Konsumgüterindustrie : Henkels Abschied aus Russland: Abschreibungen in Millionenhöhe

Henkel-Chef Carsten Knobel: Es besteht großes Interesse an den Geschäftsbereichen in Russland.

Henkel-Chef Carsten Knobel: Es besteht großes Interesse an den Geschäftsbereichen in Russland.

- © Henkel

Als nach dem Einmarsch der russischen Armee in die Ukraine zahlreiche Unternehmen Russland verlassen haben, nahm sich Henkel Bedenkzeit. Wochenlang kalkulierte man in der Zentrale in Düsseldorf die Folgen eines Abschiedes aus Russland. Nun steht die Entscheidung fest: Henkel wird Russland verlassen und alle Geschäftsbereiche vor Ort verkaufen. Kein leichter Schritt für das Unternehmen, wie man aus Konzernkreisen hört. Henkel hat in den letzten Jahren massiv in Russland investiert und erzielt dort fünf Prozent seines Konzernumsatzes - rund eine Milliarde Euro pro Jahr. In elf russischen Werken werden über 2.500 Mitarbeiter beschäftigt. Auch aus dem Nachbarland Belarus will sich der Chemie-Konzern nun verabschieden, auch aus Sorge vor einem Imageschaden.

Die Folgen des Abschieds sind für Henkel unterdessen bereits spürbar: In der ersten Jahreshälfte hat Henkel 184 Millionen Euro abgeschrieben; 88 Millionen Euro an Geschäfts- und Firmenwerten, 82 Millionen Euro auf Sachanlagen und 15 Millionen für immaterielle Werte wie Markenrechte oder Lizenzen. Rund fünf Prozent des Sachanlagen-Vermögens von Henkel steht in Russland.

Henkel plant nun, große Teile des Geschäftes in Russland zu veräußern „Es besteht großes Interesse an unseren Geschäftsaktivitäten“, sagte Konzernchef Carsten Knobel dem deutschen Handelsblatt. Mehr als 80 Interessensbekunden anderer Unternehmen lägen vor, so Knobel weiter. Teile des Unternehmens könnten zudem vollständig eingestellt werden „Möglicherweise werden wir auch einige Bereiche komplett einstellen, weil wir nicht wollen, dass unser Know-how einem Wettbewerber zukommt“, so der CEO gegenüber dem Handelsblatt.

Noch läuft die Produktion im Land in den Sparten Klebstoffe, Wasch- und Reinigungsmittel sowie Kosmetik. Bis Ende des Jahres soll der Abschied aus Russland aber vollzogen werden.

Im Geschäftsjahr 2021 erzielte Henkel in Branchen wie Waschmittel, Klebstoffe oder Oberflächentechnik mit Marken wie Persil, Schwarzkopf oder Loctite einen Umsatz von über 20 Milliarden Euro und ein Betriebsergebnis von rund 2,7 Milliarden Euro.

Eine der letzten großen Investitionen von Henkel in Russland: 2016 in Perm.
Eine der letzten großen Investitionen von Henkel in Russland: 2016 in Perm. - © Henkel

Raus aus Russland. Aber Wie?

Wie Henkel stehen zahlreiche europäische Unternehmen vor der Frage, ob und wie sie ihre Geschäfte in Russland aufgeben sollen. Wie kann ein Rückzug aus Russland von statten gehen?

Einerseits kann die Gesellschaft in Russland liquidiert werden, was allerdings zeitaufwändig und schwierig ist und nur von sehr wenigen Unternehmen praktiziert wird. Auch eine Insolvenz ist möglich, kann allerdings strafrechtliche Verfolgungen durch die russischen Behörden zur Folge haben, sofern die Insolvenz bewusst herbeigeführt wurde.

Andererseits ist es möglich, die Geschäftsaktivitäten herunterzufahren, Investitionen zu stoppen, Mitarbeiter zu entlassen und auf Sparflamme das Unternehmen weiterbestehen zu lassen. Die häufigste Form ist schließlich der Verkauf des Unternehmens, beispielsweise an das Management vor Ort. Seit Beginn des Krieges in der Ukraine haben mehr als 800 internationale Unternehmen Russland verlassen, wie aus einer Auflistung der Yale School of Management hervorgeht. Mehr als 300 von ihnen haben Russland komplett verlassen. Rund 500 Unternehmen haben ihre Aktivitäten ausgesetzt.

Schon vor Ausbruch des Krieges und dem russischen Überfall auf die Ukraine war Russland kein besonders großer Absatzmarkt. Laut Handelsblatt lagen die Umsätze der 40 Dax-Konzerne vor Beginn des Krieges bei rund einem Prozent, ungefähr 14 Milliarden Euro.

Was bedeutet das Russland-Aus für Henkel in Österreich?

Die Aufgabe des Russlandgeschäftes kann dennoch als ein schwerer Schlag für die Osteuropa-Zentrale Henkel CEE in Wien gelten. Henkel CEE ist mit einem Umsatz von 3,1 Milliarden Euro das fünfzehntgrößte Industrieunternehmen des Landes. Die Konzerntochter gilt als Innovationsmotor und wuchs unter der Leitung von Günter Thumser in die Verantwortung für Tochterunternehmen in 32 Ländern in Mittel- und Osteuropa sowie in der Region Zentralasien-Kaukasus. Der ehemalige Henkel CEE Boss Thumser war vor seinem Aufstieg in der Konzernzentrale 2001 bis 2004 als General Manager für den Aufbau von Henkel Ukraine in Kiev zuständig.

Am Standort Wien wird seit 1927 produziert. Zu den Top-Marken von Henkel in Österreich zählen Blue Star, Cimsec, Fa, Loctite, Pattex, Persil, Schwarzkopf, Somat und Syoss.