Gemeinschaftsunternehmen geplant : Tschechischer Oligarch Kretinsky steigt in Thyssenkrupps Stahlgeschäft ein

Czech businessman Daniel Kretinsky poses during a photo session on January 22, 2020, in Paris. (Photo by JOEL SAGET / AFP)

Deutschlands größter Stahlhersteller Thyssenkrupp Steel bekommt einen neuen Miteigentümer: Den tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky.

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Thyssenkrupp versucht, sein kriselndes Stahlgeschäft zu sanieren: Der deutsche Industriekonzern hat sich mit dem tschechischen Milliardär Daniel Kretinsky geeinigt, in die Stahlsparte einzusteigen. Wie beide Seiten mitteilten, soll ein Joint Venture gegründet werden, an dem beide Partner jeweils 50 Prozent der Anteile halten. Analysten bezifferten den möglichen Erlös für das Paket auf 350 bis 400 Millionen Euro.

Zuletzt hatte der größte deutsche Stahlproduzent angekündigt, Kapazitäten und Arbeitsplätze in der Stahlsparte abbauen zu wollen. Der Schwerindustrie kommt auch bei der Energiewende in Deutschland eine Schlüsselrolle zu. Thyssenkrupp Steel Europe beschäftigt am größten europäischen Stahlstandort in Duisburg rund 27.000 Mitarbeiter.

Thyssenkrupp-Chef will wirtschaftliche Selbstständigkeit

"Unser Ziel ist ein Zukunftskonzept, das zu wirtschaftlicher Selbstständigkeit und unternehmerischem Erfolg von Thyssenkrupp Steel führt, den Anforderungen des Klimaschutzes entspricht, betriebsbedingte Kündigungen vermeidet und eine breite Akzeptanz findet", sagt Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez. "Die Vereinbarung über den Erwerb der 20-prozentigen Beteiligung an Thyssenkrupp Steel Europe ist ein erster Schritt auf dem geplanten Weg zu einer umfassenderen strategischen Partnerschaft", fügt Daniel Kretinsky hinzu. Der Einstieg von EPCG vereinige "das führende Werkstoff-Know-how von Thyssenkrupp Steel Europe mit der Energieexpertise von EPCG". Die Transaktion solle noch im laufenden Geschäftsjahr abgeschlossen werden.

Als strategischer Partner werde EPCG für die Versorgung des Joint Ventures mit Energie, Wasserstoff, Ökostrom und anderen Energierohstoffen verantwortlich sein, so Kretinsky. Er betont auch, dass EPCG die jüngsten dynamischen Marktbedingungen im Energiesektor erfolgreich gemeistert habe und finanziell gut aufgestellt sei. "Auf dieser Grundlage sind wir überzeugt, dass das Joints-Venture-Konzept mit Thyssenkrupp Steel eine widerstandsfähigere Position sichern wird."

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Thyssenkrupp-Chef Miguel Lopez sieht im Einstieg Kretinskys ein "Zukunftskonzept". - © thyssenkrupp AG

"Kampfansage": Gewerkschafter kündigen Protest an

Der Betriebsrat und die IG Metall haben zu einer öffentlichen Protestkundgebung gegen den Einstieg des tschechischen Milliardärs Daniel Kretinsky aufgerufen. Eine für Dienstag geplante interne Informationsveranstaltung für die Belegschaft im Stadion des MSV Duisburg werde deshalb abgesagt, teilte der Betriebsrat mit. Aufgerufen werde stattdessen zu einer Protestaktion vor der Duisburger Firmenzentrale am selben Tag.

Die IG Metall hatte bereits am Freitag verärgert auf die kurzfristige Ankündigung von Krestinskys Einstieg reagiert. Wieder einmal sei die Mitbestimmung umgangen worden, hieß es am Samstag in einem Protestaufruf. "Dies ist für einen traditionell mitbestimmten Konzern wie den unseren mehr als eine Provokation. Es ist eine kalkulierte Kampfansage", so Gesamtbetriebsratsvorsitzender Tekin Nasikkol.

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Der Stahlriese Thyssenkrupp Steel Europe beschäftigt rund 27.000 Mitarbeiter. - © thyssenkrupp AG

Wer ist der Milliardär aus Tschechien?

Daniel Kretinsky ist einer der tschechischen Oligarchen, die in den 1990er Jahren den Grundstein für ihr Firmenimperium gelegt haben. Das Magazin Forbes schätzt sein Vermögen auf 9,7 Milliarden US-Dollar. Kretinsky ist 48 Jahre alt, wurde in Brünn geboren und studierte Jura. Er ist im Energiegeschäft groß geworden. Heute hält er in Europa zahlreiche Beteiligungen in verschiedenen Branchen - von Handelsunternehmen wie Metro über Medienkonzerne bis hin zur Logistik.

Der Tscheche ist Mehrheitsaktionär der Investmentgesellschaft EP Global Commerce. Über sie kontrolliert er EPH, einen der größten Energieversorger seines Landes. Das Unternehmen hält Mehrheitsbeteiligungen oder große Anteile an Braunkohle-, Gas-, Erneuerbare-Energien- und Atomkraftwerken unter anderem in Tschechien, Großbritannien, Italien und der Slowakei. In der Slowakei gehören auch Gaspipeline-Betreiber und Gasspeicher dazu. In Deutschland ist EPH an den ostdeutschen Braunkohleverstromern Mibrag und LEAG beteiligt. EPGC hat in Handelsunternehmen investiert, in Deutschland etwa in den Lebensmittelgroßhändler Metro, in den USA besitzt Kretinsky Anteile am Sportartikelkonzern Foot Locker, in Großbritannien ist er an der Supermarktkette Sainsbury's beteiligt.

In Tschechien hält Kretinsky unter anderem Anteile an mehreren Tageszeitungen, in Frankreich an Titeln wie „Elle“ und „Marianne“. Dort hat er auch die Verlagsgruppe Editis übernommen. Darüber hinaus ist Kretinsky in Großbritannien, den Niederlanden und Frankreich in der Logistikbranche und bei Postdienstleistern aktiv. Er besitzt Anteile am englischen Fußball-Erstligisten West Ham United. Außerdem ist er Eigentümer des tschechischen Spitzenclubs Sparta Prag.

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Der tschechische Oligarch hat durch seine zahlreichen Investitionen im Medienbereich auch eine große Medienmacht. - © APA/AFP/Thomas SAMSON