Stefan Engleder im Porträt : Maschinenbauer Engel Austria: Der Engleder-Effekt

"Die bisherige 'chain of command' ist nicht mehr praktikabel."
Stefan Engleder, CEO Engel Austria
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"Die bisherige 'chain of command' ist nicht mehr praktikabel."
Stefan Engleder, CEO Engel Austria
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Die sichtbarste Transformation hat er wohl selbst durchgemacht. Die Dauerpräsenz eines CEOs, der mediale Trubel musste Stefan Engleder erst ins Blut übergehen, als er 2017 in die Fußstapfen des langjährigen Engel-Chefs Peter Neumann trat. Neumann, der das Rampenlicht liebte und der in seinem Auftreten ruhigere Maschinenbauer Engleder - das war lange Zeit ein Gegensatzpaar.
Stefan Engleder im Top-1000-Manager-Ranking
Heute meistert Engleder, der nach dem überraschenden Ausscheiden seines Schwagers Christoph Steger 2022 nunmehr als einziges Mitglied der Eigentümerfamilien operativ die Fäden zieht, auch spontane Instagram-Auftritte. Ja, er kann sogar darüber schmunzeln, wie er sich zum Social Media Manager seiner Branche hochgeschwungen hat. "Wollen wir Bilder schießen", fragt er nach dem Interview. Und es ist nicht aufgesetzt.
Der Newcomer agiert fehlerfrei
Es ist eine erstaunliche Reifung, die der heute 45-jährige vollzogen hat - und es endet nicht bei seiner Person. Der Maschinenbauriese aus Schwertberg, bekannt für lukrative Geschäfte mit Spritzgießtechnologie, geht unter Engleder in ein neues Zeitalter. Vom großflächigen Umbau der Organisation bis zur Erschließung neuer Märkte reicht der Wandel, der jetzt Fahrt aufnehmen soll. Aus dem Mitbewerberfeld finden das wenige zum Llachen. Wer hoffte, dass der Übergang an der Engel-Spitze den Maschinenbauriesen aus Schwertberg ins Wanken bringt, hatte sich verkalkuliert. "Ein fairer, jedoch kein angenehmer Mitbewerber ist das", sagt ein Geschäftsführer eines Spritzgießkontrahenten im Jahr 2024 ernüchtert. Engel würde sich keine wirklichen Fehler leisten. In punkto Pech und Pannen würden andere Player verlässlicher abliefern.
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Und das, obwohl die Zeiten herausfordernd sind. Seit dem Superkrisenjahr 2009 ist die Branche nicht zur Ruhe gekommen. "Damals krachten wir mit Tempo 180 in eine Garage", beschreibt ein Branchenfachmann den rapiden konjunkturellen Stopp. Seither folgte mit Automotivekrise, Pandemie und Supply Chain-Krise in den letzten Jahren eine Krise der anderen. Doch Engel tauchte durch: 2022/23 wurde mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz sogar eine Rekordmarke geknackt. Während ein Mitbewerber weltweit gerade rasant Stellen abbaut, setzt Engel auf Positivschlagzeilen. Das Unternehmen setzt auf Qualität, Internationalität, Leistungswille. An der Kaderschmiedenmentalität - von der Geschäftsführung abwärts betrachtet man Leistung als verbindlich - hält auch der CEO fest. "Die Geschäftsführung rackert rund um die Uhr", sagt ein leitender Mitarbeiter anerkennend. Viel Zeit fließt in Engleders Projekt "Triade", das den wohl größten Organisationsumbau der Geschichte des Spritzgießmaschinenbauunternehmens bedeutet.

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Engleder baut um
Im Großmaschinenwerk St. Valentin muss Engleder an einem Jännertag freilich einen unangenehmen Termin meistern. Es kommt zu einer Betriebsversammlung, die Belegschaft wird vom Betriebsrat und dem CEO darüber informiert, dass 35 Stellen über einen Sozialplan abgebaut werden. Das Großmaschinenwerk trifft es noch glimpflich. "Ein Manager auf Zeit hätte härter durchgegriffen", atmet ein Mitarbeiter auf. Doch die Nachricht ist trotzdem ein Schock. Der Automotive-Motor stottert. Als wäre das noch nicht besorgniserregend genug, errichtet ein Mitbewerber aus Asien, Haitian, vor den Toren der EU, im serbischen Ruma, bis 2025 eine Spritzgießmaschinenproduktion. Das hat Signalwirkung und kündet vom Selbstbewusstsein Chinas.
