Russlands Wirtschaftswachstum 2024 : Putins Werben um europäische Firmen: Ist Russlands Kriegswirtschaft am Ende?
Inhalt
- Putin lädt deutsche Firmen nach Russland ein. Warum?
- Hohe Inflation beunruhigt selbst Putin
- Stößt Putins Wirtschaftsmodell langsam an seine Grenzen?
- Russisches Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig. Oder doch?
- Konsumentenmarkt: Die Abhängigkeit von ausländischen Marken
- Abwesenheit westlicher Unternehmen hat für russische Wirtschaft weitreichende Konsequenzen
- Zahlreiche Firmen haben Russland seit Kriegsbeginn verlassen
- ... und wie steht es um österreichische Unternehmen?
- Wäre es für Volkswagen wirklich besser gewesen, in Russland zu bleiben?

Russlands Präsident Wladimir Putin hat um die Rückkehr westlicher und speziell deutscher Unternehmen geworben
- © FotoliaPutin lädt deutsche Firmen nach Russland ein. Warum?
Die russische Wirtschaft befindet sich nach den umfassenden westlichen Sanktionen und dem Rückzug vieler internationaler Unternehmen in einer Phase tiefgreifender Transformation. Insbesondere der Abzug westlicher Firmen hat große Lücken hinterlassen, die das Land zu schließen versucht. Russlands Präsident Wladimir Putin hat sich bei seiner Rede auf dem Moskauer Investitionsforum „Russia Calling“ erneut an internationale Unternehmen gewandt, insbesondere an deutsche Firmen, und sie zur Rückkehr nach Russland aufgefordert. Dabei hob er hervor: „Unsere Türen sind immer offen, wir hatten mit Deutschland jahrzehntelang sehr gute Beziehungen und haben einander stets gut verstanden.“ Er betonte, dass die wirtschaftlichen Bedingungen für deutsche Unternehmen in Russland sogar besser seien als in anderen Ländern.
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Putin stellte jedoch klar, dass Rückkehrer keine Sonderbehandlung erwarten dürften. Dennoch wolle man ihnen keine Hindernisse in den Weg legen. Gleichzeitig zeigte er sich selbstbewusst und wies darauf hin, dass russische Unternehmen und Firmen aus befreundeten Staaten die meisten Lücken, die durch den Abzug westlicher Konzerne entstanden seien, bereits erfolgreich gefüllt hätten. Die Aussage verdeutlicht, dass Russland zunehmend auf die Zusammenarbeit mit Ländern setzt, die es nicht sanktioniert haben, darunter China, Indien und weitere Staaten.
Für das Jahr 2024 prognostizierte Putin ein Wirtschaftswachstum von 3,9 bis 4 Prozent. Diese Prognose wird jedoch von westlichen Experten kritisch betrachtet, da sie vor allem auf der expansiven Rüstungsindustrie basiert, die angesichts des anhaltenden Krieges in der Ukraine stark zugenommen hat. Die Lebensbedingungen der russischen Bevölkerung profitieren dagegen nur eingeschränkt von diesem Wachstum, da die hohe Inflation, insbesondere bei Lebensmitteln und Konsumgütern, die Kaufkraft erheblich schmälert. Diese Problematik erwähnte Putin in seiner Rede lediglich am Rande, ohne auf konkrete Maßnahmen einzugehen.
Während Putin betont, dass Russland wirtschaftlich unabhängiger geworden sei, zeigen Berichte, dass die Eigenproduktion in vielen Bereichen zwar gestiegen ist, qualitativ jedoch oft nicht mit westlichen Standards mithalten kann. Der Rückgang ausländischer Investitionen und die anhaltenden Sanktionen belasten zudem die langfristigen Perspektiven der russischen Wirtschaft.
Die geopolitischen Risiken, verbunden mit einem angespannten Verhältnis zwischen Russland und der EU, dürften eine baldige Rückkehr vieler westlicher Firmen unwahrscheinlich machen.
