Stellenstreichungen bei Engel : Engel-Chef Engleder: "Personalabbau ist die Ultima Ratio"

Engel Austria St. Valentin

Engel-Großmaschinenwerk St. Valentin: "Wir sind verwundert über die kolportierten Zahlen"

- © Engel Austria

Vom wirtschaftlichen Topjahr zur Krisenintervention - so schnell kann es gehen. 2022/23 erreichte der Schwertberger Maschinenbauer Engel in seinem Geschäftsjahr mit 1,7 Milliarden Euro Umsatz noch eine Rekordmarke. An Spritzgießmaschinenbauer waren da freilich bereits ernüchternde Signale vom Markt ausgesendet worden, die sich in Branchenzahlen gegossen noch einmal alarmierender lesen: Mit einem Auftragseinbruch 2023 von minus 38 Prozent geht die Branche (Spritzgießmaschinenbau) laut VMDA-Berechnung ins neue Jahr.

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Fehlende Kapazitäten

Eine Entwicklung, die Engel-Chef Stefan Engleder einen jener Momente bescherte, die man als CEO nicht ersehnt. An einem Freitag Ende Jänner steht er vor der Belegschaft des St. Valentiner Großmaschinenwerks und erklärt die Lage. 35 Stellen müssen über einen Sozialplan abgebaut werden. Der Gründer-Urenkel macht klar: Die Anpassung sei aufgrund der fehlenden Kapazitäten notwendig, nicht strukturell bedingt. Er nehme das nicht auf die leichte Schulter. "Hinter jeder abgebauten Stelle steht ein persönliches Schicksal", sagt Engleder im Interview mit INDUSTRIEMAGAZIN.

Manager auf Zeit hätte "härter durchgegriffen"

Das Großmaschinenwerk trifft es dennoch glimpflich. "Ein Manager auf Zeit hätte härter durchgegriffen", atmet ein Mitarbeiter auf. Im Vorjahr wurde bekannt, dass der Münchner Engel-Mitbewerber Krauss Maffei - im Eigentum der chinesischen Staatsfirma ChemChina - bis zu 790 von insgesamt 4700 Arbeitsplätzen streichen wolle. Auch Engel muss sparen. "Wir haben immer zu hohe Kosten", sagt Engleder auf die Frage, ob Engel ein Kostenproblem hat. Die Materialkostentangente in Europa sei "schwindelerregend". Jetzt kommt ein Abschwung auf die Branche zu.

"Nicht der erste und vermutlich auch nicht der letzte", sagt Engleder. Das sei kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. "Noch aus jedem Tief ging Engel mit gewonnenen Marktanteilen hervor", so der CEO. Freude macht ihm das Werk Schwertberg: Klein-und Mittelmaschinen boomen, es gibt ein Nachfrageplus in Medical und Pharma. "Wir müssen dort sehen, dass wir die Liefertermine halten", sagt der Engel-Chef.

St. Valentin: 400 Stellen auf dem Prüfstand?

Einen Zeitungsbericht, wonach im Werk St. Valentin 400 Stellen auf dem Prüfstand stünden, weist er zurück. "Wir sind verwundert über die kolportierten Zahlen, die jedweder Grundlage entbehren", sagt Engleder. Er habe Freitags die Ansprache im Werk gehalten, um tags darauf eine um eine Zehnerpotenz erhöhte Zahl in den Medien zu lesen. "Das war eine Zeitungsente. Bevor solche Maßnahmen angedacht sind, gibt es noch ein ganzes Arsenal an Maßnahmen", sagt er. Man betreibe kein number crunching, habe aus den letzten Krisen gelernt. "Es ist die Ultima Ratio, Personal abzubauen", sagt Engleder. Und gespart werde ja, wo es nur geht: Durch Komplexitätsreduktion, Digitalisierung, im Produktportfolio.

Die Sorge, dass sich die Automobilkonjunktur nicht aufhellt, teile er nicht. "Wir machen rund die Hälfte unseres Geschäfts mit Automotive und sind de facto bei allen namhaften Playern vertreten", so Engleder. Die Branche sei in der Gesamtheit eine wachsende. "Gerade was Elektromobilität betrifft, ist Kunststoff gefragter denn je".

