Öl und Gas aus Russland : Nach Gerichtsurteil: Stellt Russland seine Gaslieferungen nach Österreich ein?

Ein Gasspeicher des Energiekonzerns OMV

Beendet die Gazprom nach dem Gerichtsurteil die Gas-Lieferungen nach Österreich?

- © YouTube/ OMV

Die OMV hat am Mittwoch davor gewarnt, dass der russische Gazprom-Konzern seine Gaslieferungen an die OMV einstellen könnte, da OMV-Zahlungen für Gazprom möglicherweise aufgrund eines ausländischen Gerichtsurteils gepfändet werden könnten. Die OMV teilte mit, dass das Gerichtsurteil sie dazu zwingen könnte, Zahlungen aus dem Gasliefervertrag mit Gazprom an das europäische Energieunternehmen zu leisten, anstatt direkt an Gazprom. Sollte es tatsächlich zu einer Zwangsvollstreckung kommen, rechnet die OMV damit, dass Gazprom die Gaslieferungen einstellen wird. Diese Einschätzung gründet auf Gazproms Verhalten in ähnlichen Situationen und könnte den österreichischen Gasmarkt erheblich beeinträchtigen. Trotzdem könnte die OMV ihre Vertragskunden auch im Falle einer solchen Zwangsvollstreckung weiterhin mit Gas aus anderen Quellen versorgen, wie sie in einer Pflichtmitteilung erklärte.

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Laut einer Stellungnahme habe die OMV Gas Marketing & Trading GmbH (OGMT) von einem Gerichtsurteil erfahren, das ein großes europäisches Energieunternehmen gegen Gazprom erwirkt habe. Der Name des Unternehmens oder des Gerichts wurde von der OMV nicht genannt, und auch der österreichische Energieregulator E-Control sowie das Energieministerium in Wien kennen den Namen des Unternehmens nicht, wie sie auf Anfrage der APA mitteilten. Das Urteil betrifft Forderungen des nicht genannten Energieunternehmens gegen Gazprom, die nun zwangsvollstreckt werden könnten.

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- © Industriemagazin

Gazprom könnte Gas-Lieferungen einstellen

Im Falle einer Zwangsvollstreckung hält die OMV es für wahrscheinlich, "dass Gazprom Export die Gaslieferungen im Rahmen des Gasliefervertrages mit der OMV Gas Marketing & Trading GmbH einstellen und damit den österreichischen Gasmarkt beeinträchtigen wird", so die OMV in einer sogenannten "Urgent Market Message". Diese Einschätzung basiert auf dem Verhalten von Gazprom Export in ähnlichen Situationen.

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Die E-Control versicherte jedoch, dass die Gasversorgung des österreichischen Marktes im kommenden Winter auf jeden Fall gesichert sei. Das Szenario eines Ausfalls russischer Gaslieferungen sei bereits in den Berechnungen zur Versorgungslage der E-Control berücksichtigt. Die Speicher in Österreich seien zu rund 77 Prozent gefüllt und es gäbe alternative Importmöglichkeiten über Deutschland und Italien. Dies gelte auch für den Winter 2025/26, da bis dahin weitere Infrastrukturausbauten abgeschlossen sein sollen, so die E-Control weiter. Außerdem geht die E-Control davon aus, dass die Gasversorger die notwendigen Maßnahmen für mögliche Lieferausfälle ergriffen haben.

„Die Expertinnen und Experten im Klimaschutzministerium prüfen die aktuellen Entwicklungen gerade im Detail“, sagte die zuständige Ministerin Leonore Gewessler (Grüne) dazu in einer Stellungnahme. „Aktuell sind die Lieferungen nach Österreich ohne Einschränkungen aufrecht.“ Sie forderte die österreichischen Versorger dazu auf, den Aufbau von Lieferbeziehungen für nicht-russisches Erdgas so schnell wie möglich zu beschleunigen.

Drohen wieder höhere Gas-Preise?

