Veräußerung : Voestalpine verkauft Sorgenkind in Texas – warum der Konzern das Werk dennoch braucht

Voestalpine Texas Direktreduktionsanlage

Voestalpine Direktreduktionsanlage in Texas

- © Voestalpine

Die Linzer Voestalpine zieht sich aus ihrem Roheisenwerk in Texas zurück, wie das Unternehmen Sonntagabend bekanntgab. Für die Fertigung der Eisenpellets (HBI, Hot Briquetted Iron) in Corpus Christi hat sich ein Käufer gefunden. Es ist bereits alles unter Dach und Fach: 80 Prozent der Anteile an der Direktreduktionsanlage gehen um 610 Mio. Euro an den europäischen Stahlriesen Arcelor Mittal, wie das oberösterreichische Unternehmen Donnerstagfrüh mitteilte. Die Voest behält 20 Prozent.

Seit einem Jahr arbeitet die Voestalpine an strategischen Optionen für ihre Direktreduktionsanlage in Texas. Der Enterprise Value für 100 % der Anteile an Voestalpine Texas beträgt rund 900 Millionen EUR (eine Milliarde USD). Unter Berücksichtigung der zum heutigen Zeitpunkt erwarteten Verschuldungsentwicklung der Voestalpine Texas wird die Transaktion zu einer wesentlichen Verringerung der Nettofinanzverschuldung des Voestalpine-Konzerns führen.

Mit der Partnerschaft sichert sich der Konzern darüber hinaus einen langfristigen Liefervertrag von jährlich 420.000 Tonnen des dort produzierten Hot Briquetted Iron (HBI). Dies stellt die Basis für eine weitere Dekarbonisierung der Stahlproduktion in Linz und Donawitz („greentec steel“) dar. Zudem reduziert die Partnerschaft das Spotmarktrisiko für die nicht benötigten Mengen. Die Produktionskapazität des HBI-Werks beträgt rund zwei Millionen Tonnen pro Jahr.

„Mit dieser Transaktion sichern wir uns langfristig HBI, können das Geschäftsmodell in Texas mit unserem Partner weiterentwickeln und unsere Pläne zur Dekarbonisierung und grünen Stahlproduktion erfolgversprechend fortsetzen. Der Kaufpreis ist darüber hinaus deutlich höher als der Buchwert. Der Buchgewinn aus der Transaktion beträgt voraussichtlich rund 280 Millionen EUR (310 Millionen USD), wovon der größere Teil im Jahresüberschuss des Jahresabschlusses 2021/22 erfasst wird“, sagt Herbert Eibensteiner, CEO der Voest. Die genauen Ergebnisauswirkungen werden erst bei dem in zwei bis drei Monaten zu erwartenden Closing feststehen. Unabhängig von dieser Transaktion wird der Ausblick der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2021/22 von einem EBITDA von bisher bis zu EUR 2,2 Mrd. auf etwas unter EUR 2,3 Mrd. erhöht

Eine Sorge weniger?

Mit dem Abstoßen des 80-Prozent-Anteils hat die Voest vermutlich ein Sorgenkind weniger: Der Konzern habe in den vergangenen Monaten eine "ergebnisoffene Marktsondierung zur Stabilisierung des Geschäftsmodells" ihrer Direktreduktionsanlage in Texas durchgeführt. Das im Herbst 2016 in Betrieb genommene Werk in Corpus Christi war mit zahlreichen Rückschlägen und Abschreibungen in Millionenhöhe verbunden.

Die Errichtungskosten für die Direktreduktionsanlage betrugen den Konzernangaben zufolge rund 870 Mio. Euro - "1,012 Mrd. Dollar zum damals gültigen Umrechnungskurs". Aufgrund eines schwierigen Marktumfelds hätten 2019 und 2020 "außerplanmäßige Abschreibungen von insgesamt 372 Mio. Euro" vorgenommen werden müssen. Die Voestalpine-Tochter habe das Geschäftsmodell sowie die Produkt- und Kundenstruktur in den vergangenen Jahren "zunehmend stabilisieren können".

Die Voestalpine hat mit greentec steel einen klaren Plan zur Dekarbonisierung der Stahlproduktion entwickelt. Mit der Inbetriebnahme von je einem Elektrolichtbogenofen in Linz und in Donawitz Anfang 2027 können die CO2-Emissionen signifikant um rund 30 % gesenkt werden, was fast 5 % der jährlichen CO2-Emissionen Österreichs entspricht. „Das von der Voestalpine stetig weiterentwickelte Rohstoffkonzept, das auf Schrott, flüssigem Roheisen und HBI basiert, ermöglicht zudem auch die zukünftige Erzeugung von grünen Hightech-Stählen wie sie beispielsweise in der Automobil- und Bahnindustrie zum Einsatz kommen (werden)“, so Eibensteiner.

Auch unter Anwendung emissionsreduzierter/-neutraler Produktionsverfahren hochwertige Stahlqualitäten herstellen zu können, zählt für Stahlhersteller zu den großen technologischen Herausforderungen auf die Umstellung zur grünen Stahlproduktion. Derzeit bildet sich ein Markt für diesen umweltfreundlicheren Stahl, den die Voestalpine im Hochqualitätssegment mit innovativen Produktlösungen für ihre Kunden abdecken wird.

Langfristig setzt der Stahl- und Technologiekonzern aus heutiger Sicht auf eine CO2-neutrale Stahlerzeugung auf Basis grünen Wasserstoffs und forscht bereits intensiv an vielversprechenden Breakthrough-Technologien. „Wir arbeiten bewusst in Szenarien, um zum richtigen Zeitpunkt die optimale Entscheidung treffen zu können“, betont Eibensteiner. Bis 2050 soll die Stahlproduktion der Voestalpine gänzlich klimaneutral sein. (apa/red)