In dieser Gemengelage treibt Engleder den wohl größten Organisationsumbau voran - und darin hat er mittlerweile Übung: Er übernahm das Unternehmen just zu einem Zeitpunkt, als dieses eigentlich nicht mehr als klassischer Mittelständler zu führen war. Schwarz-Schwiergersohn Neumann entwickelte es in die Größe. Engleder machte Engel "ohne Strömungabriss" fit für eine Konzernstruktur, hört man in der Branche. Er hat das Unternehmen nicht nur fortgeführt, sondern Akzente gesetzt. Die das Unternehmen bis heute durchwirken. Etwa in der Produktion. Der Standort St. Valentin wurde im Vorjahr für seine Top-Produktionskonzepte prämiert. Das ELOS – ENGEL Lean Organization System – trägt klar Engleders Handschrift.
Engel Austria. Einblick in eines der verschwiegensten Familienunternehmen des Landes
Jetzt nimmt sich Engleder die Führungskultur vor. Er knüpft damit an Neumanns Ideen an und führt fort, wofür der langjährige Vorsitzende bereits den Grundstein gelegt hatte: die konzernalen Strukturen werden ausgebaut, gleichzeitig delegiert Engleder Entscheidungen an den richtigen Ort. "Wir sind waren es gewohnt, linear zu führen. Das ist nicht mehr praktikabel", sagt Engleder. Nicht nur die Vierergeschäftsführung mit Engleder, CPO Gerhard Stangl, CFO Simon Zeilberger und CTO Gerhard Dimmler soll schneller konsentorientiert entscheiden. Ganze Regionen - die neu geschaffene Engel-Triade Europa, Americas und Asien - sollen aufgewertet werden. Drei weitgehend eigenverantwortliche Engel-Hubs sollen der Schlüssel für den zukünftigen Erfolg der Firma sein. Einem Partner von Engel ringt das Delegieren im großen Stil Bewunderung ab. "Je größer Unternehmen werden, umso langsamer werden sie zumeist", meint er. Bei Engel sei das umgekehrt.
Das Wachstum von morgen
Wo Engleder, nachdem Peter Neumann das Unternehmen in alle Himmelsrichtungen internationalisiert hat, weiteres Wachstum identifiziert haben will, ist jedenfalls kein Geheimnis. "Amerika ist der größtdenkbare adressierbare Markt", sagt Engleder, der nun in Mexiko ausbauen will. Und dort weit mehr vorhat als zunächst standardnahe Maschinen zu bauen. Engel realisiert in Mexiko schon heute im vollen Umfang den gesamten Auftragsprozess von der Angebotslegung bis zur technischen Klärung, der Auftragsbearbeitung und dem After Services. In Querétaro wurden dazu über 100 Mitarbeiter aufgebaut, die auf allen Ebenen, vom Ingenieur bis zum Werker, fast schon österreichische Tugenden besitzen. In Steinwurfnähe wird deshalb jetzt erweitert.

Digitales Portfolio - und Sales in seiner Hand
Mit einem Portfolio, das unter Engleder, dem glänzenden Techniker, zuletzt einen deutlichen Shift in Richtung Energieeffizienz und Digitalisierung erfahren hat. Assistenzsysteme, die es ermöglichen, Rezyklat einfacher oder energieeffizienter zu verarbeiten, finden am Markt ihren Abnehmer. Die Gefahr, an den Vorstellungen des Markts vorbeizuproduzieren, seien gering: Automobilisten, meint ein Mitbewerber, würden neuen Features zusprechen, um ihre Standzeiten zu erhöhen. Was man ebenfalls hört: Engel betreibt kein Overselling. Was Engleder so unterschreibt. Der Kunde würde zu teuer unterwegs sein. "Das wäre ein Pyrrhussieg", sagt Engleder.
