VW-Rückzug aus Russland : Chinas Automobilindustrie erobert Russland: Chery nutzt verlassene Werke von VW, Mercedes und Nissan

Volkswagen-Werk in Kaluga steht zum Verkauf

Der chinesische Autobauer Chery nutzt Insidern zufolge das ehemalige VW-Werke in Russland für den Bau seiner Fahrzeuge.

- © Volkswagen AG

Der chinesische Autobauer Chery nutzt Insidern zufolge ehemalige Produktionsstätten westlicher Hersteller in Russland, um seine Fahrzeuge zu montieren. Diese Werke wurden vor dem russischen Angriff auf die Ukraine von Unternehmen wie Volkswagen, Mercedes-Benz und Nissan betrieben, wie fünf mit dem Vorgang vertraute Quellen der Nachrichtenagentur Reuters mitteilten. Zu den produzierten Modellen gehören das SUV Tiggo sowie Fahrzeuge der Chery-Marke Exeed.

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Chery, der größte chinesische Autoexporteur, strebt Berichten zufolge eine Ausweitung seines Geschäfts in Russland an, um die schwache Nachfrage in China auszugleichen und ungenutzte Kapazitäten in den russischen Werken zu nutzen. Offiziell erklärte Chery, dass man den russischen Markt weiterhin beliefern wolle, jedoch keine Pläne habe, eigene Werke zu errichten oder bestehende zu kaufen. Zum Einsatz ehemaliger westlicher Fabriken äußerte sich das Unternehmen nicht.

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- © Industriemagazin

Chery nutzt ehemaliges VW-Werk

Nach dem Rückzug westlicher Autobauer haben chinesische Hersteller inzwischen mehr als die Hälfte des russischen Automarktes übernommen. Die zunehmende Produktionsaktivität unterstreicht den wachsenden chinesischen Einfluss auf die russische Wirtschaft seit Beginn des Krieges. Um ausländische Unternehmen zur Produktion in Russland zu ermutigen, hat die Moskauer Regierung Importzölle eingeführt. Reuters-Dokumente von Februar bis August zeigen, dass Chery bereits die Genehmigung zur Fertigung bestimmter Modelle in Russland erhalten hat.

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Das ehemalige VW-Werk in Kaluga südlich von Moskau wird laut Michail Pogonow, der bei dem Autohändler ASC für Chery-Fahrzeuge zuständig ist, zur Produktion des Tiggo genutzt. Der Absatz sei stark gestiegen, mit einem Umsatzwachstum von über 100 Prozent. Auch das frühere Nissan-Werk in St. Petersburg produziert den Tiggo unter der Marke Xcite X-Cross, wie ein Insider verriet. Diese Marke wurde Ende September als "beste neue Marke" ausgezeichnet. Bereits Ende 2022 brachte JAC, ein chinesischer Hersteller, das legendäre sowjetische Auto Moskwitsch als russische Marke zurück auf den Markt.

Moscow, Russia - March, 18.2021: New modern SUV chery tiggo 8 pro. exterior of a new seven-seater minivan from Chinese manufacturer Chery
Im einstigen VW-Werk bei Moskau wird nun der Chery Tiggo gefertigt - © Maria - stock.adobe.com

Produktionskapazität von 225.000 Autos pro Jahr

Volkswagen startete in Kaluga mit großen Ambitionen. Das Werk hatte eine Produktionskapazität von rund 225.000 Fahrzeugen pro Jahr und fertigte sowohl Pkw als auch leichte Nutzfahrzeuge. Zu den wichtigsten Modellen, die in Kaluga produziert wurden, zählten der Volkswagen Tiguan, der Volkswagen Polo sowie der Škoda Rapid. Neben der Fahrzeugmontage wurde auch die Motorenproduktion vor Ort angesiedelt, was die Bedeutung des Werks für den russischen Markt weiter unterstrich. Volkswagen hatte damit eine Schlüsselrolle auf dem damals schnell wachsenden russischen Automarkt.

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Der Rückzug von Volkswagen aus Russland ist direkt auf die geopolitischen Entwicklungen im Zuge des Ukraine-Kriegs zurückzuführen. Bereits kurz nach Beginn des Krieges im Februar 2022 stellte VW die Produktion in Kaluga sowie den Export von Fahrzeugen nach Russland ein. Die westlichen Sanktionen, die den Handel mit Russland stark einschränkten, sowie die unsichere politische und wirtschaftliche Lage führten letztlich zur Entscheidung, sich aus dem Land zurückzuziehen.

Nach der Entscheidung, den Betrieb in Kaluga einzustellen, bemühte sich VW, den Standort entweder zu verkaufen oder stillzulegen. Im Mai 2023 gab der Konzern schließlich bekannt, das Werk an den russischen Autohersteller Avilon verkauft zu haben. Damit zog sich Volkswagen endgültig aus dem russischen Markt zurück.

Chinesische Autos haben einen Marktanteil von 40% in Russland erreicht

Seit dem Rückzug westlicher Automobilhersteller aus Russland aufgrund der Sanktionen im Zuge des Ukraine-Kriegs haben chinesische Automobilmarken eine zunehmend bedeutende Rolle auf dem russischen Markt eingenommen. Marken wie Chery, Geely und Haval profitieren von der Lücke, die westliche Marken wie Volkswagen, Renault und Toyota hinterlassen haben.

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Nach Angaben des russischen Automobilverbandes (AEB) haben chinesische Fahrzeuge im Jahr 2023 einen Marktanteil von über 40 % erreicht – eine deutliche Steigerung gegenüber den Vorjahren. Insbesondere seit dem Rückzug westlicher Hersteller aus Russland hat sich der Absatz chinesischer Autos beschleunigt. Während europäische und japanische Marken zunehmend aus dem russischen Straßenbild verschwinden, erweitern chinesische Hersteller ihre Modelle und steigern ihre Präsenz vor Ort.

Chery, Geely und Haval gehören dabei zu den Spitzenreitern unter den chinesischen Automarken. Chery, das in Russland bereits seit 2005 vertreten ist, bietet ein breites Portfolio von Kleinwagen bis hin zu SUVs an und hat besonders durch günstige Preise und eine vergleichsweise hohe Qualität gepunktet. Auch Haval, die SUV-Marke von Great Wall Motors, betreibt in der Region Tula eine eigene Produktionsstätte.

Chinesische Automarken haben in Russland bereits einen Marktanteil von 40% erreicht

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Laut einem Insider streben sowohl Chery als auch die russische Regierung an, die Details der russischen Produktion möglichst unauffällig zu halten. Ein Sprecher von Chery in Frankfurt betonte, dass das Russland-Geschäft nichts mit den Expansionsplänen in Europa zu tun habe. Die russischen Ministerien lehnten eine Stellungnahme ab.

Parallel dazu beschlossen die EU-Staaten letzte Woche Strafzölle auf chinesische Elektroautos, die ab Ende Oktober greifen sollen. Diese Zölle könnten jedoch durch eine Verhandlungslösung abgewendet werden. Die EU-Kommission wirft China vor, den Preis für Elektrofahrzeuge durch staatliche Subventionen zu senken und damit den Wettbewerb zu verzerren. Um den Strafzöllen zu entgehen, erwägen einige chinesische Hersteller, darunter Chery, eine Produktionsstätte in Europa zu errichten.