KTM nach der Insolvenz : KTM-Produktion: Indien wächst zur mächtigen Alternative

2007 haben KTM und der indische Konzern Bajaj eine strategische Partnerschaft vereinbart: Im Jahr 2023 ist in Pune die einmillionste KTM vom Band gerollt
- © KTMEin zentrales Zitat aus einem aktuellen Interview im indischen Fernsehen wirkt wie ein Donnerschlag: Rajiv Bajaj, Chef von Bajaj Auto, äußerte gegenüber CNBC TV18: „Die europäische Produktion ist tot.“ Er verweist auf den britischen Hersteller Triumph, der seine gesamte Fertigung bereits vor 15 Jahren nach Thailand verlegte und heute sogar in Indien produziert.
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Er fragt: „Wenn Triumph das machen konnte, warum prinzipiell nicht auch KTM?“ Schließlich sei die indische Produktion im Vergleich zu Europa „sehr wettbewerbsfähig“, und jene KTM-Modelle, die bereits in Indien gefertigt und exportiert werden, erzielen über 30 Prozent Ergebnis – eine beeindruckende Rendite.
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Die aktuelle Situation bei KTM: Rettung, Krise, Neustart
KTM, der große österreichische Motorradhersteller mit Sitz in Mattighofen, war in den vergangenen Jahren in eine schwere finanzielle Krise gestürzt. Im November 2024 startete Pierer Mobility, die Mutter der Marke KTM, ein Sanierungsverfahren im Rahmen europäischer Restrukturierungsregeln, einschließlich Personalabbau, Werksschließungen und einem Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.
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Im Frühjahr und Frühsommer 2025 wurde ein Rettungspaket geschnürt: Bajaj Auto steuerte über seine Tochter 800 Millionen Euro bei – genug, um die Restrukturierung zu finanzieren und Produktionsstopps zu beenden. Im Gegenzug strebt Bajaj mehr Kontrolle an: Das indische Familienunternehmen plant, die vollständige Übernahme der Pierer Bajaj zu realisieren – jenes Joint Venture mit Stefan Pierer, das derzeit rund 75 Prozent der Pierer Mobility AG hält. Mit diesem Schritt würde Bajaj seinen Einfluss auf den KTM-Mutterkonzern deutlich ausbauen.
Laut Berichten nahm die Produktion in Europa eine Planmäßigkeit auf, insbesondere in den Werken Mattighofen und Munderfing. Ende Juli 2025 wurde die Wiederaufnahme der Fertigung offiziell bestätigt. Inzwischen zeichnen sich konkrete Erfolge ab: Die Restrukturierung führte binnen eines halben Jahres zu einem bemerkenswerten Ergebnissprung, von satten Verlusten zu einem operativen Gewinn, teils durch Verwertung des Sanierungsaufschlags.
Die Beteiligung am italienischen Motorradhersteller MV Agusta wurde wieder abgestoßen, ebenso zog man sich aus dem Fahrradsegment und dem Vertrieb der Marke CFMoto zurück.
Rajiv Bajaj: Ruhe als Prinzip – und doch mit provokanter Botschaft
Rajiv Bajaj, bekannt als eher ruhiger, ausgeglichener Manager und Yoga‑Fan, hielt sich lange mit öffentlichen Äußerungen zu KTM weitgehend zurück – möglicherweise aus Prinzip der Harmonie. Dennoch brachte seine jüngste Aussage in Indien Unruhe: Dass die Produktion in Europa strukturell untragbar geworden sei, ließ die Stimmung in Oberösterreich deutlich kippen – obwohl Bajaj betont, KTM sei als Premiummarke „unverzichtbar“ für sein Konzernportfolio.
„Wir müssen die Marke wiederherstellen und die Kosten zurückfahren“, erklärte Bajaj und zeigte sich zugleich zuversichtlich: Wenn dies gelinge, habe KTM eine „strahlende Zukunft“.
KTM-CEO Neumeister dementiert – und experimentiert bereits mit Indien
Unverzüglich reagierte KTM-CEO Gottfried Neumeister: „Derzeit gibt es keine Pläne, die Produktion zu verlagern.“ Er unterstreicht, dass die österreichischen Werke bereits im eingeschränkten Betrieb das Maximum leisteten, und dass die Kernmarke KTM fokussiert weitergeführt werden.
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Doch nur Mittel‑ oder Langfriststrategie? Branchenbeobachter verweisen darauf, dass KTM-Modelle – insbesondere kleinere LC4c‑Baureihen wie Duke 125, 200, 390 – bereits in Indien gefertigt und exportiert werden. Diese Fertigung ist profitabel – etwa über 30 % EBITDA – und zeigt, dass Asien bereits als Produktionsstandort funktioniert.
Ein Blick auf die Faktenbasis (ohne Gerüchte)
- KTM zählt zu Europas größten Motorradherstellern – 2023 wurden über 380.000 Motorräder produziert, davon allein rund 210.000 in Mattighofen.
- Die jüngsten Finanzdaten (Stand H1 2025) dokumentieren einen starken Turnaround: aus Millionenverlusten wurden operative Gewinne – trotz massiver Schuldenreduktion.
- Nachdem ab Dezember 2024 viele Produktionslinien gestoppt waren, erfolgte ein konzertierter Neustart – insbesondere ab Juli 2025.
- In der Fahrrad‑ und Sportabteilung (KTM Fahrrad GmbH) reichte der Rettungsschirm ebenfalls in das gesamte Konzerngefüge, doch Neumeister betonte klar, dass die Markenstärke und Produktqualität im Fokus bleiben – besonders auch im Premiumsegment.
Droht ein vollständiger Umzug – oder ist es ein kalkulierter Ausbau?
Eine komplette Produktionsverlagerung nach Asien ist gegenwärtig nicht geplant, wie Neumeister klarstellte. Gleichzeitig zeigt sich, dass KTM zunehmend Teile seiner Fertigung – speziell profitstarke, kleinere Modelle – nach Indien verlagert, was auf eine fortschreitende Verschiebung hin zu Asien hindeutet. Die hohen Kosten in Europa, starke Margen in Indien und erfolgreiche Produktion dort sind gewichtige Argumente für einen potenziellen weiteren Ausbau der Fertigung.
Die Indizien im Überblick:
- Pro Asien: kostengünstige Produktion, hohe Profitabilität, existierende Produktionsbasis in Indien (LC4c‑Baureihen), Beispiel Triumph als Vorbild.
- Contra: KTM unterstreicht die Bedeutung und Funktionsfähigkeit der europäischen Werke; das Premiumimage „Made in Austria“ ist ein wertvolles Asset; langfristige strategische Entscheidung steht noch aus.
Während der akute Verlagerungsdruck nicht aktuell ist, ist die Richtung deutlich erkennbar. Indien wird als profitabler Produktionsstandort genutzt und wird in Zukunft wahrscheinlich stärker in die Fertigung einbezogen – ohne die europäische Basis derzeit aufzugeben.