Treibhausgase : Emissionshandel: EU einigt sich auf Verschärfungen

Österreich erhält insgesamt 136 Mio. Euro von der EU aus dem Fonds zum gerechten Übergang zur Klimaneutralität.

Österreich war bisher säumig beim Klimaschutz und hat auch noch immer kein Klimaschutzgesetz.

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Die EU-Staaten und das Europäische Parlament haben sich auf eine Verschärfung der Regeln für den Emissionshandel zur Bekämpfung der Erderwärmung verständigt. Der Ausstoß von Treibhausgasen soll bis 2030 um 62 Prozent gemessen am Stand des Jahres 2005 reduziert werden, teilten die EU-Institutionen am Sonntag mit. Verbraucher und Unternehmen in der EU müssen künftig häufiger für den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) bezahlen.

Vorgesehen ist, dem System des Emissionshandels 2024 insgesamt 90 Millionen Zertifikate zu entnehmen, 2026 sollen weitere 27 Millionen hinzukommen. Von 2024 bis 2027 soll insgesamt ein Abbau von 4,3 Prozent erfolgen, von 2028 bis 2030 von weiteren 4,4 Prozent. Außerdem sollen kostenlose Zertifikate für Firmen bis 2034 schrittweise auslaufen.

Der Verhandlungsführer des EU-Parlaments, der deutsche Abgeordnete Peter Liese von der konservativen Volkspartei EVP, berichtete auf Twitter vom "größten jemals in (der Europäischen Union) ausgehandelten Klimagesetz". Im CO2-Handel der EU müssen rund 10.000 Kraftwerke und Fabriken Zertifikate erwerben, um Treibhausgase ausstoßen zu können. Dies dient dem übergeordneten Ziel, die Emissionen bis 2030 um 55 Prozent auf der Basis von 1990 zu reduzieren. Liese sagte, 2027 beginne die "heiße Phase". Wer bis dahin seine Emissionen nicht erheblich gesenkt habe, "wird viel bezahlen müssen".

Der tschechische Umweltminister Marian Jurecka, dessen Land noch bis Jahresende die EU-Ratspräsidentschaft innehat, erklärte: "Die Vereinbarung (...) wird es uns ermöglichen, die Klimaziele in den wichtigsten Wirtschaftssektoren zu erreichen und gleichzeitig sicher zu stellen, dass Bürger und Kleinstunternehmen wirksam unterstützt werden."

Um Treibhausgase zu verringern, wurde 2005 das sogenannte Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet. Bestimmte Unternehmen müssen dafür zahlen, wenn sie klimaschädliche Gase wie Kohlendioxid (CO2) ausstoßen. Das ist ein starker Anreiz, Emissionen zu vermeiden.

Die EU-Kommission hatte 2021 vorgeschlagen, die Zahl der Verschmutzungsrechte schneller zu verringern und kostenlose Zertifikatefür Firmen schrittweise auslaufen zu lassen. Das Parlament und die Staaten sind sich allerdings uneins, wie schnell das geschehen soll. Das Parlament will, dass die Zertifikate 2032 auslaufen - die Staaten drängen auf das Jahr 2035. Von diesem Zeitpunkt an sollen auch Produzenten im Ausland für den Ausstoß von CO2 zahlen, wenn sie ihre Ware in der EU verkaufen wollen - durch einen sogenannten CO2-Grenzausgleich. Auf diesen Mechanismus hatten sich Unterhändler bereits Anfang der Woche im Grundsatz geeinigt.

In Österreich muss ein Minus von 48 Prozent gegenüber 2005 erreicht werden. Wie streng die Ziele der Staaten sind, hängt unter anderem von der Wirtschaftskraft der einzelnen Länder ab. Das Reduktionsziel Deutschlands - der größten Volkswirtschaft Europas - wurde etwa von 38 auf 50 Prozent angehoben, in Österreich lag das alte Emissionsziel bei 36 Prozent - während für das ärmste EU-Land Bulgarien eine Zielmarke von zehn Prozent gilt.

Österreich war bisher säumig beim Klimaschutz und hat auch noch immer kein Klimaschutzgesetz. Von der im Regierungsprogramm festgelegten Klimaneutralität bis 2040 ist man hierzulande noch weit entfernt. Im Zeitraum 1990 bis 2018 haben sich die Treibhausgas-Emissionen laut Europäischer Umweltagentur (EEA) kaum verändert, während andere Länder den Ausstoß deutlich reduzieren konnten. Der größte Faktor in Österreich ist der Verkehr, dort stiegen die Emissionen 2021 gegenüber 2020 erwartungsgemäß durch den höheren Absatz an Treibstoffen um 4,3 Prozent bzw. 0,9 Mio. Tonnen, wie aus dem im August veröffentlichten "Nowcast" des Umweltbundesamtes hervorgeht.

Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 nach Ländern
Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030 nach Ländern - © APA

Klimasozialfonds für Abfederungen der Klimafolgen

Zudem soll ein neuer Klimasozialfonds die Folgen der Energiewende für Verbraucher abfedern. Dieser soll ungefähr 86 Milliarden Euro umfassen. Damit sollen Haushalte entlastet und Investitionen, zum Beispiel in effizientere Gebäude, finanziert werden.

Die Projekte sind das Herzstück des "Fit for 55"-Pakets, das die Europäische Kommission im Sommer 2021 zum Kampf gegen den Klimawandel vorgestellt hatte. Es soll den EU-Ländern dabei helfen, CO2-Emissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden.

CO2, die chemische Verbindung aus Sauerstoff und Kohlenstoff, ist mit Abstand das wichtigste vom Menschen erzeugte Treibhausgas und so Hauptursache der Klimakrise. Es entsteht etwa beim Heizen, Autofahren, in der Industrie oder der - vor allem tierischen - Lebensmittelproduktion. Noch nie in der Geschichte war die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre so hoch.

Im Mittelpunkt des 2015 beschlossenen historischen UNO-Klimaschutz-Vertrags von Paris steht das Ziel, die durch Treibhausgase verursachte Erderhitzung auf klar unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Die Bemühungen sollten zudem dahin gehend verstärkt werden, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen. Experten und Klimaschützer sehen das Erreichen der Pariser Klimaziele aber aktuell selbst bei optimistischen Szenarien als nur schwer erreichbar, was für Menschen, Tiere und die Natur schwerwiegende Auswirkungen hätte.

"Die österreichischen Unternehmen sind aufgrund ihrer Wirtschafts- und Industriestruktur mit einem besonders hohen Anteil an energie- und exportintensiven Unternehmen als Leitbetriebe und zentrale Arbeitgeber von den Beschlüssen auf EU-Ebene besonders betroffen", so IV-Generalsekretär Christoph Neumayer. "Gerade im Lichte historischer Energiehöchstpreise, wie auch der gravierenden Industrie-politischen Herausforderungen durch den Inflation Reduction Act der USA, sollten zusätzliche Kostenbelastungen und strategische Unsicherheiten für die europäische Industrie durch ein Infragestellen der Freizuteilung im ETS ohne gleichwertige Alternative, jedenfalls vermieden werden."

Die Fluggesellschaften in Europa werden im Kampf gegen den Klimawandel künftig stärker für ihre CO2-Emissionen zur Kassa gebeten. Unterhändler der EU-Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission einigten sich EU-Vertretern zufolge auf schärfere Regeln für Airlines im CO2-Emissionshandelssystem.

Die Unternehmen müssen nach diesem schon länger für den Ausstoß des Treibhausgases bezahlen, um einen Anreiz zur CO2-Reduktion zu haben. Ein großer Teil der Verschmutzungsrechte wird ihnen bisher aber kostenlos zugeteilt. Diese Praxis werde 2026 enden, sagten mit dem Vorgang Vertraute der Nachrichtenagentur Reuters.

Es bleibt dabei, dass die CO2-Zertifikate nur für innereuropäische Flüge verpflichtend sind und nicht für Langstreckenflüge, was Klimaschützer kritisieren. Auf internationaler Ebene greift das System Corsia, der von der UN-Luftfahrtorganisation ICAO etablierte Mechanismus zum Ausgleich von CO2-Emissionen. Die EU will 2026 überprüfen, ob damit das Ziel des klimaneutralen Flugverkehrs bis 2050 erreicht werden kann. Falls nicht, würde der Emissionshandel auf internationale Flüge ausgeweitet. EU-Staaten und das Europäische Parlament müssen das Gesetz noch formal absegnen.

Ein wichtiges Instrument für Klimaschutz im Luftverkehr ist der Umstieg auf nachhaltiges Flugbenzin (SAF). Dafür sollen die Airlines CO2-Zertifikate kostenlos erhalten, um die höheren Kosten im Vergleich zum fossilen Kerosin stemmen zu können. Der internationale Airline-Verband IATA erklärte zuletzt, die Fluggesellschaften müssten wegen der steigenden CO2-Kosten die Ticketpreise erhöhen.