Fachkräftemangel : So will die Industrie Anreiz für Leistungsträger schaffen

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Stefan Pierer zum 10-Punkte-Plan: "Die steuerfreie Auszahlung von bis zu 600 Euro für Überstundenzuschläge zu führt zu legaler Mehrarbeit. Ich weiß, wo sonst gearbeitet wird."

- © Schur Flexibles

Die Industriellenvereinigung (IV) wünscht sich steuerliche Entlastungen für Menschen, die mehr arbeiten wollen. Ein 10-Punkte-Paket, das unter dem Titel "Leistung muss sich (wieder) lohnen" läuft enthält Vorschläge, die zum Ziel haben, arbeitenden Menschen zwei Milliarden Euro netto mehr vom Brutto-Gehalt zu verschaffen. Das Paket, das wohl nicht zufällig am ersten Tag der Metallerverhandlungen präsentiert wurde, soll auch das Wirtschaftswachstum um 0,41 Prozentpunkte erhöhen. Die wichtigsten Eckdaten, die am Montag von IIV-Präsident Georg Knill und IV-Oberösterreich-Präsident Stefan Pierer präsentiert wurden:

Steuerfreistellung von 20 Überstunden
Derzeit sind die Zuschläge (nicht der Grundlohn selbst) von bis zu 10 Überstunden pro Monat und insgesamt maximal 86 Euro steuerfrei. Die Industriellenvereinigung schlägt eine Erhöhung der Anzahl begünstigter Überstunden auf 20 Stunden sowie die Anhebung der Grenze für die Steuerbefreiung auf 600 Euro vor.

Leistungsbonus im Alter

Derzeit besteht für Personen, die ab dem Regelpensionsalter sowohl Pension als auch Erwerbseinkommen beziehen volle PV-Beitragspflicht. Aufgrund der starken Progression erhöht sich die Steuerlast so stark, dass der Anreiz fehlt, länger in der Erwerbstätigkeit zu bleiben. Die Industriellenvereinigung fordert nach Erreichen des Regel-Pensionsalters einen völligen Entfall der Beitragspflicht zur Pensionsversicherung (sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer). Ausserdem soll die steuerrechtliche Bemessungsgrundlage des Erwerbseinkommens halbiert werden.

Attraktivierung der Vollzeitarbeit

Derzeit wird sich aufgrund der starken Progression in der Einkommensteuer Vollzeitarabeit nicht incentiviert. Dieser Effekt wird durchan Einkommensgrenzen gekoppelte Beihilfen und Begünstigungen verstärkt. Die Industrie fordert die Einführung eines Freibetrags, der bei Vollzeitarbeit einen Anteil des Einkommens völlig von der Einkommensteuer befreit. Ausserdem soll das System Inaktivitätsfallen durchforstet werden, damit es nicht zu falschen Anreizen aufgrund sprunghafter Anstiege von Abgaben oder dem Wegfall von Beihilfen und Zuschüssen kommt.

Vor allem für Industrieunternehmen – die zumeist abseits der Ballungsräume produzieren, ist der nächste Punkt wichtig:

Anreize zur Mitarbeiterbindung im Bereich Wohnen
Derzeit ist bis zu einer Wohnungsgröße von 30m2 kein Sachbezug zu berücksichtigen, wenn die MItarbeiterwohnung nicht den Mittelpunkt des Lebensinteresses bildet. Die Industrie fordert Werkswohnungen sollen bis inklusive 75m2 nicht sachbezugspflichtig sein, selbst wenn sie den Mittelpunkt des Lebensinteresses bilden.

Belohnung der Nacht- und Schwerarbeit

Derzeit fehlt vielen Arbeitnehmern der Anreiz für Nachtarbeit. Die dafür ausbezahlten Zuschläge sind zwar begünstigt, allerdings wird die Deckelung mit insgesamt 360 Euro für mehrere Zulagen und Zuschläge schnell erreicht. Die Industrie fordert eine Verdoppelung des Freibetrags für Schmutz-, Erschwernis- und Gefahrenzulagen, für Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit und für die Überstundenzuschläge auf 720 Euro pro Monat.

Stefan Pierer, CEO von Fahrzeughersteller Pierer Mobility mit Sitz in Oberösterreich
Die Sorge, dass alte Menschen den Jungen die Arbeit wegnehmen, wenn sie länger arbeiten, teilt Pierer nicht: "Es wäre schön", wenn es so wäre, sagte er, aber die Jungen würden lieber von Work-Life-Balance sprechen. - © Gilbert Novy / KURIER / picturedesk.com

"Wir können in den meisten Regionen des Landes von Vollbeschäftigung sprechen", sagt IV-Präsident Georg Knill bei der Vorstellung des Paketes am Montag vor Journalisten. Die Industrie - wie fast alle anderen Wirtschaftsbereiche auch - suche nicht nur Fachkräfte "händeringend". Daher müssten einerseits die 50.000 bis 60.000 Menschen, die derzeit jährlich in Pension gehen, motiviert werden, weiter zu arbeiten und auch mehr Menschen aus Teilzeit in die Vollzeit wechseln. Allerdings gehe es ausschließlich um freiwillige Maßnahmen, betonen Knill und Pierer.

