Wieso wurde das Thema Energieeffizienz in der Industrie so vernachlässigt?
Mörzinger: Es ist wirklich erschreckend. Selbst die großen Industrieunternehmen sind in diesem Bereich völlig unterdigitalisiert. Das ist aber auch irgendwie verständlich, denn rein kostenmäßig war es bisher für die meisten nicht relevant. Der Fokus in der Produktion lag bisher auf Produktivitätssteigerungen und nicht auf Energie. Bestenfalls wurden einfache Inhouse-Lösungen gestrickt, aber durch die Preisexplosion haben wir jetzt eine neue Situation.
Es sind also nicht die EU-Richtlinien, die zum Umdenken bewegen, sondern die Energiekosten?
Mörzinger: Ja, dieser Preisschock hat zu einem Kontrollverlust in den Unternehmen geführt - das steckt den Geschäftsführern, den Energieverantwortlichen noch in den Knochen. Die Kosten sinken jetzt wieder, aber das Thema bleibt strategisch auf dem Schirm. Aber natürlich haben jetzt alle auch die EU-Richtlinien und die ganzen Berichtspflichten im Blick. Der bürokratische Aufwand wird hier enorm steigen.
Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht das Ziel einer Energieeinsparung von über 40 Prozent bis zum Jahr 2030 - vor allem für die Industrie eine Herausforderung?
Mörzinger: Es gibt Vorreiterunternehmen, die elektrifizieren und die gerne noch viel mehr machen würden, wenn es wirtschaftlich sinnvoll wäre. Aber man braucht Infrastruktur, die teilweise nicht vorhanden ist. Ich glaube, die Frage stellt sich gar nicht. Wir können nicht so weitermachen wie bisher. Es ist völlig illusorisch, auch nur zu glauben, dass wir in Europa da noch irgendeinen Vorsprung haben. China, die USA sind viel weiter. Und wenn wir da nicht aufholen, wird es in Europa einfach keine wesentliche Produktion mehr geben. Die Konsequenzen kommen aber auch vom Kunden. Der Kunde will wissen, wie viel CO2 in einem Produkt steckt. Da sind die Berichtspflichten das kleinere Problem.