Engel Austria Werk St. Valentin
Engel Austria Werk St. Valentin - © Engel Austria

Umbau der Organisation

In ebendieser Gemengelage treibt Engleder den Organisationsumbau voran. Der Standort St. Valentin wurde im Vorjahr für seine Top-Produktionskonzepte prämiert. Das ELOS- ENGEL Lean Organization System trägt klar Engleders Handschrift. Jetzt nimmt sich Engleder die Führungskultur vor. Er knüpft damit an die ideen seines Vorgängers, Schwarz-Schwiergersohn Peter Neumann, an: Die konzernalen Strukturen werden ausgebaut, viele Entscheidungen delegiert Engleder.

Nicht nur die Vierergeschäftsführung mit Engleder, CPO Gerhard Stangl, CFO Simon Zeilberger und CTO Gerhard Dimmler soll schneller konsentorientiert entscheiden. Ganze Regionen - die neu geschaffene Engel-Triade Europa, Americas und Asien - werden aufgewertet. Drei weitgehend eigenverantwortliche Engel-Hubs sollen der Schlüssel für künftigen Erfolg sein.

Das Wachstum von morgen

Wo Engleder, nachdem Neumann das Unternehmen internationalisiert hat, weiteres Wachstum identifiziert haben will, ist kein Geheimnis. "Amerika ist der größtdenkbare adressierbare Markt", sagt Engleder, der in Mexiko ausbauen will. Und dort weit mehr vorhat als zunächst standardnahe Maschinen zu bauen. Engel realisiert in Mexiko schon heute im vollen Umfang den gesamten Auftragsprozess von der Angebotslegung bis zur technischen Klärung, der Auftragsbearbeitung und dem After Services. In Querétaro wurden dazu über 100 Mitarbeiter aufgebaut, die auf allen Ebenen, vom Ingenieur bis zum Werker, fast schon österreichische Tugenden besitzen. In Steinwurfnähe wird deshalb jetzt erweitert.

Digitales Portfolio - und Sales in seiner Hand

Mit einem Portfolio, das unter Engleder, dem Techniker, zuletzt einen deutlichen Shift in Richtung Energieeffizienz und Digitalisierung erfahren hat. Assistenzsysteme, die es ermöglichen, Rezyklat einfacher oder energieeffizienter zu verarbeiten, finden Abnehmer. Dass Engleder nach dem überraschenden Abgang von Christoph Steger als Sales-Chef seit 2022 nun auch die Agenden seines Schwagers mitübernommen hat, hat manche überrascht. Gerüchte, wonach Stegers Ausscheiden darauf zurückzuführen war, dass man sich operativ darauf verständigt haben soll, eine klare Linie zu fahren, kommentiert Engleder mit Verweis darauf, dass Steger aus freien Stücken einen anderen Karriereweg - er ist seit dem Vorjahr bei der Trauner Spezialpapiergruppe Delfort Sales-Vorstand - eingeschlagen habe.

Man habe bei Engel jetzt drei starke Business-Units-Leiter, die de facto das gesamte operative Vertriebsgeschäft aufgenommen haben. "Ich kann Ihnen erzählen, dass ich in den letzten zwei Jahren keine drei Endverhandlungen habe führen müssen", sagt Engleder.

Investitionen in heimische Werke

Welche Signale an die Belegschaft gibt es heute, dass man zusammensteht? Im Superkrisenjahr 2009 gab es - neben größeren personellen Einschnitten - einen Gehaltsverzicht beim Top-Management. Engleder: "Wir haben für das Geschäftsjahr 2024/25 ein Investitionsvolumen von 80 Millionen Euro freigegeben". Davon sei knapp die Hälfte für die österreichischen Standorte reserviert.

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Die größte Investition erfolgt im Automatisierungswerk Dietach, wo man die Kapazitäten stark hochfährt. "Das ist unser Signal, dass wir an die Standorte hier glauben", sagt der CEO. "Wir halten sie fit".

ZUM UNTERNEHMEN

Engel Austria mit Stammsitz in Schwertberg ist eines der weltweit führenden Unternehmen im Kunststoffmaschinenbau. Mit neun Produktionswerken in Europa, Nordamerika und Asien sowie Niederlassungen und Vertretungen in über 85 Ländern ist Engel weltweit präsent. Seit seiner Gründung 1945 ist Engel bis heute zu 100 Prozent in Familienbesitz. Man unterhält neun Produktionswerke in Europa, Nordamerika und Asien sowie Niederlassungen und Vertretungen in über 85 Ländern. Das Unternehmen hat über 7.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Die Hochrechnung für das Geschäftsjahr 2023/24 (per Ende März) ergibt einen Umsatz von 1,6 Milliarden Euro.