Dimension.
Zuzuschauen und die Geschäfte weiterzuführen als wenn nichts wäre, war für uns keine Option. Wir haben die Tochtergesellschaft in Russland verkauft. und bewußt in Kauf genommen, dadurch Umsatz zu verlieren. Das war sicherlich keine einfache Entscheidung, denn auch mit unseren russischen Kunden haben wir sehr langjährige und vertrauensvolle Beziehungen gepflegt, die wir hoffentlich irgendwann wieder mit Leben erfüllen können.
"Blum steht weit über der Norm", sagte der damalige AK-Präsident Josef Fink 2002 beim 50er von Blum. "Trotz Globalisierung habe das Unternehmen ethische Standards nie aus den Augen verloren". Gilt das noch im selben Ausmaß?
Blum: Wir sehen Globalisierung nicht als Vehikel, den Poduktionsstandort vom immer jeweils billigsten Ort zum nächstbilligeren Ort zu verschieben. Mit 97 Prozent Exportanteil sehen wir die Chancen barrierefreier Handelsräume.
Sie selbst sind fünffacher Vater, Ihr Cousin hat drei Kinder. Gehen die ihre ganz eigenen Wege oder sind die auch schon alle bei Blum tätig?
Blum: Die ältesten, meine beiden Zwillinge, werden jetzt bald 17. Die sind dann nächstes Jahre mit der Matura dran. Das Unternehmen ist für sie noch kein Thema. Martin und ich sind ja selbst erst in die Geschäftsführung eingezogen. Grundsätzlich stellt sich natürlich aber schon die Frage, ob die Übergabe an die vierte Generation in einem noch weiter gewachsenen Unternehmen dann ähnlich vonstatten gehen kann.
Sie sprechen die Zweierkonstellation an....
Blum: Hinter die würde ich ein großes Fragezeichen stellen. Die Komplexität wird ja nicht kleiner. Aber momentan fühlen wir uns noch nicht als Übergeber. Wir sind die Übernehmer. Und die haben darauf zu schauen, ihren Job "ghörig", wie der Vorarlberger sagt, zu machen.
Herr Blum, vielen Dank für das Gespräch!
Julius Blum mit Sitz in Höchst und Produktionsstandorten in den USA, Brasilien, Polen und China ist einer weltweit führenden Herstellern von Möbelbeschlägen. Das Vorarlberger Unternehmen beschäftigt weltweit 9.400 Mitarbeiter, rund 7.000 davon in Vorarlberg. 2021/22 wurde ein Umsatz von 2,643 Milliarden Euro erwirtschaftet. Die Anteile des Unternehmens liegen zu hundert Prozent in Familienhand, die beiden Geschäftsführer Martin sowie Philipp Blum halten je 26 Prozent, die Blum Privatstiftung 48 Prozent.