Der nach dem überraschenden Abgang von Christoph Steger als Sales-Chef seit 2022 nun auch die Agenden seine Schwaäger mitübernommen hat. Engleder, der geborene Verkäufer? „Es ist ein Grunderfordernis, dass der CEO sehr kundennahe auftritt“, sagt er selbst. Gerüchte, wonach Stegers Ausscheiden darauf zurückzuführen war, dass man sich operativ darauf verständigt haben soll, eine klare Linie zu fahren, kommentiert er mit Verweis darauf, dass Steger aus freien Stücken einen anderen Karriereweg eingeschlagen habe.
Das Megaressort meistert er jedenfalls durch eine Neuinterpretation von Vertrieb. Engel hat unter anderem drei starke Business-Units-Leiter, die de facto das gesamte operative Vertriebsgeschäft aufgenommen haben. "Ich kann Ihnen erzählen, dass ich in den letzten zwei Jahren keine drei Endverhandlungen habe führen müssen", sagt Engleder, der sich um die Vertriebs- und Marketingstrategie kümmert. Das sei die neue Kultur. Man delegiere Verantwortung dorthin, wo sie hingehört.

Kostencontrolling wie jeher
Und übt sich - wie seinerzeit die 2016 verstorbenen Großeltern Irene und Georg Schwarz - in Kostendisziplin. "Der Engel-Einkauf rechnet dir bis auf die zweite Nachkommastelle vor, wieviel ein zugeliefertes Produkt kosten darf", sagt ein Vertriebschef. Um Kosteneffizienz geht es auch in den Produktionsnetzwerken. Gleichzeitg wird auch reinvestiert. Für das Geschäftsjahr 2024/25 wurde soeben ein Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro freigegeben. Davon ist knapp die Hälfte für die österreichischen Standorte reserviert. "Das ist unser Signal, dass wir an die Standorte hier glauben", sagt Engleder.
"Bei Gott nicht in der Wohlfühlzone"
Warum Stefan Engleder Social Media erst lieben lernen musste und wie er Tempo von seinen 7.400 Mitarbeitern einfordert, erklärt er im Interview.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Engleder, 2022/23 erreichte Engel mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz eine Rekordmarke. Alarmierend ist aber der Auftragseinbruch 2023 in der europäischen Spritzgießmaschinenbranche von minus 38 Prozent. Wäre es jetzt nicht in einem Aufsichtsratsgremium gemütlicher als operativ an vorderster Front?
Stefan Engleder: (Lacht) Gemütlicher vielleicht, aber es entspricht nicht meinem Charakter. Ich möchte weiterhin operativ tätig sein. Mir macht es unglaublich viel Spaß, auch wenn die Zeiten herausfordernd sind und durchaus energieraubend.
Was kommt da auf Sie zu?
Engleder: Wieder mal ein Abschwung. Nicht der erste und vermutlich auch nicht der letzte. Automotive-Krise, Pandemie, Supply Chain-Krise, eine Krise folgt der anderen. Aber das ist kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Noch aus jedem Tief ging Engel mit gewonnenen Marktanteilen hervor - und das sage ich in aller Bescheidenheit.
Im Großmaschinenwerk St. Valentin wurden zuletzt 35 Stellen über einen Sozialplan abgebaut. Hat Engel ein Kostenproblem?
Engleder: Wir haben immer zu hohe Kosten. Die Materialkostentangente in Europa ist schwindelerregend. Aber ich möchte schon in Relation setzen: Bei branchenweit 38 Prozent Minus im Auftragseingang sind die 35 abgebauten Stellen von insgesamt 1.270 in St. Valentin prozentuell sehr wenig. Und dennoch steht hinter jeder abgebauten Stelle natürlich ein persönliches Schicksal.
Ein Mitbewerber streicht gerade Stelle um Stelle. Auch eine Art Krisenstrategie.
Engleder: Ich kommentiere keine Wettbewerber. Bei Engel sind wir überzeugt, dass es eines Tages wieder bergauf gehen muss. Und bis es soweit ist, freuen wir uns über das Bild, dass das Werk Schwertberg abgibt: Klein-und Mittelmaschinen boomen, es gibt ein Nachfrageplus in Medical und Pharma. Wir müssen dort sehen, dass wir die Liefertermine halten.
Welche Worte haben Sie in St. Valentin im Rahmen der Betriebsversammlung gefunden?