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Hohe Inflation beunruhigt selbst Putin
Die russische Wirtschaft zeigt laut Präsident Wladimir Putin trotz zahlreicher Herausforderungen eine bemerkenswerte Stabilität. Auf seiner jährlichen Pressekonferenz in Moskau erklärte er, dass die Wirtschaft im Jahr 2024 ein Wachstum von bis zu vier Prozent erreichen könnte. Gleichzeitig räumte Putin jedoch ein, dass die hohe Inflation und eine Überhitzung der Wirtschaft besorgniserregende Signale seien. „Es gibt hier einige Probleme, nämlich die Inflation, eine gewisse Überhitzung der Wirtschaft, und die Regierung sowie die Zentralbank sind bereits damit beauftragt, das Tempo zu drosseln“, sagte Putin.
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Für das Jahr 2025 prognostizierte der russische Präsident ein moderateres Wachstum „irgendwo bei 2 bis 2,25 Prozent“. Er bezeichnete dies als eine „weiche Landung“ und deutete an, dass die Maßnahmen der Regierung und der Zentralbank darauf abzielen, die Wirtschaft langfristig zu stabilisieren.
Seit Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine steht Russland unter massivem wirtschaftlichem Druck. Der Westen hat eine Vielzahl von Sanktionen verhängt, die darauf abzielen, die russische Wirtschaft zu schwächen. Dennoch hat Russland Wege gefunden, einige dieser Maßnahmen zu umgehen, insbesondere durch den Verkauf von Öl und Gas an Länder wie China und Indien.
Trotzdem bleibt die Währungsstabilität ein großes Problem. Im November 2024 verlor der Rubel rund 15 Prozent seines Wertes gegenüber dem US-Dollar. Analysten führen diesen drastischen Verfall auf Panikkäufe von Fremdwährungen zurück, die durch neue US-Sanktionen gegen russische Banken ausgelöst wurden. Die Inflation bleibt eine der größten Hürden für die russische Wirtschaft. Verbraucher und Unternehmen spüren die steigenden Preise, die die Kaufkraft belasten und Investitionen erschweren.

Stößt Putins Wirtschaftsmodell langsam an seine Grenzen?
Die russische Wirtschaft hat in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Resilienz gezeigt, trotz umfassender westlicher Sanktionen und des anhaltenden Krieges in der Ukraine. Mit einem prognostizierten BIP-Wachstum von 3,6 Prozent für das Jahr 2024 und einer halbierten Arbeitslosenquote seit Kriegsbeginn scheinen die makroökonomischen Indikatoren positiv. Doch hinter dieser Fassade mehren sich die Anzeichen, dass das von Präsident Wladimir Putin etablierte Wirtschaftsmodell an seine Grenzen stößt.
Die russische Zentralbank unter der Leitung von Elvira Nabiullina kämpft mit einer anhaltend hohen Inflation, die derzeit bei neun Prozent liegt. Trotz mehrfacher Anhebungen des Leitzinses, der aktuell bei 21 Prozent liegt und bald auf 23 Prozent steigen könnte, gelingt es nicht, den Preisauftrieb zu bremsen. Solch hohe Zinssätze belasten die Wirtschaft zusätzlich, da sie Kreditaufnahmen verteuern und Investitionen hemmen.
Ein signifikanter Faktor für die Inflation sind die stark gestiegenen Einkommen. Seit Kriegsbeginn haben sich die Medianeinkommen um 20 Prozent erhöht. Dieser Anstieg resultiert aus einem intensiven Wettbewerb um Arbeitskräfte zwischen zivilem und militärischem Sektor, da viele Männer an der Front dienen, gefallen oder ins Ausland geflohen sind. Der daraus resultierende Arbeitskräftemangel führt zu kontinuierlichen Lohnerhöhungen, die den Konsum ankurbeln, aber auch die Inflation befeuern.
Die hohen Zinsen haben bereits zu einem Anstieg von Unternehmensinsolvenzen geführt. Laut dem russischen Industrieverband hat sich der Anteil der Firmen, die ihre Rechnungen nicht pünktlich begleichen können, auf fast 40 Prozent verdoppelt. Diese Entwicklung deutet auf eine wachsende wirtschaftliche Instabilität hin und stellt die Nachhaltigkeit des aktuellen Wirtschaftsmodells infrage.
