Industriekongress 2024 : Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner: „Versprechen wurden nicht gehalten“

Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner zum 13. Industriekongress den INDUSTRIEMAGAZIN

Voestalpine-Chef Herbert Eibensteiner zum 13. Industriekongress des INDUSTRIEMAGAZIN

- © Matthias Heschl

Herbert Eibensteiner, CEO der Voestalpine, kritisiert auf dem mittlerweile 13. Industriekongress des INDUSTRIEMAGAZIN die Industriepolitik der EU. Laut Eibensteiner habe sich in den letzten Jahren unter Ursula von der Leyen als EU-Präsidentin die Industriepolitik ungleich zur Umwelt- und Klimapolitik der EU entwickelt. Zwar bekenne sich Österreichs größter Stahl-Hersteller zu den Klimazielen und verfolge hierbei auch eigene ehrgeizige Klimaziele, dennoch seien Versprechen in Bezug auf die Industriepolitik der EU nicht eingehalten worden, so der CEO auf der Bühne. Sowohl bei der Energieversorgung als auch bei den Investitionen in die Infrastruktur in Österreich sowie in Teilen der EU gäbe es große Defizite. Dem offiziell zwar vorhandenen Binnenmarkt innerhalb der EU würden zudem zahlreiche unterschiedliche Auslegungen im nationalen Recht sowie Fördermöglichkeiten gegenüber stehen.

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Auch die "überbordende Bürokratie" stelle für die Voestalpine ein Problem dar. Allein für die Erstellung des rund 180-seitigen CSR-Berichts - dessen Umfang in den nächsten Jahren laut Voest-Chef noch deutlich zunehmen wird - beschäftigt der Konzern 30 Mitarbeitende. Eibensteiner sieht in der Transformation der europäischen Wirtschaft sowie der Industrie große Vorteile - insbesondere was die Produktion von hochqualitativen Produkten betrifft, für die es am internationalen Markt nur wenig Mitbewerber gibt. Er mahnt aber die Transformationsschritte an. Es dürfen keine Technologien ausgeschlossen werden und auch kleine Schritte seien für eine langfristige Transformation notwendig. "Lieber sollten wir die Taube auf dem Dach als den Spatz in der Hand haben", so Herbert Eibensteiner.

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- © Industriemagazin

Schlechte deutsche Bahninfrastruktur wirkt sich auf Lieferketten aus

Die anhaltenden Konflikte in der Ukraine und im Nahen Osten stellen ebenfalls eine erhebliche Belastung für den Stahl- und Technologiekonzern dar. Der Krieg in der Ukraine hat die europäische Energieversorgung destabilisiert, was zu drastischen Preissteigerungen und Unsicherheiten bei der Versorgung mit Erdgas geführt hat. Da die Stahlproduktion stark energieabhängig ist, sind diese Entwicklungen besonders problematisch. „Die geopolitische Instabilität hat erhebliche Auswirkungen auf die Rohstoffversorgung und die Energiepreise, was direkte Konsequenzen für unsere Produktionsprozesse hat“, betonte CEO Herbert Eibensteiner​​ beim Industriekongress des INDUSTRIEMAGAZIN. Der Krieg im Nahen Osten wirkt sich zudem negativ auf die Lieferketten aus. Der Sueskanal fällt als sicherer Verkehrsweg immer öfter den Huthi-Rebellen zum Opfer. Längere Wege sind die Folge - auch für die Voestalpine. Zudem, so Eibensteiner auf dem Podium des Industriekongress, sei auch die schlechte deutsche Bahninfrastruktur an einer Verschärfung der Lieferketten mitverantwortlich. "Deutschland hat die schlechteste Bahninfrastruktur Europas", so der CEO.

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Die zunehmenden protektionistischen Tendenzen weltweit erschweren den freien Handel und erhöhen die Kosten für Importe und Exporte. Mehr als 20 Mio. Tonnen Rohstoffe müssen jährlich nach Österreich importiert werden. Insbesondere in den USA und China hat sich der wirtschaftspolitische Kurs verschärft, was zu neuen Handelsbarrieren führt. Diese protektionistischen Maßnahmen beeinflussen ebenfalls die globalen Lieferketten und erhöhen die Kosten für die Voestalpine, da das Unternehmen Rohstoffe und Halbfertigprodukte aus verschiedenen Regionen bezieht. Eibensteiner betonte hierbei allerdings auch die Erfahrungen, die man während der Corona-Pandemie gewonnen habe: Seit 2020 habe die Voestalpine sowohl ihre Rohstoffquellen als auch die Routen nach Europa stark diversifiziert. Gegen knappe Hafen- und Containerkapazitäten könne man aber wenig ausrichten, so Eibensteiner.