Engleder: Wir nehmen das nicht auf die leichte Schulter. Die Anpassung war aufgrund der fehlenden Kapazitäten notwendig, nicht strukturell bedingt. Wir betreiben kein number crunching. Wir haben aus den letzten Krisen gelernt. Es ist die Ultima Ratio, Personal abzubauen. Und gespart wird ja, wo es nur geht: Durch Komplexitätsreduktion, Digitalisierung, im Produktportfolio.
Spekulationen, wonach 400 Stellen im Werk auf dem Prüfstand stünden, weisen Sie zurück?
Engleder: Wir sind verwundert über die kolportierten Zahlen, die jedweder Grundlage entbehren. Ich halte Freitags die Ansprache im Werk, um tags darauf eine um eine Zehnerpotenz erhöhte Zahl in den Medien zu lesen. Das war eine Zeitungsente. Bevor solche Maßnahmen angedacht sind, gibt es noch ein ganzes Arsenal an Maßnahmen.

Was, wenn sich die Automobilkonjunktur nicht aufhellt?
Engleder: Die Sorge teilen wir nicht. Wir machen rund die Hälfte unseres Geschäfts mit Automotive. Wir sind de facto bei allen namhaften Playern vertreten. Die Branche ist in der Gesamtheit eine wachsende. Gerade was Elektromobilität betrifft, ist Kunststoff gefragter denn je.
Im Superkrisenjahr 2009 gab es - neben größeren personellen Einschnitten - einen Gehaltsverzicht beim Top-Management. Welche Signale an die Belegschaft gibt es, dass man zusammensteht?
Engleder: Wir haben für das Geschäftsjahr 2024/25 ein Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro freigegeben. Davon ist knapp die Hälfte für die österreichischen Standorte reserviert. Das ist unser Signal, dass wir an die Standorte hier glauben. Wir halten sie fit. Die größte Investition erfolgt im Automatisierungswerk Dietach, wo wir die Kapazitäten stark hochfahren.
Man hört, die Sonderautomatisierung sei der Lückenbüßer, wenn große Serien ausbleiben.
Engleder: Wir sind dort randvoll.
Einer Ihrer Mitbewerber aus Asien, Haitian, errichtet vor den Toren der EU, im serbischen Ruma, bis 2025 eine Spritzgießmaschinenproduktion. Schlecht für Engel?
Engleder: Europa ist unser home turf. Da kommen wir aus einer Position der Stärke. Entsprechend überzeugt sind wir davon, die Position zu verteidigen. Wettbewerber nehmen wir jedenfalls ernst. Vor allem unsere chinesischen.
Ihr Vorgänger Neumann expandierte groß nach Asien. Sie selbst waren als Produktionsgeschäftsführer maßgeblich am Aufbau des 20013 eröffneten Werks Changzhou beteiligt. Ist der Motor in China wieder angesprungen?
Engleder: Wir feiern dort Erfolge. Auch dank Herrn Neumanns Initiative. Schon im Vorjahr wurde die eintausendste servo-hydraulische Zwei-Platten-Maschine ausgeliefert. Wir fertigen auf 60.000 Quadratmetern Produktionsfläche. Changzhou hat sich als optimaler Produktionsstandort herauskristallisiert, von dem aus wir mechanische Fertigungsarbeiten in unserem Produktionsnetz Shanghai und Korea verteilen.
Wird die Mexiko-Expansion der Engleder-Moment?
Engleder: Amerika ist der größtdenkbare adressierbare Markt. Wir sehen, dass Europa Probleme hat. Auch die Demografie spricht ja nicht gerade für Europa. Deshalb verschreiben wir uns einer Triadestrategie. Wir machen aus Europa, Americas und dem asiatischen Raum drei Zentren, sogenannte Engel-Hubs.
Willkommen in der Welt des Organisationsentwicklers Engleder?
Engleder: Wir haben viel vor. Weit mehr als zunächst standardnahe Maschinen zu bauen. Wir realisieren in Mexiko im vollen Umfang den gesamten Auftragsprozess von der Angebotslegung bis zur technischen Klärung, der Auftragsbearbeitung und dem After Sales. In Querétaro haben wir dazu über 100 Mitarbeiter aufgebaut, die auf allen Ebenen, vom Ingenieur bis zum Werker, fast schon österreichische Tugenden besitzen.

Wie etwa Arbeitgebertreue?
Engleder: Sie wollen gestalten. Was fehlt, ist noch die Eröffnung der zusätzlichen Flächen drei Autominuten entfernt. Die Niederlassung platzt aus allen Nähten.