Eine mögliche Einschränkung der Gaslieferungen an die OMV würde nicht zwangsläufig bedeuten, dass weniger oder kein Gas mehr über die Ukraine in die EU oder nach Österreich geliefert werden kann. Sollte jedoch tatsächlich weniger Gas über die Ukraine kommen, könnte dies kurzfristig zu höheren Gaspreisen führen. Die Erhöhung der deutschen Speicherumlage wäre in einem solchen Szenario besonders kontraproduktiv, da dadurch notwendige Gasimporte für Österreich über Deutschland deutlich teurer würden, derzeit um 1,86 Euro/MWh, ab 1. Juli sogar um 2,5 Euro/MWh. Die E-Control kritisiert die Speicherumlage daher scharf.

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Die OMV hat mit Gazprom einen Gasliefervertrag bis 2040. Sie bezieht auch Gas aus eigener Produktion in Österreich und Norwegen sowie von anderen Produzenten. Zudem hat die OMV langfristige LNG-Lieferverträge abgeschlossen, die über das Terminal in Rotterdam nach Europa importiert werden. Darüber hinaus nimmt die OMV als potenzieller Käufer an den Versteigerungen der gemeinsamen Gas-Einkaufsplattform der EU teil und verfügt über die notwendigen Transportkapazitäten.

Zweites Verfahren an russischem Gericht

Unterdessen gab das Handelsgericht in St. Petersburg am Mittwochvormittag der bereits zweiten Klage von Gazprom gegen eine OMV-Tochter statt. Dies geht aus einem Eintrag auf der offiziellen Gerichtsseite im Internet hervor. Laut der russischen Nachrichtenagentur TASS untersagte das russische Gericht der OMV Gas Marketing & Trading GmbH konkret, ein Verfahren vor dem Stockholmer Schiedsgericht fortzusetzen. Ignoriert die österreichische Firma dieses Verbot, müsste sie an Gazprom Export eine Strafe in Höhe von 575 Millionen Euro zahlen. Bereits im April hatte das Gericht in St. Petersburg auf Antrag von Gazprom beschlossen, der OMV Exploration & Production GmbH zu untersagen, ein Verfahren vor dem Internationalen Schiedsgerichtshof in Paris weiterzuführen. OMV-Chef Alfred Stern äußerte Ende April scharfe Kritik an den Gazprom-Klagen vor russischen Gerichten: „Wir sehen diese Verfahren als illegitim an und erkennen auch den Gerichtsstand St. Petersburg nicht an, da wir vertraglich geregelt haben, wie und wo mögliche Dispute geregelt werden müssen“, sagte er der APA.

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Die OMV hat mit Gazprom einen Gasliefervertrag, der bis 2040 läuft. Zusätzlich bezieht sie Gas aus ihrer eigenen Produktion in Österreich und Norwegen sowie von anderen Lieferanten. Laut eigenen Angaben hat die OMV auch langfristige LNG-Lieferverträge abgeschlossen, die über das Terminal in Rotterdam nach Europa importiert werden. Zudem beteiligt sich die OMV als potenzieller Käufer an den Auktionen der gemeinsamen Gas-Einkaufsplattform der EU und verfügt über die erforderlichen Transportkapazitäten.

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Sechs Gerichtsverfahren und zehn Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom Export

Derzeit gibt es in offenen Quellen sechs Gerichtsverfahren und zehn Schiedsgerichtsverfahren gegen Gazprom Export. Es ist jedoch nicht bekannt, dass eines dieser Verfahren abgeschlossen wurde. Der österreichische Konzern OMV, dessen Tochtergesellschaft OMV Gas Marketing & Trading GmbH selbst ein Schiedsverfahren in Stockholm eingeleitet hat und laut russischen Angaben mindestens 575 Millionen Euro von Gazprom Export fordern möchte, wollte am Donnerstag keine weiteren Angaben zu dem potenziell bedrohlichen Urteil machen. Eine Unternehmenssprecherin erklärte gegenüber der APA, dass OMV als führendes Gasvermarktungs- und -handelsunternehmen verpflichtet sei, den Energiemarkt über alle Maßnahmen mittels einer Urgent Market Message zu informieren, die ihre Fähigkeit beeinträchtigen könnten, Gas von ihren Lieferanten zu erhalten.

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"Die OMV hat die in der Urgent Market Message enthaltenen Fakten geprüft und verifiziert", erläuterte sie, ohne unter anderem die Frage zu beantworten, ob sich das in der "Urgent Market Message" vom 21. Mai erwähnte "ausländische Gerichtsurteil" auf die Entscheidung eines regulären Gerichts oder eines Schiedsgerichts bezieht.