Trotz dieser Herausforderungen zeigt die russische Regierung Bemühungen um Budgetdisziplin. So wurde der seit 20 Jahren bestehende einheitliche Steuersatz auf Einkommen abgeschafft, und Top-Verdiener sowie Unternehmen werden nun höher besteuert. Diese Maßnahmen haben die Budgeteinnahmen erhöht und helfen, den Rückgang der Einnahmen aus dem fossilen Rohstoffsektor zu kompensieren.

Russisches Wirtschaftswachstum nicht nachhaltig. Oder doch?
Die russische Regierung hat ihre Prognosen für das Wirtschaftswachstum 2024 nach oben korrigiert und erwartet nun einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um 3,9 Prozent. Dieser Optimismus basiert auf gestiegenen Kapitalinvestitionen und erhöhten Staatsausgaben, vor allem im Rüstungssektor, was zu höheren Löhnen und einer gesteigerten Konsumnachfrage geführt hat.
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Trotz dieser positiven Zahlen äußern Experten Bedenken über die langfristige Tragfähigkeit dieses Wachstums. Ein signifikanter Anteil des BIP-Anstiegs ist auf die Kriegswirtschaft zurückzuführen, insbesondere auf die Produktion militärischer Güter. Diese Fokussierung auf den Rüstungssektor könnte die Diversifizierung der Wirtschaft hemmen und sie anfälliger für externe Schocks machen.
Zudem hat die russische Zentralbank den Leitzins auf 18 Prozent erhöht, um die steigende Inflation zu bekämpfen, die bis Jahresende auf 7,3 Prozent geschätzt wird. Hohe Zinsen könnten jedoch Investitionen in nicht-militärische Sektoren dämpfen und somit das zukünftige Wachstumspotenzial beeinträchtigen.
Die Abhängigkeit vom militärischen Sektor und die Auswirkungen internationaler Sanktionen könnten die russische Wirtschaft mittelfristig belasten. Ohne eine Diversifizierung und Modernisierung der zivilen Industrien besteht die Gefahr, dass das aktuelle Wachstum nicht nachhaltig ist und die Wirtschaft in eine Stagnation verfällt.
Konsumentenmarkt: Die Abhängigkeit von ausländischen Marken
Ausländische Investitionen haben über viele Jahre eine zentrale Rolle im wirtschaftlichen Aufstieg Russlands gespielt. Internationale Unternehmen brachten nicht nur dringend benötigtes Kapital, sondern auch fortschrittliches Know-how, moderne Technologien und den Zugang zu globalen Netzwerken. Diese Faktoren ermöglichten es Russland, seine Wirtschaft zu diversifizieren und in vielen Bereichen wettbewerbsfähiger zu werden. Doch nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine und den daraufhin verhängten Sanktionen des Westens ist dieser wichtige Wachstumsmotor nahezu vollständig zum Erliegen gekommen.
Die russische Zentralbank sowie staatliche Investitionsfonds versuchen, den Wegfall dieser Mittel durch eigene Maßnahmen zu kompensieren. Durch finanzielle Anreize und Investitionsprogramme wird versucht, die heimische Wirtschaft zu stabilisieren und das Vertrauen der verbliebenen Investoren zu stärken. Allerdings kann diese Strategie nur kurzfristige Effekte erzielen. Der Abfluss von Fachkräften – insbesondere hochqualifizierten Arbeitskräften – sowie die Unsicherheiten im rechtlichen und politischen Umfeld schrecken potenzielle Geldgeber ab. Selbst Unternehmen aus sogenannten „befreundeten Staaten“ wie China, Indien oder der Türkei agieren zurückhaltend, da das wirtschaftliche und politische Risiko einer Investition in Russland hoch bleibt. Die Abhängigkeit von wenigen Handelspartnern birgt zusätzliche Gefahren, da sich der Zugang zu Märkten und Technologien weiter einschränkt.

Abwesenheit westlicher Unternehmen hat für russische Wirtschaft weitreichende Konsequenzen
Auch auf der Konsumentenseite sind die Auswirkungen des Rückzugs internationaler Marken deutlich zu spüren. Russische Verbraucher haben jahrzehntelang westliche Produkte bevorzugt, sei es in der Mode, der Elektronik oder der Lebensmittelbranche. Der Rückzug von globalen Marken wie IKEA, McDonald’s, Apple oder Zara hat eine spürbare Lücke hinterlassen. Zwar versucht Russland, diese durch den Aufbau eigener Marken zu schließen, doch die Qualität und der Wiedererkennungswert vieler lokaler Alternativen können mit den bekannten internationalen Anbietern häufig nicht mithalten.
