Lohnerhöhung 2024 : Löhne in Österreich steigen schneller als im Euroraum

Streik Metaller Collini KV Verhandlungen

Löhne in Österreich steigen stärker als in Europa: Streikposten beim Metallwarenhersteller Collini im Rahmen der KV-Verhandlungen 2023.

- © Pro Ge

Die KV-Erhöhungen in Österreich waren zuletzt fast doppelt so stark wie jene im europäischen Schnitt: Der industrienahe Thinktank Agenda Austria macht sich Sorgen, dass heimische Unternehmen an Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Seit 2023 würden die Tariflöhne in Österreich fast doppelt so schnell steigen wie im Euroraum, verweist das wirtschaftsliberale Institut auf Zahlen der Oesterreichischen Nationalbank und der Europäischen Zentralbank. Demnach betragen die kollektivvertraglichen Lohnsteigerungen in Österreich heuer rund 8,5 Prozent, im Euroraum durchschnittlich aber nur 4,6 Prozent.

Die hohe Teuerung in Österreich habe hier auch hohe Lohnabschlüsse nach sich gezogen, weil sich die Lohnsteigerungen hierzulande an der durchschnittlichen Inflationsrate der letzten zwölf Monate orientieren. Das werde in keinem anderen europäischen Land so konsequent gehandhabt.

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Schwerwiegende Auswirkungen auf die Lohnstückkosten

Das habe schwerwiegende Auswirkungen, da Österreich durch stark steigende Lohnstückkosten bei stagnierender Produktivität an Wettbewerbsfähigkeit verliere. Im internationalen Ranking der Lausanner Wirtschaftshochschule IMD ist Österreich zuletzt um zwei Plätze auf den 26. Rang zurückgefallen, unter 67 bewerteten Ländern. "Österreich muss sich schön langsam überlegen, ob die Art der Lohnfindung nicht an jene der Konkurrenzländer angepasst werden muss", meint Agenda-Austria-Chef Franz Schellhorn. "Der heimische Wirtschaftsstandort hat sich immer über Qualität definiert, höhere Löhne als die unmittelbare Konkurrenz werden wir uns auf Dauer aber nicht leisten können."

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Produktivität pro Arbeitskraft geht zurück

In Österreich war die Inflation in den letzten Jahren wesentlich stärker als in anderen Ländern: Bei den wichtigsten Konsumkategorien Wohnen, Nahrungsmittel, Verkehr und Freizeit ist das Preisniveau heute um rund ein Viertel höher als vor drei Jahren. Die Inflation sinkt jetzt zwar, aber die hohen Lohnsteigerungen bleiben und gefährden Österreichs Wettbewerbsfähigkeit, warnt der Agenda-Austria-Ökonom Jan Kluge. "Es kann passieren, dass wir uns aus den Märkten preisen."

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Seit April 2021 seien die Preise für Wohnung, Wasser und Energie insgesamt um 29 Prozent gestiegen, verweist Kluge auf Zahlen der Statistik Austria. Nahrungsmittel seien im April 2024 um 27 Prozent teurer als vor drei Jahren, die Ausgaben für Verkehr seien um 24 Prozent gestiegen, jene für Freizeit und Kultur um 15 Prozent. Laut der letzten Konsumerhebung der Statistik Austria entfallen fast zwei Drittel des Konsums der österreichischen Haushalte auf diese vier Bereiche.

"Die Tatsache, dass die Teuerung in Österreich viel stärker war als in anderen Ländern, hat dazu geführt, dass wir auch höhere Lohnsteigerungen hatten", sagte Kluge. "Und die haben wir jetzt längerfristig. Da kann es also passieren, dass wir uns aus den Märkten preisen - dass wir zwar keine Reallohn-Verluste haben und mit den höheren Preisen zurecht kommen, dass wir aber langfristig Probleme haben, was die Wettbewerbsfähigkeit angeht."

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Zwar seien die Einkommen der österreichischen Haushalte stark gestiegen - der Anteil der Wohnkosten am verfügbaren Einkommen sei daher zum Beispiel ziemlich konstant geblieben, sagt Kluge. "Doch die Lohnstückkosten sind in den für uns relevanten europäischen Ländern deutlich weniger stark gestiegen als hierzulande. Die Inflationskrise war im historischen Vergleich eher kurz, doch die Durststrecke, die uns blüht, wenn wir uns aus den Märkten preisen, könnte länger sein."

Steigende Inflation durch staatliche Hilfsprogramme

Rückblickend wäre es gut gewesen, die Preise gar nicht so stark steigen zu lassen - so sei die Inflation durch "Gießkannen-Hilfsprogramme" von staatlicher Seite noch befeuert worden. "Gut, das ist nun vergangen, das kann man jetzt nicht mehr ändern. Jetzt müssen wir schauen, dass wir die Lohnstückkosten, an denen wir jetzt auch nichts mehr ändern können, durch Produktivitätssteigerungen kompensieren.

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"Dabei gehe es einerseits um die Produktivität pro Arbeitskraft. "Das ist in Österreich vor allem durch eine Erhöhung der Vollzeitarbeit möglich. Bei der Produktivität pro Kopf stehen wir im europäischen Schnitt wirklich schlecht da, weil wir immer mehr Teilzeit arbeiten." Es wäre nicht schlecht, "wenn wir von unserer Teilzeit-Manie ein bisschen runterkämen". Allerdings seien die steuerlichen Anreize, mehr zu arbeiten, in Österreich "nicht wahnsinnig hoch. Es gibt kaum ein Land in der OECD, in dem es sich noch weniger lohnt Stunden aufzustocken.

"Aber auch bei der Produktivität pro Stunde müsste Österreich besser werden. "Das ist eine etwas schwierigere Geschichte. Da geht es um Forschung und Entwicklung, dass wir in den Branchen, in denen wir im Moment einfach nicht genug auftauchen, etwa bei der Künstlichen Intelligenz, wo die wirklich hoch produktiven Jobs sind, dass wir in diesen Branchen besser werden. "Dabei gehe es nicht darum, schneller und härter zu arbeiten. "So meint das ein Ökonom nicht, wenn er sagt, die Produktivität muss sich erhöhen. Es geht um die Frage: Welche Arbeitsmittel habe ich als Arbeitnehmer zur Verfügung. Produktivitätssteigerungen kommen selten daher, dass die Leute plötzlich fleißiger werden, sondern sie kommen durch technologischen Fortschritt."