Früher war Engel extrem straff geführt. Aber damit machten Sie recht bald Schluss.
Engleder: Man war es gewohnt, linear zu führen. Es gab diese klare "chain of command". Die ist bei der heutigen Unternehmensgröße nicht mehr praktikabel. Deshalb entwickeln wir uns weiter. Wir wollen schnellere, konsentsorientierte Entscheidungen herbeiführen. Das heißt, nach einer Diskussion zählt das beste Argument, es kommt zu keinen faulen Kompromissen. Verantwortung an die Regionen und auch die Zentralbereiche in Österreich zu delegieren, ist der Schlüssel für den zukünftigen Erfolg der Firma.
Und es spielt das Schwertberger Management frei...
Engleder: Zurückkommend auf die Hubs ist wichtig zu betonen: es wird nicht drei Firmen Engel geben, aber mehr regionale Eigenständigkeit. Die Führungskräfte müssen sich in diese Richtung entwickeln und diesen Mindset leben. Regionalpräsidenten werden in Abstimmung mit ihren jeweiligen Zentralbereichsverantwortlichen in Österreich stehen.
Dass Mexiko in Teilen zur verlängerten Werkbank für Europa - sozusagen zu einem günstigeren Kaplice - wird, ist unrealistisch?
Engleder: Es gibt vielleicht da und dort diese Ängste, doch die Strategie sagt etwas anderes. Wir werden in der Region für die Region produzieren.
In Kaplice wurde zuletzt ausgebaut.
Engleder: Gehörig. Kaplice ist aus Kostensicht hochinteressant, auch dessen logistische Nähe. Besser geht es nicht. Wir haben auch dort einen erstaunlichen Reifegrad und eigentlich müssten wir es nach St. Valentin nun als nächstes Werk des Jahres einreichen (lacht). Wir investieren jetzt gerade wieder in neue Laserschneidanlagen.
Welche Perspektiven hat der Standort?
Engleder: Wertschöpfungsintensive und vor allem kundenspezifische Arbeiten, wie etwa die Feinblechbearbeitung und der Schaltschrankbau, werden in Kaplice bleiben. Perspektivisch wollen wir das Werk vom Reifegrad weiter erhöhen und nicht nur als verlängerte Werkbank zu Schwertberg führen. Wir haben dort ein großes Automatisierungszentrum hochgezogen. Wir wachsen derartig stark in der Automatisierungstechnik, dass es auch für die Kollegen in Kaplice wohltuend ist, denn sie stehen nunmehr in der Produktverantwortung.
Der Standort St. Valentin wurde im Vorjahr für seine Top-Produktionskonzepte prämiert. Das ELOS – ENGEL Lean Organization System - Das ELGS - ENGEL Lean Gesamtsystem trägt klar Ihre Handschrift. Woher kommt eigentlich ihre Hingabe zu KPIs?
Engleder: Was mechanistisch klingt, ist es eigentlich nicht. Das Engel Produktions-Optimierungs-System EPOS geht Hand in Hand mit einem Führungsverständnis, Verantwortung an die richtigen Stellen zu bringen. Wir definieren gerade auch unsere Zielzustände mit "objectives and key results" neu. Das bringt riesige Vorteile: Wir geben nicht mehr den Weg vor, sondern kontrollieren das Erreichte.
Schlank halten Sie es auch in der Vierer-Geschäftsführung. Das Sales-Ressort haben Sie von Ihrem Schwager Christoph Steger übernommen und seither nicht abgegeben. Um Machtfülle geht es Ihnen aber nicht?
Engleder: Nein. Es ist Grunderfordernis, dass der CEO sehr kundennah auftritt und dennoch nicht jedem Auftrag hinterherjagt. In meiner Rolle liegt die Vertriebs- und Marketingstrategie. Und es stellt sich die Frage, wie man Vertrieb interpretiert. Ein Beispiel: Wir haben drei starke Business-Units-Leiter, die de facto das gesamte operative Vertriebsgeschäft aufgenommen haben. Ich kann Ihnen erzählen, dass ich in den letzten zwei Jahren keine drei Endverhandlungen habe führen müssen. Das ist die neue Kultur. Wir delegieren Verantwortung dorthin, wo es am besten passt.