CEO Eibensteiner bei einer Podiumsdiskussion zum Industriekongress Voestalpine
CEO Eibensteiner bei einer Podiumsdiskussion zum Industriekongress - © Matthias Heschl

Forderungen an die neue (alte) EU-Präsidentin

Die Voestalpine hat klare Erwartungen an die Europäische Union formuliert, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu fördern und nachhaltiges Wachstum zu sichern. Zu den wesentlichen Forderungen zählen eine ganzheitliche Industriepolitik und Investitionsanreize. Die Voestalpine sieht die Notwendigkeit, Leitmärkte für grüne Produkte zu schaffen, um den Übergang zu einer grünen Wirtschaft zu beschleunigen. Hierzu müssen ausreichende Fördermittel bereitgestellt und das Beihilferecht vereinfacht werden, um Investitionen in innovative Technologien zu unterstützen.

Ein weiterer zentraler Punkt ist der Ausbau erneuerbarer Energien. Wettbewerbsfähige Energiemarktdesigns sollen gefördert werden, um die Kosten für erneuerbare Energien zu senken und deren Einsatz zu maximieren. Zudem sind robuste Importstrategien und eine solide Infrastruktur entscheidend, um die Versorgungssicherheit mit erneuerbaren Energien zu gewährleisten.

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Die voestalpine betont auch die Bedeutung einer fairen Handelspolitik, insbesondere in Bezug auf die USA, Asien (insbesondere China) und die Mercosur-Staaten. Faire Handelsbedingungen sind notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen zu sichern. Darüber hinaus sollte die Einführung und Umsetzung der CO2-Grenzausgleichsmechanismen (Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) so gestaltet werden, dass der internationale Handel nicht unverhältnismäßig belastet wird.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Zugang zu kritischen Rohstoffen. Die Verfügbarkeit von Stahlschrott ist für die industrielle Transformation von entscheidender Bedeutung. Die EU sollte daher sicherstellen, dass der Zugang zu diesen Rohstoffen gesichert ist.

Generell betont die Voestalpine die Notwendigkeit einer Bürokratiebremse. Alle beschlossenen Maßnahmen können nur dann effektiv wirken, wenn sie zügig und unbürokratisch umgesetzt werden. Eine Reduzierung der Bürokratie ist daher unerlässlich, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie nachhaltig zu verbessern.

Herbert Eibensteiner auf der Bühne des Industriekongress 2024

- © Matthias Heschl

Forderungen an eine neue Bundesregierung

Auch an die neue österreichische Bundesregierung hat Eibensteiner auf der Bühne des Industriekongress klare Erwartungen formuliert, um die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Industrie zu stärken und den Weg in eine nachhaltige Zukunft zu ebnen.

Erstens soll der Fokus auf erneuerbare Energien gerichtet werden. Hierbei fordert die Voestalpine Maßnahmen zur Sicherstellung eines wettbewerbsfähigen Preisniveaus und einer zuverlässigen Verfügbarkeit erneuerbarer Energien. Der Ausbau der notwendigen Infrastruktur ist dabei entscheidend, um die Energiewende zu unterstützen und die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Zweitens betont der CEO die Notwendigkeit, die Transformationsförderungen weiterzuentwickeln. Dies umfasst sowohl Investitionen in neue Technologien als auch die Unterstützung bei den Betriebskosten, um den Übergang zu einer klimaneutralen Produktion zu erleichtern. Die Förderung von Innovationen und Effizienzsteigerungen steht hierbei im Vordergrund.

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Drittens soll der Wirtschaftsstandort Österreich durch eine klare Ressortzuteilung innerhalb der Bundesregierung gestärkt werden. Im Namen der Voestalpine plädiert Eibensteiner für eine koordinierte Politik, die die Entwicklung einer klimaneutralen und gleichzeitig wettbewerbsfähigen Industrie zum Ziel hat. Dies erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ministerien und eine klare Zuteilung der Verantwortlichkeiten. Viertens ist die kontinuierliche Weiterentwicklung der Qualifikationen der Arbeitskräfte sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung von zentraler Bedeutung. Die Voestalpine fordert hierfür einen passenden Förderrahmen, der die Innovationskraft der heimischen Industrie nachhaltig stärkt und sicherstellt, dass Österreich im internationalen Wettbewerb bestehen kann.

Zusätzlich betont Eibensteiner die Dringlichkeit der Verlängerung der Strompreiskompensation bis 2030. Dies ist notwendig, um die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Industrie in Österreich zu sichern und die Belastungen durch hohe Stromkosten abzufedern.