Deutsche Bahn verkauft Logistik-Tochter : DSV kauft Schenker: Größte Übernahme im europäischen Logistikmarkt abgeschlossen
Der dänische Logistikkonzern DSV hat das Bieterduell um die Deutsche-Bahn-Tochter Schenker für sich entschieden. Wie beide Unternehmen am Freitag mitteilten, wurde ein Vorvertrag über den Kauf von Schenker für 14,3 Milliarden Euro unterzeichnet. Vorbehaltlich der Zustimmung der Aufsichtsräte und des Bundes gilt die Absegnung durch das Bahn-Gremium als sehr wahrscheinlich, auch wenn Arbeitnehmervertreter Bedenken äußerten.
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Im Wettbewerb um Schenker setzte sich DSV gegen den Finanzinvestor CVC durch, der laut Insidern ein niedrigeres Angebot abgegeben hatte. DSV und Schenker sind im globalen Logistiksektor die dritt- und viertgrößten Akteure. Beide Unternehmen beschäftigen jeweils rund 75.000 Mitarbeiter und erzielten zuletzt einen Jahresumsatz von rund 20 Milliarden Euro. Der Erlös aus dem Verkauf wird der Bahn zufließen und in erster Linie zur Reduzierung der über 30 Milliarden Euro Schulden genutzt.
„Größte Transaktion in der Geschichte der Deutschen Bahn“
DSV betonte, dass Deutschland durch die Übernahme zu einem wichtigen Markt für den Konzern werde: "Die Kombination der beiden Unternehmen wird die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens steigern und Zugang zu neuen Märkten in einer sehr dynamischen und wettbewerbsorientierten Branche ermöglichen." In den kommenden drei bis fünf Jahren plane DSV Investitionen von etwa einer Milliarde Euro in Deutschland. Zudem werde die fusionierte Firma zukünftig mehr Mitarbeiter beschäftigen als bisher beide Unternehmen zusammen.
Bahnchef Richard Lutz bezeichnete den Verkauf als die „größte Transaktion in der Geschichte der Deutschen Bahn“. Durch die dadurch mögliche Schuldenreduzierung werde die finanzielle Stabilität des Staatsunternehmens gestärkt, sodass die Bahn sich auf die Sanierung ihres heimischen Netzes konzentrieren könne. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) betonte, dass Schenker für das internationale Geschäft ausgerichtet sei und keinen wesentlichen Beitrag zum Kerngeschäft der Bahn geleistet habe. Die Schuldenentlastung helfe der Bahn jedoch erheblich.
Der Verband der Güterbahnen begrüßte den Verkauf grundsätzlich, forderte jedoch, dass die Erlöse in einen Infrastrukturfonds fließen sollten, von dem alle Bahnen profitieren. "Den Verkaufserlös in die Schuldentilgung zu stecken, signalisiert der DB lediglich, dass wieder Platz für neue Schulden da ist - das ändert strukturell nichts", erklärte Geschäftsführer Peter Westenberger.
Logistik-Tochter einziger profitabler Geschäftsbereich des Konzerns
Bereits Ende 2022 hatte der Aufsichtsrat der Bahn grünes Licht für die Verkaufsverhandlungen gegeben. Vertreter der Ampel-Koalition hatten dabei argumentiert, dass die Investitionen der angeschlagenen Bahn in Asien nicht mehr zum Konzernbild passten, obwohl Schenker der Bahn teils milliardenschwere Gewinne eingebracht hatte. Zuletzt war die Logistiktochter sogar der einzige profitable Geschäftsbereich des Konzerns.
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Gegen den Verkauf an DSV protestierte jedoch die Schenker-Gewerkschaft Verdi. Es wird befürchtet, dass im Zuge der Fusion Standorte geschlossen und Doppelstrukturen abgebaut werden könnten. Auch der traditionsreiche Name Schenker dürfte wohl verschwinden. CVC hingegen hätte die Marke erhalten und plante, Schenker später an die Börse zu bringen, was laut CVC weniger Arbeitsplätze gekostet hätte als eine Fusion mit DSV.
DSV weist diese Vorwürfe zurück. Für das dänische Unternehmen handelt es sich um die größte Übernahme seiner Geschichte. DSV gab an, dass in Deutschland weniger als 2.000 der etwa 15.000 Schenker-Stellen wegfallen würden, vor allem in der Verwaltung. Da Schenker bereits ein Sparprogramm mit Stellenabbau durchführe, werde der Abbau durch DSV geringer ausfallen. Derzeit beschäftigt DSV rund 5.000 Mitarbeiter in Deutschland. Nach dem geplanten formalen Zusammenschluss, der für das zweite Quartal 2025 angestrebt wird, gilt eine zweijährige Beschäftigungsgarantie. Auch der Hauptsitz in Essen soll in diesem Zeitraum erhalten bleiben. Zusätzlich soll DSV Insidern zufolge nach den Protesten der Schenker-Belegschaft noch zehn Millionen Euro für Abfindungen bereitgestellt haben.
Deutsche Bahn erkauft sich Zeit
Für die Deutsche Bahn bedeutet der Verkauf den Verlust ihres wichtigsten Gewinnbringers. Dennoch erkauft sich die Bahn dadurch vor allem Zeit. Bis 2027 will der Konzern auch ohne Schenker wieder profitabel werden. Aufgrund des Drucks der EU-Kommission muss die Güterbahn sogar bis 2026 schwarze Zahlen schreiben. Um dies zu erreichen, soll unter anderem der Kauf neuer ICE-Züge gestreckt und damit Milliarden eingespart werden. Zudem sollen mindestens 30.000 der rund 200.000 Stellen bei der Bahn, vor allem in der Verwaltung, abgebaut werden. Bis 2027 will die Bahn auch das Schienennetz modernisieren, um eine Pünktlichkeit von bis zu 80 Prozent im Fernverkehr zu erreichen.
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DB Schenker ist in Österreich als einer der größten Logistikdienstleister aktiv, mit mehreren Standorten und zahlreichen Mitarbeitern. Der Verkauf wird die Dynamik im Logistiksektor verändern und könnte zu einer Umstrukturierung führen, insbesondere im Hinblick auf Arbeitsplätze und operative Abläufe.
DSV plant, das globale Netzwerk von Schenker zu stärken und die Wettbewerbsfähigkeit in den Bereichen Luft- und Seefracht, Landverkehr und Logistiklösungen auszubauen. Dies könnte für die österreichischen Kunden von DB Schenker verbesserte Dienstleistungen und wettbewerbsfähigere Lösungen bedeuten. Allerdings gibt es auch Unsicherheiten, vor allem in Bezug auf mögliche Umstrukturierungen und deren Auswirkungen auf die Arbeitsplätze. Mitarbeitervertreter haben in Deutschland bereits Bedenken über mögliche Stellenstreichungen geäußert, was auch für den österreichischen Markt von Relevanz sein könnte.