Wer derzeit von 30 auf 40 Wochenstunden aufstockt und dafür brutto 1.000 Euro mehr bekommt, bekomme davon nur 480 Euro netto. Das sei zu wenig, um Menschen zur Mehrarbeit zu motivieren, so Knill. Er erlebe es "vielfach", dass diese Besteuerung Menschen vom Umstieg auf Vollzeitarbeit abhalte. Es gebe "zu viele alternative Möglichkeiten", Geld zu verdienen.Pierer verwies darauf, dass die steuerfreie Auszahlung von bis zu 600 Euro für Überstundenzuschlage zu "legaler Mehrarbeit" führen würde. Davon verspreche sich die Industrie sehr viel. "Ich weiß, wo sonst gearbeitet wird", so der KTM-Chef. Die Probleme im Land werden aus seiner Sicht nur durch mehr Arbeit gelöst. Auch die Sorge, dass alte Menschen den Jungen die Arbeit wegnehmen, wenn sie länger arbeiten, teilt Pierer nicht: "Es wäre schön", wenn es so wäre, sagte er, aber die Jungen würden lieber von Work-Life-Balance sprechen. In Wahrheit fehlten in Österreich 250.000 Arbeitskräfte. "Bitte kommen Sie", ruft Pierer die jungen Menschen auf, aus der Teil- in die Vollzeit zu wechseln.

Was das Paket in Summe an Steuern kosten wird, wollten sich Knill und Pierer nicht festlegen, dazu gebe es in geplanten Gesprächen mit Finanz- und Wirtschaftsminister noch zu viel Gestaltungsspielraum. Ziel sei es aber, dass den arbeitenden Menschen zwei Milliarden Euro netto mehr Gehalt bleiben. Das Paket soll aber das Wirtschaftswachstum um 0,41 Prozentpunkte erhöhen. Und wenn Pensionisten weiter arbeiten, würde sich das über die geleistete Mehrarbeit selbst tragen.Zu den laufenden Kollektivvertragsverhandlungen wollten sich Knill und Pierer nicht näher äußern, Knill plädierte "für Verantwortung, nicht Muskelkraft".

Klare Absagen gab es aber von den Industriellen für die zusätzliche Besteuerung von Gewinnen von Energiefirmen. Unter so eine Abschöpfungsabgabe würden wohl nur ein bis drei Unternehmen in Österreich fallen, schätzt Knill. Wenn man noch berücksichtige, dass diese in alternative Energieträger investieren und meist ohnehin zumindest teilweise dem Staat gehören, würde unter dem Strich kein nennenswerter Betrag übrig bleiben. Das sei "ein schönes Wort, das als Überschrift gut klingt". Pierer formulierte es direkter: "Ich halte die Übergewinnsteuer für einen Schwachsinn.

"Die Gewerkschaft GPA münzte die IV-Forderung nach leistungsgerechten Einkommen auf Erbschaften um und forderte umgehend Unterstützung bei ihrer Forderung nach Einführung einer Erbschaftssteuer. GPA-Vorsitzende Barbara Teiber kritisiert aber auch inhaltliche Forderungen der Industrie. Überstunden zu fördern sei "alles andere als ein progressiver Ansatz", Vollzeit gegenüber Teilzeit zu bevorzugen "für viele, vor allem weibliche Arbeitnehmerinnen, ein Schlag ins Gesicht". Besonders "befremdlich" sei die Aussage, "Wohlstand erhalten und bauen wir nicht mit 'Work-Life-Balance' aus". Wichtig sei Respekt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und deren Wünsche. Die IV meint demgegenüber, der Arbeitskräftemangel habe "nichts mit dem Arbeitsumfeld in den heimischen Industriebetrieben zu tun", sondern mit der Alterung der Bevölkerung und warf der Gewerkschaft "verstaubte Uraltforderungen" vor.

Georg Knill, Präsident der österreichischen Industriellenvereinigung (IV)
"Wir können in den meisten Regionen des Landes von Vollbeschäftigung sprechen", sagt IV-Präsident Georg Knill bei der Vorstellung des Paketes am Montag vor Journalisten. - © YouTube/ der brutkasten