300 Jobs fallen weg : Pierer Mobility lagert Teile der Produktion von Mattighofen nach Asien aus
Stefan Pierers Zweiradkonzern baut bis zu 300 Stellen in Oberösterreich ab. "Die nachteiligen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in Europa", so heisst es in einer Aussendung am Dienstagabend, "haben den Vorstand veranlasst, Teile der Produktion für einzelne Modelle der Mittelklasse und bestimmte F&E-Aktivitäten" zum strategischen Partner Bajaj Auto in Indien, sowie zu CFMOTO in Werke nach China zu verlagern. Dadurch sollen unter anderem Kostenvorteile in diesen Regionen genutzt sowie Entwicklungs- und Industrialisierungsprozesse beschleunigt werden.
Der Abbau soll vor allem über natürliche Fluktuation und eine Absenkung der Zahl der geleasten Mitarbeiter erfolgen, sagte Pierer-Mobility-Finanzvorstand Viktor Sigl am Mittwoch. Konkret soll die Zahl der Leiharbeiter von 350 auf 250 sinken. Weitere 150 bis 200 Stellen sollen über die natürliche Fluktuation wegfallen. Von "aktiven Maßnahmen", also einer Kündigung werde, wenn überhaupt "nur eine ganz geringe Anzahl" an Mitarbeitern betroffen sein, sagte der Manager. insgesamt beschäftig der Konzern mehr als 5000 Mitarbeiter an den österreichischen Standorten, die Mitarbeiterzahl am Standort Mattighofen hat sich seit 2011 mehr als verdreifacht, von 1.700 auf 5.200 Mitarbeiter.Weltweit beschäftigt Pierer Mobility rund 6000 Mitarbeiter.
Pierer-Betriebsrat Fritz Lackerbauer reagierte in einem Interview mit der Tageszeitung "Kurier" eher gelassen auf den Personalabbau. "Es geht uns überhaupt nicht schlecht" so Lackerbauer. Die jetzigen Maßnahmen hätten sich schon länger angekündigt und nichts mit dem aktuellen KV-Abschluss in der Metaller-Branche zu tun. Vielmehr sei zuletzt vor allem der E-Bike-Absatz stark zurückgegangen, weshalb es Umstrukturierungen gebe. Auch habe das Unternehmen in den vergangenen Jahren massiv Personal aufgestockt.
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Pierer Mobility verkaufte im Halbjahr 190.293 Motorräder (+16,5 Prozent). Der Absatz bei E-Bicycles und Fahrrädern erhöhte sich um 39 Prozent auf 71.491. Vor allem im Europa seien die Geschäfte in beiden Divisionen gut gelaufen, hatte es Ende August noch geheißen. Auch Personal wurde damals im Vorjahresvergleich noch aufgebaut. Mit Blick auf das Gesamtjahr gab sich das Unternehmen zu diesem Zeitpunkt noch optimistisch. Im zweiten Halbjahr 2023 baue man auf weiteres Wachstum in den Kernbereichen, sowohl bei den Motorrädern als auch bei den Fahrrädern.
Auf die Frage, ob die Absenkung der Mitarbeiterzahl um 300 kommendes Jahr alles sei, oder womöglich doch ein größerer Stellenabbau drohe, sagte der Finanzvorstand: "Aus heutiger Sicht sollte das fürs kommende Jahr alles sein."
"Verlagert wird die preissensible Mittelklasse an Motorrädern mit einem Hubraum von 700 bis 900 Kubikzentimeter um unsere Wettbewerbsfähigkeit langfristig abzusichern", sagte Sigl. Dafür gebe es zwei Hauptgründe: "Die Zuliefersituation ist deutlich billiger als bei uns und das bei einem deutlich niedrigeren Lohn- und Gehaltsniveau als in Europa." Der Anteil der Zulieferkosten wiederum sei wesentlicher Anteil der Kostenstruktur der Pierer Mobility und damit KTM. Das treffe die Vorlieferanten, denn irgendwo müsse produziert werden: "Und was China betrifft hat es dort gerade für die Mittelklasse bessere Rahmenbedingungen als in Europa."
In Europa seien aber immerhin die Zulieferrahmenbedingungen im "sportiven und performanten Offroad-Bereich" besser, so Sigl. "Letztendlich muss man sich ständig die Frage stellen, wo kann man so produzieren, dass man wettbewerbsfähige Preise im Markt unterbringt. Am Ende des Tages ist es der Kunde, der entscheidet. Er erwartet sich einen passenden Preis." Auf Nachfrage schätzte Sigl, dass ein gänzlich in Europa gebautes Mittelklassemotorrad um ein Drittel teurer wäre als wenn man auch in China produziere.
Auf die gesamtwirtschaftlichen Erfahrungen mit den Lieferkettenverwerfungen in und nach der Coronapandemie im Zusammenhang mit der neusten strategischen Entscheidung der Verlagerung von Pierer Mobility angesprochen, sagte Sigl: "Hätten wir in Europa die Preise zu zahlen, die es braucht, um in Europa zu produzieren, dann würden wir diesen Schritt nicht setzen."
Im Motorradbereich seien die Kosten für die Lagerbestände der Händler trotz guter Nachfrage durch deutlich erhöhte Zinsen stark angestiegen, hieß es am Dienstagabend weiters. Die Pierer Mobility stärke ihre Händlerstruktur durch verlängerte Zahlungsziele und höhere Rabatte. Unterstützt würden auch die Lieferanten, "um die durch das gestiegene Zinsniveau deutlich erhöhten finanziellen Belastungen zu dämpfen und deren Liquiditätssituation zu verbessern".
Neben der Produktions- und F&E-Auslagerung bereinigt das Unternehmen, das im Eigentum des Industriellen Stefan Pierer, der erst kürzlich in den Aufsichtsrat von Mercedes einzog steht, sein Portfolio im Fahrradbereich. Die Pierer Mobility AG will den Fokus stärker auf das Kerngeschäft Powered-Two-Wheelers (Motorräder und E-Bicycles) legen und sich auf die Premiummarken KTM, GASGAS, Husqvarna sowie MVAgusta konzentrieren. Im Zuge dessen sollen die Marken Raymon und FELT sowie die Abgabe des Non-E-Fahrradbereiches vom Vorstand eingeleitet werden.
Der Verkauf der Marke R Raymon wurde zwischenzeitig unterzeichnet. Ein Closing wird bis zum Jahresende 2023 erfolgen. Die 2017 gegründete Fahrradmarke Raymon soll künftig in neuer, unabhängiger Konstellation von Susanne und Felix Puello weitergeführt werden. Weiters wurde der Verkaufsprozess der Fahrradmarke FELT an ein Konsortium rund um Florian Burguet ebenfalls eingeleitet, welcher in der ersten Jahreshälfte 2024 abgeschlossen werden soll. Florian Burguet wird als Vorstand der PIERER Mobility AG mit Ende Dezember ausscheiden.
Die Pierer Mobilty AG, in der die Zweiradaktivitäten des Konzerns gebündelt sind, gehört mehrheitlich einer Holding von Stefan Pierer und ist ein Tochterunternehmen der Pierer Industrie. Der Vorstand rechnet nunmehr für 2023 mit einem Umsatzwachstum von 7 bis 9 Prozent bei einer EBIT-Marge zwischen 5 bis 7 Prozent. Im Halbjahr, wo man sich noch optimistischer gab, war mit einem Umsatzwachstum von 6 bis 10 Prozent und einer EBIT-Marge von 8 bis 10 Prozent gerechnet worden.