Die Abwesenheit westlicher Unternehmen hat für die russische Wirtschaft weitreichende Konsequenzen, die sich nicht nur in einer eingeschränkten Produktauswahl, sondern auch in einem spürbaren Qualitätsverlust bemerkbar machen. Viele der in Russland entwickelten Ersatzprodukte können mit den etablierten internationalen Standards nicht konkurrieren, was sowohl Verbraucher als auch Unternehmen vor Herausforderungen stellt. Der Verlust von Innovationen, Technologie und Know-how, die einst durch westliche Firmen ins Land kamen, hat zudem langfristige Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit Russlands.
Zudem importiert Russland verstärkt Waren aus Ländern wie China, Indien und der Türkei, um die Versorgung mit Elektronik, Haushaltsgeräten oder Modeartikeln sicherzustellen. Während dies kurzfristig hilft, den Konsumbedarf zu decken, bleibt die Nachfrage nach bekannten westlichen Marken ungebrochen. Der Rückzug dieser Firmen hat das Konsumverhalten verändert und gleichzeitig die Kaufkraft vieler Russen eingeschränkt, da die Inflation und der sinkende Rubelwert die Preise für importierte Produkte in die Höhe treiben.
Besonders China nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein, sowohl als Lieferant von Technologie und Investitionen als auch von Konsumgütern. Doch diese Partnerschaft ist stark unausgewogen. Während Russland auf chinesische Unterstützung angewiesen ist, nutzt Peking die geopolitische Schwäche Moskaus, um Rohstoffe und andere Ressourcen zu günstigen Konditionen zu sichern. Auch Indien und andere Schwellenländer haben ihre Handelsbeziehungen mit Russland intensiviert. Diese Partnerschaften können jedoch den Verlust der westlichen Märkte weder quantitativ noch qualitativ vollständig kompensieren. Russland bleibt dadurch zunehmend isoliert und wirtschaftlich von wenigen, teils dominanten Partnern abhängig.
Insgesamt steht Russland vor der Herausforderung, langfristig ein wirtschaftlich attraktives und stabiles Umfeld zu schaffen, um sowohl Investitionen als auch Konsum zu fördern – eine Aufgabe, die angesichts der geopolitischen Lage und der Sanktionspolitik des Westens schwer zu bewältigen sein dürfte.
Zahlreiche Firmen haben Russland seit Kriegsbeginn verlassen
Nach dem von Wladimir Putin initiierten Angriffskrieg gegen die Ukraine und den darauffolgenden Sanktionen haben viele westliche Unternehmen den russischen Markt verlassen. Dieser Exodus bedeutete nicht nur einen wirtschaftlichen Verlust für Russland, sondern stellte auch die betroffenen Unternehmen vor Herausforderungen. Besonders irritiert zeigte sich Putin über den Rückzug von Volkswagen. Er argumentierte, dass der Autobauer durch die Fortführung seiner Produktion in Russland und die Lieferung von Ersatzteilen aus Deutschland hätte profitieren können. Zudem behauptete er, die eigentlichen Leidtragenden seien die VW-Mitarbeiter in Deutschland, die aufgrund von Werksschließungen „zu Tausenden streiken“.
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Die russische Regierung hat in den vergangenen Monaten zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um den Rückzug westlicher Unternehmen zu erschweren. Laut einem Bericht der New York Times unterliegen Abwanderungspläne strengen Kontrollen, und Genehmigungen für den Verkauf von Vermögenswerten werden nur zögerlich erteilt. Darüber hinaus ermöglichen neue Gesetze die Beschlagnahmung von Eigentum westlicher Firmen, was den Rückzug noch komplizierter und riskanter macht. Diese Maßnahmen sollen einerseits den wirtschaftlichen Schaden für Russland minimieren und andererseits westliche Unternehmen von einem Ausstieg abschrecken.

Seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine haben zahlreiche europäische Unternehmen ihre Geschäfte in Russland eingestellt oder reduziert. Zu den bedeutenden Konzernen zählen:
- IKEA: Der schwedische Möbelriese hat seine Aktivitäten in Russland eingestellt.
- McDonald's: Die US-amerikanische Fast-Food-Kette hat sich aus dem russischen Markt zurückgezogen.
- Shell: Das britisch-niederländische Energieunternehmen hat angekündigt, sich aus russischen Öl- und Gasprojekten zurückzuziehen.
- BP: Der britische Ölkonzern hat seine Beteiligung am russischen Unternehmen Rosneft aufgegeben.
- UniCredit: Die italienische Bank erwägt den Ausstieg aus dem russischen Markt und hat mögliche Verluste in Milliardenhöhe einkalkuliert.
- Renault: Der französische Automobilhersteller hat seine Aktivitäten in Russland eingestellt.
- Henkel: Der deutsche Konsumgüterkonzern hat den Rückzug aus Russland angekündigt.
- Hugo Boss: Das deutsche Modeunternehmen hat einen Käufer für sein Russlandgeschäft gefunden.
Laut einem Bericht von Business Insider sind allerdings noch viele internationale Firmen in Russland tätig. Bislang haben lediglich etwa 300 Unternehmen den Markt vollständig verlassen, während zahlreiche andere ihre Aktivitäten fortsetzen oder lediglich reduziert haben.
Russland steht vor der Herausforderung, die wirtschaftlichen Lücken zu schließen, die der Rückzug westlicher Unternehmen hinterlassen hat. Zwar intensiviert das Land seine Partnerschaften mit China und anderen Staaten, doch qualitativ und wirtschaftlich bleibt der Verlust westlicher Akteure spürbar.
... und wie steht es um österreichische Unternehmen?
Österreichische Unternehmen zeigen eine bemerkenswerte Zurückhaltung beim vollständigen Rückzug aus Russland. Laut einer Studie der Kyiv School of Economics (KSE) aus dem Januar 2023 sind etwa zwei Drittel der zuvor in Russland tätigen österreichischen Unternehmen weiterhin dort aktiv. Von insgesamt 64 identifizierten Firmen haben seit Beginn der russischen Invasion in die Ukraine am 24. Februar 2022 lediglich drei den russischen Markt vollständig verlassen, während neun einen geplanten Ausstieg angekündigt haben. Die Mehrheit, nämlich 42 Unternehmen, setzt ihre Geschäftstätigkeit in Russland fort.
Beispiele für weiterhin aktive Unternehmen
- Raiffeisen Bank International (RBI): Die RBI zählt zu den wenigen großen internationalen Banken, die ihre Geschäfte in Russland nach der Invasion nicht eingestellt haben. Die russische Tochtergesellschaft hat den Status einer systemrelevanten Bank und trug erheblich zum Nettoergebnis der Gruppe bei. Allerdings steht die RBI unter wachsendem Druck europäischer und amerikanischer Aufsichtsbehörden, sich aus Russland zurückzuziehen.
- OMV: Der österreichische Energiekonzern OMV hat seine Gasimporte aus Russland fortgesetzt. Allerdings wurden die Lieferungen kürzlich aufgrund eines Rechtsstreits mit Gazprom eingestellt. Trotz dieser Unterbrechung betont die OMV, dass die Versorgungssicherheit in Österreich gewährleistet sei.
- Red Bull: Der österreichische Getränkehersteller ist weiterhin auf dem russischen Markt präsent. Es gibt keine offiziellen Ankündigungen über einen Rückzug oder eine Reduzierung der Aktivitäten in Russland.
- Agrana: Der Nahrungsmittelkonzern ist im Bereich Zucker, Stärke und Fruchtzubereitungen tätig und setzt seine Geschäfte in Russland fort.
- Knauf: Der Baustoffhersteller mit österreichischen Wurzeln betreibt weiterhin Produktionsstätten in Russland.
- Doppelmayr: Der Seilbahnhersteller ist nach wie vor auf dem russischen Markt präsent und beteiligt sich an Projekten im Infrastrukturbereich.