Dass das Ausscheiden Stegers darauf zurückzuführen ist, sich operativ darauf verständigt zu haben, eine klarere Linie zu fahren, werden Sie so nicht bestätigen?
Engleder: Er hat von sich aus entschieden, das Unternehmen zu verlassen, um einen anderweitigen Karrierepfad einzuschlagen. Das respektiere ich.
Unter Ihrer Führung läuft der Umbau des Produktportfolios in Richtung Energieeffizienz und Digitalisierung. Am Markt hört man zweierlei: Die Gefahr, am Markt vorbeizuproduzieren und anderseits, dass Automobilisten jedes erdenkliche neue Features mit Handkuss nehmen, um Standzeiten zu erhöhen.
Engleder: Wir betreiben Digitalisierung nicht als Selbstzweck sondern stets nutzenorientiert. Assistenzsysteme, die es ermöglichen, Rezyklat einfacher oder energieeffizienter zu verarbeiten, werden wertgeschätzt. Zugleich wollen wir kein Overselling betreiben. Das wäre ein Pyrrhussieg. Der Kunde würde zu teuer unterwegs sein und sich irgendwann keine Engel-Maschine mehr leisten wollen. Wir handeln eher gemäß unserem Motto „be the first“, das bedeutet, dass wir unsere Kunden dabei unterstützen möchten, in ihren Bereichen die ersten zu sein. Wenn digitale Lösungen hierfür einen Beitrag liefern, bieten wir sie an.
Mussten Sie zu Beginn Ihrer CEO-Laufbahn eigentlich Lehrgeld zahlen?
Engleder: In den ersten eineinhalb Jahren war ich - was die Dauerpräsenz im öffentlichen Raum bis hin zu Social Media betrifft - bei Gott nicht in der Wohlfühlzone. Denn Botschaften, die vom CEO kommen, werden ja um einiges verstärkt wahrgenommen. Da hat es Zeit gebraucht, anzukommen.
Der Engel-ClanGegründet vor 80 Jahren, ist bei Engel nun die vierte Generation operativ am Ruder.
1. Generation: LUDWIG ENGEL
Gründet 1945 in Schwertberg das Unternehmen Engel als kleine Schlosserei. Genialer Erfinder, der mit Kunststoff experimentiert und bald Maschinen in Serie fertigt. Wegbereiter der Engel-Story.
2. Generation: IRENE (geborene Engel) und GEORG SCHWARZ
Übernehmen ab 1965 die Geschäfte und bauen Produktion und Vertrieb am Stammsitz massiv aus. Treiben zugleich die Expansion in neue Märkte und gründen 1977 das erste Engel-Auslandswerk in Guelph/Kanada.
3. Generation: PETER NEUMANN, 68
Der Schwarz-Schwiegersohn leitet ausgehend 1997 mit einem Team an Geschäftsführern die operativen Geschäfte. Er schiebt die Internationalisierung an und verpasst dem Vertrieb eine Neuausrichtung in fünf Zielbranchen. Der ausgebildete Betriebswirt und Marketingspezialist weiß das Unternehmen zu inszenieren.
4. Generation: STEFAN ENGLEDER, 45
Stefan Engleder, Sohn von Schwarz-Tochter Birgitte, verantwortet seit 2012 das Technik-Ressort und ist seit 2017 CEO. Eine der ersten Taten des promovierten Maschinenbauingenieurs war die Einführung eines Prozessoptimierungssystems. Wie schon seine Großeltern wohnt Engleder mit Blick direkt aufs Werk Schwertberg. Er ist Vater zweier Töchter.
ZUM UNTERNEHMEN
Engel Austria mit Stammsitz in Schwertberg ist eines der weltweit führenden Unternehmen im Kunststoffmaschinenbau. Mit neun Produktionswerken in Europa, Nordamerika und Asien sowie Niederlassungen und Vertretungen in über 85 Ländern ist Engel weltweit präsent. Seit seiner Gründung 1945 ist Engel bis heute zu 100 Prozent in Familienbesitz. Man unterhält neun Produktionswerke in Europa, Nordamerika und Asien sowie Niederlassungen und Vertretungen in über 85 Ländern. Das Unternehmen hat über 7.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Hochrechnung für das Geschäftsjahr 2023/24 (per Ende März) ergibt einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro.