Wirtschaftskriminalität : Wirecard: Verteidiger will Verfahren aussetzen

Markus Braun Wirecard, Ehemaliger CEO

v.l.n.r.: Anwalt Alfred Dierlamm, Ex-Wirecard-Chef Markus braun, Anwalt Nico Werning

- © APA/AFP/Christof Stache

Ob Cum-Ex, Dieselskandal oder Wirecard: Bei den großen Fällen von Wirtschaftskriminalität ist Alfred Dierlamm immer vorne dabei. Als Anwalt des langjährigen Wirecard-Chefs Markus Braun steht er derzeit besonders im Rampenlicht, denn er versuchte heute die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen der Staatsanwaltschaft zu erschüttern. Der Rechtsanwalt griff den ehemaligen Statthalter von Wirecard in Dubai, Oliver Bellenhaus, vor dem Landgericht München direkt an. So behauptet Dierlamm, dass die Aussagen gegenüber der Staatsanwaltschaft unglaubwürdig und nicht plausibel waren.

"Bellenhaus ist nicht Kronzeuge. Bellenhaus ist Haupttäter einer Bande", so Dierlamm. Das Ziel dieser "Bande" soll es gewesen sein, Gelder des Unternehmens abzuleiten und folglich zu veruntreuen. Braun sei seit der Insolvenz von Wirecard im Juni 2020 vorverurteilt worden wie kein anderer seiner Mandanten in 30 Jahren, sagte der Anwalt. "Die Vorverurteilung ist beispiellos wie prägend für dieses Verfahren." Auch das Oberlandesgericht, das für die Untersuchungshaft von Braun verantwortlich war, und der Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestags seien der Falschaussage von Bellenhaus aufgesessen.

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Dierlamm Alfred, Rechtsanwalt
Rechtsanwalt Alfred Dierlamm - © Jann Höfer

Kopf einer Bande oder doch das Opfer?

Markus Braun gilt laut Anklageschrift als der Kopf dieser "kriminellen Bande", die über Jahre die Wirecard-Bilanzen gefälscht und milliardenschwere Scheingeschäfte erfunden haben soll, um Verluste zu verdecken. Der 53-jährige Österreicher sieht sich hingegen als Opfer von mehreren Managern, wie dem flüchtigen ehemaligen Vorstand Jan Marsalek, die Milliarden beiseite geschafft hätten.

Dass der ehemalige Wirecard-Chef Anführer einer Bande sei, wäre eine "geradezu absurde und abwegige Vorstellung", so Dierlamm. Schließlich habe er "in der vollen Überzeugung der Werthaltigkeit seines Depots" an seinen Wirecard-Aktien festgehalten. Er habe seinen Wirecard-Anteil noch mit einem Immobilienkredit belastet und zwar für "die Immobilie, in der seine Familie wohnt". Braun habe selbst eine forensische Untersuchung der Vorgänge bei Wirecard durch die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG veranlasst.

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Der Verteidiger warf den Ermittlern Voreingenommenheit und schwere Ermittlungspannen vor. Die Staatsanwaltschaft habe nach Marsaleks Flucht unter Erfolgsdruck gestanden. Damit sei laut Dierlamm für die Ermittler klar gewesen: "Markus Braun musste hinter Gitter."

Der über Jahre als Visionär gefeierte Ex-Vorstandschef sitzt seit rund zweieinhalb Jahren in Untersuchungshaft. Dierlamm kündigte einen Antrag an, den Betrugsprozess gegen seinen Mandanten sowie Bellenhaus und den ehemaligen Chefbuchhalter von Wirecard, Stephan von Erffa, auszusetzen. Braun sehe sich derzeit nicht in der Lage auszusagen, da die zahlreichen Akten einer genauen Prüfung unterzogen werden müssen und dies Zeit brauche, so Dierlamm.

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Der Ex-Vorstandschef beharrt darauf, dass das lukrative Geschäft von Wirecard mit Drittpartnern in Asien auch nach 2015 existiert hat. Dies sollen auch Kontoauszüge der Drittpartner aus Deutschland belegen, die allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt von der Staatsanwaltschaft geprüft worden seien.

Darin seien zwischen 2016 und 2020 Einzahlungen von einer Milliarde Euro dokumentiert worden. Bellenhaus behauptete in sein Aussage allerdings, dass kein Geld geflossen sei. Doch allein an vier von Bellenhaus kontrollierte Firmen scheinen 750 Millionen Euro gegangen zu sein.