Pharma : Novartis-Tochter investiert in Tiroler Werk
Die Novartis-Tochter Sandoz hat eine Investition von 50 Mio. Euro am Tiroler Standort Kundl angekündigt. Das Geld wird in ein neues Antibiotika-Werk fließen, um die Penicillin-Produktionskapazitäten zu erhöhen. Im dreistöckigen Gebäude mit rund 1.800 Quadratmetern Fläche sollen bereits etablierte Prozesse mittels innovativer Technologie "kompetitiver und umweltschonender werden", hieß es am Montag bei einer Pressekonferenz anlässlich des Spatenstichs in Kundl.
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2024 soll das Werk in Betrieb gehen. Damit führe man das fort, was bei Sandoz bereits Standard sei, sagte Sandoz-CEO Richard Saynor. "Bei der Penicillin-Produktion stehen wir schließlich schon seit langer Zeit an vorderster Front", strich er heraus. Was mit dem Spatenstich des neuen Werkes und mit der dazu getätigten Investition passiere, sei nichts weniger als "ein weiterer wichtiger Meilenstein", so Saynor.
"Pioniergeist"
Man schreibe damit "die Erfolgsgeschichte fort", betonte der Geschäftsführer des Standortes, Mario Riesner. Man schaffe einen "wichtigen Grundpfeiler" und zeige "weiterhin Pioniergeist" in Sachen künftiger Produktion am Kundler Standort. Investiert werde jetzt vor allem auch in die "Modernisierung und Automatisierung der Prozesse", gab er weitere Einblicke in die Funktion des neuen Werks.
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Der Standort, in dem sich das neue Werk einfüge, sei jedenfalls "prosperierend", erklärte Michael Kocher, Country President von Novartis Österreich. Solche Investitionen seien vor allem deshalb essenziell, um "Innovationen in Österreich zu halten". Wichtig sei dafür aber nicht zuletzt auch "ein Schulterschluss von Industrie, Wissenschaft und Politik", so Kocher. Der damit unter anderem adressierte Landeshauptmann von Tirol, Anton Mattle (ÖVP), gab ein Bekenntnis zu Sandoz ab. "Wir brauchen solche globalen Führungsunternehmen in Tirol", so der bei dem Pressegespräch ebenfalls anwesende Mattle. "Ich wünsche mir dazu, dass die Zusammenarbeit zwischen dem Land Tirol und dem Konzern weiterhin so gut funktioniert wie bisher", erklärte der Landeshauptmann.
Abspaltung der Sandoz-Tochter
Zuletzt war immer wieder von einer Abspaltung der Novartis-Tochter Sandoz und einem Börsengang die Rede gewesen. Diese Vorhaben bekräftigte Saynor heute. "Sandoz soll unabhängig von Novartis werden", sagte dieser. Sandoz solle dann ein "hundertprozentiges Spin-off" des Novartis-Konzernes sein, an dem Novartis "keine Geschäftsinteressen mehr habe", sondern fortan als "Mitbewerber am Markt" agiere.
Das Geschäft mit den Nachahmermedikamenten soll abgespalten und an die Schweizer Börse SIX gebracht werden. In den USA sollen zudem American Depositary Receipts (ADS) gelistet werden. Seinen Firmensitz soll Sandoz in der Schweiz haben und Richard Saynor soll Chef des Unternehmens bleiben.
Zum Wert von Sandoz hielt sich der Novartis-Chef bedeckt. Analysten zufolge könnte Sandoz 20 Mrd. Dollar (20,13 Mrd. Euro) oder mehr auf die Waage bringen. Einzelne Branchenkenner halten für Sandoz sogar ein Preisschild von 40 Mrd. Dollar für möglich. Der israelische Rivale Teva ist an der Börse aktuell knapp 37 Mrd. Dollar wert, US-Konkurrent Viatris gut 12 Mrd. Dollar.
Mit einem Börsenwert von 20 Mrd. Dollar oder mehr wäre Sandoz der größte Neuzugang an der Schweizer Börse seit Alcon: Das ebenfalls aus dem Novartis-Konzern abgespaltene schweizerisch-amerikanische Augenheilunternehmen brachte es bei seinem Debüt im Jahr 2019 auf 28 Mrd. Dollar Börsenwert.
Novartis treibt mit dem Schritt seine Ausrichtung auf das lukrative Geschäft mit patentgeschützten Medikamenten voran. Die Abspaltung von Sandoz sei im besten Interesse der Aktionäre, erklärte Verwaltungsratspräsident Jörg Reinhardt. "Eine Ausgliederung würde es unseren Aktionärinnen und Aktionären ermöglichen, von den potenziellen künftigen Erfolgen einer stärker fokussierten Novartis und einer eigenständigen Sandoz zu profitieren." Das letzte Wort scheint indes noch nicht gesprochen. Novartis würde ein sehr gutes Kaufangebot für Sandoz noch in Erwägung ziehen, sagte Konzernchef Vasant Narasimhan. "Ich kann nicht ausschließen, dass wir, wenn jemand mit einem sehr, sehr attraktiven Angebot käme, es in Betracht ziehen müssten." Das wahrscheinlichste Szenario sei allerdings der Börsengang.
Nachdem der Konzern Sandoz im vergangenen Oktober auf den Prüfstand gestellt hatte, hatten viele Analysten und Branchenexperten auf einen Verkauf des Geschäfts an einen Konkurrenten oder Finanzinvestoren gesetzt. Wegen der inzwischen verschlechterten Marktbedingungen und der Probleme der Generika-Branche, die mit Preisdruck kämpft, rückte eine Abspaltung mit anschließender Börsennotiz zuletzt wieder in den Vordergrund. Die Finanzierung von Deals ist in den vergangenen Monaten merklich teurer geworden, weil Notenbanken weltweit zur Eindämmung der ausufernden Inflation die Zinsen stark erhöhen. Novartis-Chef Narasimhan zufolge gab es Interessenten für Sandoz, darunter auch Private-Equity-Firmen. Ein verbindliches Kaufangebot sei aber nicht eingegangen.
Der Ausgliederung von Sandoz müssen unter anderem noch die Novartis-Aktionäre zustimmen. Novartis macht die Transaktion zudem vom Marktumfeld und anderen Bedingungen abhängig. Details einschließlich des geplanten Aufteilungsverhältnisses will der Konzern zu einem späteren Zeitpunkt bekanntgeben. Der Abschluss wird im zweiten Halbjahr 2023 erwartet.
Sandoz trug vergangenes Jahr mit knapp 10 Mrd. Dollar Verkaufserlösen etwa ein Fünftel zum Novartis-Jahresumsatz bei, hinkt in puncto Rentabilität dem dominierenden Geschäft mit patentgeschützten Arzneien aber hinter. Novartis stellt derzeit seine Hauptsparte - genannt Innovative Medicines - neu auf und richtet sie stärker auf den bedeutenden US-Markt aus. Der Umbau wird 8.000 Stellen oder rund sieben Prozent der Belegschaft den Job kosten.
An der Börse schlug die Neuigkeit keine großen Wellen. Mit einem Kursplus von 0,6 Prozent entwickelte sich Novartis im Rahmen der europäischen Gesundheitswerte.