- Schoeller-Bleckmann Oilfield Equipment (SBO): Der Anbieter von Hochpräzisionsteilen für die Öl- und Gasindustrie setzt seine Aktivitäten in Russland fort.
- Lenzing AG: Der Faserhersteller beliefert den russischen Markt weiterhin mit seinen Produkten.
Die Entscheidung österreichischer Unternehmen, in Russland aktiv zu bleiben, wird kontrovers diskutiert. Für einige Unternehmen steht die wirtschaftliche Notwendigkeit im Vordergrund, insbesondere wenn ein erheblicher Teil der Gewinne aus dem russischen Markt stammt oder strategische Interessen auf dem Spiel stehen. Für andere wird diese Haltung jedoch als mangelnde Solidarität mit der Ukraine wahrgenommen. Kritiker fordern, dass österreichische Unternehmen angesichts der russischen Aggression einen klaren moralischen Standpunkt einnehmen und ihre Geschäfte in Russland einstellen sollten.
Die anhaltende Präsenz österreichischer Unternehmen in Russland spiegelt ein Dilemma wider: Sie müssen eine Balance zwischen wirtschaftlichen Interessen und ethischen Verpflichtungen finden. Während die Gewinne aus Russland kurzfristig attraktiv bleiben mögen, könnten langfristige Reputationsschäden sowie politischer Druck die Fortsetzung dieser Aktivitäten zunehmend erschweren.
Wäre es für Volkswagen wirklich besser gewesen, in Russland zu bleiben?
Das Volkswagen-Werk im russischen Kaluga galt lange Zeit als Symbol für die globale Expansionsstrategie des deutschen Automobilherstellers. Seit seiner Eröffnung im Jahr 2007 produzierte es wichtige Modelle wie den VW Polo und den Škoda Rapid und diente als Brücke zum vielversprechenden russischen Markt. Mit einer Produktionskapazität von bis zu 150.000 Fahrzeugen jährlich war das Werk ein zentraler Bestandteil von Volkswagens Ambitionen, in Russland Fuß zu fassen und Marktanteile zu gewinnen.
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Von Beginn an war der russische Automarkt jedoch von hoher Volatilität geprägt. Die Abhängigkeit der russischen Wirtschaft von den globalen Ölpreisen und wiederkehrende politische Unsicherheiten erschwerten langfristige Investitionsentscheidungen. Diese Herausforderungen wurden nach der Annexion der Krim im Jahr 2014 noch größer, als internationale Sanktionen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter verschärften.
Obwohl Volkswagen anfangs hohe Erwartungen in den russischen Markt setzte, blieb dessen Bedeutung für das Unternehmen global begrenzt. Im Jahr 2021, kurz vor Beginn des Ukraine-Kriegs, trug Russland weniger als 2 Prozent zum weltweiten Absatz von VW bei. Das reduzierte die wirtschaftliche Notwendigkeit, die Präsenz in einem zunehmend schwierigen Umfeld aufrechtzuerhalten.

Im Zuge der russischen Invasion in die Ukraine im Frühjahr 2022 stellte Volkswagen die Produktion in Kaluga ein. Im Mai 2023 verkaufte der Konzern das Werk sowie weitere Vermögenswerte an die russische Firma Art-Finance, unterstützt von der Autohausgruppe Avilon, für rund 125 Millionen Euro – ein Bruchteil der ursprünglichen Investitionen.
Im Jahr 2023 erzielte die Volkswagen AG einen Rekordumsatz von rund 332,3 Milliarden Euro. Der russische Markt hatte daran jedoch nur einen geringen Anteil. Bereits vor dem Produktionsstopp in Kaluga im März 2022 und dem anschließenden Verkauf des Werks im Mai 2023 war Russland für Volkswagen ein vergleichsweise kleiner Markt. Im Jahr 2023 verzeichnete Volkswagen in Russland einen Absatzrückgang von etwa 92 Prozent.
Nach dem Verkauf wurde das Werk in AGR Automotive umbenannt. Berichten zufolge plant der chinesische Automobilhersteller Chery, die Produktion in Kaluga wieder aufzunehmen, wobei die ersten Fahrzeuge bereits im ersten Halbjahr 2024 vom Band laufen sollten.