Im Handelsregister des Gerichts von St. Petersburg finden sich Hinweise auf mindestens sechs Streitigkeiten mit Gazprom Export vor europäischen Gerichten, wobei die Gegenseite des russischen Gaskonzerns meist nicht genannt wurde und Einzelheiten zu den Klagen selbst fehlen. Bereits im Herbst 2022 unternahm das Kreisgericht von Warschau einen erfolglosen Versuch, Dokumente über das russische Gericht an Gazprom Export zu übermitteln. Mehr Erfolg hatte hingegen das Handelsgericht der kroatischen Stadt Osijek im September 2023, dessen Dokumente zugestellt werden konnten. In diesem Fall scheint ein Zusammenhang mit dem Streit zwischen Gazprom Export und der kroatischen Prvo plinarsko društvo (PPD) zu bestehen, die laut Medienberichten in Osijek in Konflikt standen.

Entschädigungen in Milliardenhöhe

Im Oktober 2023 versuchte ein Gericht in Rom ebenfalls, über das Petersburger Handelsgericht Dokumente zuzustellen, und im März 2024 unternahm ein nicht näher benanntes Gericht in Luxemburg denselben Versuch. Seit April 2024 steht das Landgericht Essen in Korrespondenz mit St. Petersburg. Der Hintergrund ist eine Klage der Lubmin-Brandov Gastransport GmbH, die von Gazprom Export ausstehende Entgelte in Höhe von 2,1 Millionen Euro einfordert, wie ein Sprecher des deutschen Gerichts der APA mitteilte. Im März 2024 wurde durch eine Gegenklage von Gazprom Export in St. Petersburg bekannt, dass die niederländische Gasunie Transport Service den russischen Konzern vor dem Gericht der Region Noord-Nederland auf Schadenersatz von mindestens 275 Millionen Euro verklagt hat.

Häufiger als nationale Gerichte wenden sich europäische Geschäftspartner von Gazprom Export an diskrete Schiedsgerichte. Deren privatrechtliche Entscheidungen können von nationalen Gerichten anerkannt und vollstreckt werden. In den meisten bekannten Fällen hat Gazprom Export beim Handelsgericht in St. Petersburg Anträge gestellt, um die Fortsetzung dieser Schiedsverfahren zu verhindern. Diese Verfahren drehen sich vor allem um ausgebliebene Gaslieferungen und Sanktionsfragen.

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Konkret gab es ein Schiedsgerichtsverfahren der tschechischen Firma Net4Gaz, die 113 Millionen Euro einklagen wollte, vom niederländischen Konzern BBL Company V.O.F. mit mindestens 91 Millionen Euro, von ZSE Energia aus der Slowakei mit mindestens 9 Millionen Euro, von ČEZ aus Tschechien mit mindestens 40 Millionen Euro sowie von OMV Gas Marketing & Trading mit mindestens 575 Millionen Euro. Weitere Schiedsverfahren hat Gazprom Export zudem mit DXT Commodities aus der Schweiz, Innogy Energie aus Tschechien und Engie S.A. aus Frankreich, wobei in diesen Fällen im russischen Gerichtsregister noch keine Beträge veröffentlicht wurden.

Dokumentiert ist auch eine Rekordsumme von mindestens 14,3 Milliarden Euro, die sich die deutschen Konzerne Uniper Global Commodities SE und METHA - Methanhandel GmbH laut russischem Gerichtsregister vor dem Schiedsgericht in Stockholm zusprechen lassen wollen. Ein Uniper-Sprecher erklärte am Donnerstag auf Anfrage der APA, dass es in Stockholm noch keine Entscheidung gebe und diese im Sommer 2024 erwartet werde.

Ein weiteres Schiedsgerichtsverfahren in Stockholm hat bisher jedoch zu keiner russischen Gegenklage von Gazprom Export geführt. Medienberichten zufolge hat Ende 2022 auch der deutsche Energiekonzern RWE ein solches Verfahren eingeleitet. Das "Handelsblatt" zitierte damals einen Experten, der die Streitsumme auf weniger als eine Milliarde Euro schätzte. Eine RWE-Sprecherin erklärte am Freitag gegenüber der APA, dass dieses Verfahren derzeit noch laufe.