Baubranche Entwicklung 2023 Österreich : Baubranche steht vor massiven Veränderungen

project with brick and blueprint on white

Das wachsende Dilemma: Unbezahlbare Immobilien zwingen zum Mieten. Kreditvergaben brechen ein - eine Herausforderung für Durchschnittsverdiener.

- © Getty Images/iStockphoto

Die gestiegenen Material- und Baukosten sowie die schärferen Kreditregeln durch die KIM-Verordnung haben zu einer massiven Auftragsflaute in der Baubranche geführt. Diese verzeichnet für das erste Halbjahr die meisten Firmeninsolvenzen. Der Trend wird sich im zweiten Halbjahr fortsetzen. Dabei ist die Nachfrage nach Wohnimmobilien keineswegs gesättigt. Laut der Wohnbaustudie von INTEGRAL im Auftrag der Erste Bank und Sparkassen bevorzugen mehr als zwei Drittel der Menschen in Österreich das Eigenheim als Wohnform und rund 40 Prozent wollen in den nächsten zehn Jahren ihren Wohnort wechseln. Auch steigt die Bevölkerung insgesamt in Österreich und speziell in Ballungszentren. Langfristig ergeben sich daher keine schlechten Voraussetzungen für die Baubranche und den Immobilienmarkt, denn der Bedarf an neuem Wohnraum ist gegeben.

Abonnieren Sie unseren wöchentlichen Newsletter von Wirtschaftsnachrichten! Jetzt kostenlos abonnieren!

Immobilienpreise steigen, Kreditvergaben brechen ein - Europaweites Dilemma

Dennoch sind die aktuellen Immobilienpreise bei Eigenheimen für Durchschnittsverdiener nicht mehr finanzierbar. Wegen der verschärften KIM-Verordnung sind bis zu 95 Prozent der Kreditvergaben bei Bankinstituten eingebrochen. Laut Eurostat ist der Preisanstieg bei inflationsbereinigten Hauspreisen in Österreich nach Estland und Luxemburg prozentuell seit 2010 am höchsten gewesen. Der Trend ist übrigens europaweit zu beobachten und keineswegs auf Österreich beschränkt. Da das Eigenheim nicht leistbar ist, drängt es mehr und mehr Menschen in die Miete, was zu höheren Mietpreisen führt.

Lesen Sie auch: Krise der Bau-Industrie: Wienerberger mit weniger Umsatz und Gewinn im 1. Quartal.

Es trennte sich Spreu vom Weizen

Je nach Lage, Bausubstanz und Ausstattung eines Wohnobjekts wird man größere Preiskorrekturen sehen, während wiederum andere Wohnobjekte mit soliden Wertindikatoren sehr preisstabil bleiben werden. Gebäude mit älterer Bausubstanz und hohem Sanierungsbedarf sind aktuell im Schnitt um rund 30 bis 40 Prozent überbewertet, so ein Branchenexperte. Auch erweisen sich alte Heizungssysteme, wie Öl- oder Gasheizungen, aktuell als starkes Verkaufshemmnis. Durch EU-Vorgaben müssen ältere Häuser in den nächsten Jahren saniert werden, um die geforderten Energiewerte zu erreichen. Das drückt auf den Wert der Immobilien. Große Immobilienfonds stehen schon bereit, um Eigenheime aufzukaufen, deren Besitzer sich die Sanierungen nicht leisten werden können.

Lesen Sie dazu auch: Studie 2022: Nur für 50 Prozent des Portfolios sind ESG-Mindeststandards definiert.

Beim Neubau sehen Experten zwar auch Korrekturbedarf, allerdings ist dieser wesentlich wertbeständig. Bauträger die auf solide Wertindikatoren, wie gute Lage, passende Wohnungsgrößen, gute Bausubstanz und attraktive Ausstattung sowie Nachhaltigkeit und Energieeffizienz setzen, werden weiterhin nachgefragt.

Wer macht eigentlich Wohnbaupolitik in der Regierung?

Kommentar von Chefredakteur Stefan Rothbart

Von der Politik wird es Antworten brauchen, wie leistbares Wohnen in Zukunft finanzierbar sein wird, denn die aktuelle Misere ist hausgemacht. Neben einer Entschärfung der KIM-Verordnung wird es auch eine Aufstockung und Überarbeitung der Wohnbauförderungen brauchen. Ebenso sind steuerliche Entlastungen wie etwa ein Freibetrag bei der Grunderwerbssteuer für die erste Immobilie anzudenken. Eine weitere Möglichkeit ist, dass Gemeinden die Grundstückspreise für Bauland deckeln und somit dem spekulativen Preisanstieg bei Baugründen vorbeugen. Auch sind manche Bau- und Raumordnungsgesetze hinsichtlich ihrer preissteigernden Wirkung zu untersuchen. Neuwidmungen auf der grünen Wiese müssen hingegen eingedämmt werden, denn Aufschließungs- und Infrastrukturkosten verteuern auch das Bauen. Zudem sind Baulandmobilisierungen bei bestehenden Baugründen unbedingt notwendig.

Lesen Sie dazu auch: Regierungsprogramm: Wohnbauförderung wieder für Wohnzwecke.

Jede Maßnahme, die dazu beitragen kann, Bau und Projektkosten zu senken, reduziert letztendlich auch die Immobilienpreise für den Endkunden und macht Wohnen im Endeffekt wieder leistbarer. Und zu guter Letzt: Die öffentliche Hand wird wieder stärker selbst in den Wohnbau investieren müssen. Aber wer macht eigentlich Wohnbaupolitik in dieser Bundesregierung? Angesichts einer stetig wachsenden Bevölkerung in Österreich ist es sehr bemerkenswert, dass das Thema im Regierungsprogramm von ÖVP und Grüne kein eigenes Kapitel bekommen hat, sondern unter Justiz & Konsumentenschutz zu finden ist. Auf viele darin enthaltene Maßnahmen zur Senkung von Baukosten, schnelleren Bauverfahren und Förderung von Eigentumsbildung wartet man bislang vergeblich. Wer ist jetzt für Wohnbau in der Bundesregierung primär verantwortlich? Laut den Ministeriumswebsites niemand wirklich. Einzig Sozialminister Rauch fühlt sich für Wohnungssicherung bei sozialer Notlage zuständig und irgendwo im Wirtschaftsministerium gibt es die Sektion VII für „Kulturelles Erbe“.

Darin findet sich die Abteilung VII/7 für Wohnungs- und Siedlungspolitik. Zum Vergleich: Deutschland hat ein eigenes Bundesministerium für Wohnbau, wir höchsten eine auf mehrere Ministerien und Sektionen und Abteilungen aufgeteilte „Querschnittsmaterie“. Das von Kanzler Nehammer angekündigte „Wohnpaket“ ist zu begrüßen, muss aber auch strukturelle Veränderungen bringen, die langfristig auf Bau- und Wohnkosten einwirken.