Halbleiterindustrie : European Chips Act: Experten zweifeln an starkem Boost für Branche

Lukas Lingitz, Leitung des Geschäftsbereichs Fabrikplanung und Produktionsmanagement bei Fraunhofer Austria

Lukas Lingitz, Geschäftsbereichsleiter Fabrikplanung und Produktionsmanagement, Fraunhofer Austria

- © Fraunhofer Austria/interfoto.at

Spitzentechnologie im Halbleiterbereich wird nie mehr in Europa hergestellt. Dieser Satz galt in den vergangenen Jahrzehnten als Gewissheit. Doch wie das so mit scheinbaren Gewissheiten ist – sie sind Töchter der Zeit: Mit einem ambitionierten Subventionsprogramm plant die Europäische Union den globalen Marktanteil Europas in der Halbleiterproduktion den nächsten Jahren auf 20 Prozent hochschrauben.

Was bedeutet diese Nachricht für den Standort Österreich? Im Interview mit Industriemagazin News erklärt Lukas Lingitz, Geschäftsbereichsleiter für Fabrikplanung und Produktionsmanagement bei Fraunhofer Austria: "Zwanzig Prozent klingen erstmal nicht besonders ambitioniert, aber wir stehen aktuell bei unter zehn Prozent. Das würde somit eine Verdoppelung bedeuten. Wenn man das Wachstum mitbedenkt, müssten wir uns dahingehend vervierfachen, was eine große Herausforderung darstellen würde."

"Ein Mega-Werk wird es in Österreich realistisch gesehen eher nicht geben."
Lukas Lingitz, Geschäftsbereichsleiter für Fabrikplanung und Produktionsmanagement, Fraunhofer Austria

Die EU-Kommission will der Chipbranche mit Milliardenbeträgen unter die Arme greifen. Bis 2030 sollen über die "European Chips Act" genannte Initiative rund 43 Milliarden Euro an Subventionen zur Wiederbelebung der Halbleiter-Aktivitäten in Europa fliessen. Staaten soll es ermöglicht werden, Werke mit Subventionen von bis zu 100 Prozent zu fördern – was wiederum weitere private Investitionen anlocken soll. "Die Industrie hat Standorte schon vor vielen Jahren nach Asien verlagert. Auch die Zulieferindustrie und viele Rohstoffe sind dort zu finden, das macht es jetzt schwierig für Europa. Die 43 Milliarden, die die EU über diverse Programme bereitstellen möchte, klingen anfangs nach viel. Wenn man das aber im globalen Vergleich sieht, dann erkennt man, dass die USA ungefähr 56 Milliarden Dollar investieren will, Japan 8 Milliarden, Südkorea rechnet mit 54 Milliarden an Steueranreizen und China wird innerhalb von 10 Jahren, bis einschließlich 2025, rund 150 Milliarden Dollar investiert haben", so Lingitz.

Tatsächlich scheinen sich Chipkonzerne wie der US-Konzern Intel und die taiwanesischen Konzerne TSMC und GlobalWafers bereits aktiv nach Produktionsstandorten in Europa umzusehen. Auch in Österreich wurde investiert: Zuletzt über eine Milliarde Euro in den Ausbau des Werkes von Infineon in Villach. "Österreich hat im europäischen Vergleich vielleicht eine gewisse Bedeutung, aber auch hier gibt es viele Standorte in anderen Ländern, die uns voraus sind. Wir haben uns da eher im Mittelfeld angesiedelt, am Weltmarkt sind wir im vergleich ein sehr kleiner Player", erklärt Lingitz.

Wie sich der Standort künftig weiterentwickeln wird, auch dafür findet Lingitz klare Worte: "Ein Mega-Werk wird es in Österreich realistisch gesehen eher nicht geben, da es auch andere Länder in Europa geben wird, die sich in diese Position einbringen werden und uns voraus sind. Wir werden ein Zulieferland bleiben, das ist schlussendlich auch eine politisch-strategische Komponente."

Das gesamte Interview mit Lukas Lingitz sehen Sie hier.