Öl und Gas : Gazprom: Höhere Gewalt Grund für geringe Gasmengen

Gazprom-Mitarbeiter bei Arbeiten an einem Teilstück der Pipeline in Sibirien, aufgenommen 2019

Laut Gazprom ist "höhere Gewalt" der Grund für die geringen Gaslieferungen der letzten Wochen.

- © MAXIM SHEMETOV / REUTERS / picturedesk.com

Der russische Staatskonzern Gazprom hat gegenüber den deutschen Gasversorgern Uniper und RWE die verringerten Lieferungen mit höherer Gewalt - "Force Majeure" - begründet. Ob Gazprom Export dies auch gegenüber der OMV getan hat, ließ der heimischen teilstaatliche Öl- und Gaskonzern am Dienstag auf APA-Anfrage offen.

"Wir bitten um Verständnis, dass wir über die operative Kommunikation in der Vertragsbeziehung keine Auskunft geben können. Die OMV geht jedenfalls davon aus, dass die geplanten Wartungsarbeiten der Nord Stream 1 Pipeline planmäßig abgeschlossen werden und der Gastransport danach wieder aufgenommen wird", hieß es in einem schriftlichen Statement.

Unter "Force Majeure" wird ein von Außen kommendes, unvorhersehbares Ereignis verstanden, welches außerhalb der Kontrolle der Vertragsparteien liegt. Darunter können beispielsweise Krieg, Naturkatastrophen oder Pandemien fallen, die dazu führen, dass eine Leistung nur unzureichend oder gar nicht erfüllt werden kann.

Schon vor der jetzigen Wartung von Nord Stream 1 hatte Gazprom die Lieferungen auf 40 Prozent gedrosselt und dies mit einer fehlenden Turbine begründet. Von der Turbine hängt laut Gazprom die verlässliche Arbeit von Nord Stream 1 und die Versorgung der europäischen Verbraucher ab. Das deutsche Wirtschaftsministerium sagte, die Turbine sei als Vorwand genutzt worden. Die Turbine sei eine Ersatzturbine.

Tipp der Redaktion: Gasversorgung in Österreich: Grund für Alarmstufe?

Wird wieder Gas fließen?

Am ersten Tag der Wartungsarbeiten am 11. Juli an der Ostseepipeline Nord Stream 1 hat Russland mit stark gedrosselten Gaslieferungen nach Italien und Österreich das Zittern um die Zukunft der Energieversorgung in Europa weiter angefacht. Die OMV erhielt 70 Prozent weniger Gas vom russischen Staatskonzern Gazprom; nach Deutschland fließt durch die mehr als 1.200 Kilometer lange Nord Stream 1 gar kein Gas mehr.

Das war wegen der jährlich anstehenden Wartung angekündigt und erwartet worden. Nachdem der Gashahn zugedreht wurde, fragt sich aber nicht nur die Bundesregierung: Wird er wieder aufgedreht?

Italiens teilstaatlicher Energieversorger Eni meldete nur wenige Stunden nach Beginn der Arbeiten, dass es ein Drittel weniger Gas als üblich aus Russland erwartet. Die OMV erhielt um 70 Prozent weniger Gas als nominiert. Zuletzt, seit Mitte Juni, hatte Gazprom noch etwa die Hälfte der bestellten Menge geliefert.

Die Regierung in Wien will weitere 100.000 Tonnen Diesel und 45.000 Tonnen an Halbfertigfabrikaten freigeben, bestätigte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). "Die Versorgungssicherheit der Menschen in Österreich hat absolute Priorität", so die Ministerin.

Die Arbeiten an der Nord-Stream-1-Leitung sind Routine. Jahr für Jahr hat die Betreibergesellschaft über die vorübergehende Abschaltung und die Wiederinbetriebnahme nach 10 bis 14 Tagen informiert - ohne dass die Öffentlichkeit groß Notiz nahm. Heuer ist alles anders.

Seit 11. Juli, 6.00 Uhr stehen auf der zuletzt wichtigsten Route für russisches Erdgas nach Deutschland keine Transportkapazitäten mehr zur Verfügung. Im Laufe des Vormittags ging laut Daten der Betreibergesellschaft dann auch der tatsächliche Gasfluss gen Null, wie später auch die Bundesnetzagentur bestätigte. Spannend wird es in etwa zehn Tagen, wenn die Wartungsarbeiten abgeschlossen sein sollen. Bis 21. Juli, 6.00 Uhr, sind sie angesetzt.

"Zutiefst enttäuscht"

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat Russland nach und nach mehreren europäischen Ländern, die Kiew unterstützen, das Gas abgedreht. Auch die Lieferungen nach Deutschland sind gesunken. Das mit Abstand meiste russische Gas kam laut Bundesnetzagentur zuletzt über Nord Stream 1. Und auch hier lag die Auslastung laut Daten der Behörde zuletzt nur noch bei etwa 40 Prozent des Maximums.

Tipp der Redaktion: Wie Gas das größte Problem der Industrie wurde.

Das russische Staatsunternehmen Gazprom hatte im Juni die Liefermenge drastisch gedrosselt und diese mit dem Fehlen einer Turbine von Siemens Energy begründet, die zur Reparatur nach Kanada geschickt worden war. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kritisiert die Begründung als vorgeschoben.

Kanada will die Turbine nun doch ausliefern - zunächst nach Deutschland, was für Kritik seitens der Ukraine sorgt. Man sei "zutiefst enttäuscht" über die Entscheidung der kanadischen Regierung, in diesem Fall eine Ausnahme von den gegen Russland verhängten Sanktionen zu machen, hieß es in einer am Sonntag veröffentlichten Erklärung von Außen- und Energieministerium in Kiew. Nach Darstellung Berlins fällt die Lieferung nicht unter die EU-Sanktionen, weil diese sich nicht gegen den Gastransit richteten.

Wovor die Unternehmen 2022 besonders Angst haben.

Siemens Energy will die in Kanada gewartete Turbine nach eigenen Angaben "so schnell wie möglich zu ihrem Einsatzort" bringen. Nähere Angaben zum Zeithorizont für die Lieferung machte das Unternehmen nicht. Aufgrund seiner Größe kann das fragliche Gerät - wenn nötig - auch per Flugzeug transportiert werden.

Mitte Juni hatte Russlands EU-Botschafter gesagt, wegen der Probleme bei den Reparaturarbeiten sei auch eine völlige Stilllegung von Nord Stream 1 möglich. Eine solche befürchtet unter anderem Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Er sagte kürzlich, man sehe ein Muster, dass zu diesem Szenario führen könne. Habeck sprach auch von einer "wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung" mit Russland.