VW-Zulieferer unter Druck : Automobilberater: "Flächige Depression bei VW"
"In Wahrheit gibt es zu Blumes Sparkurs keine Alternative", sagt der Automobilberater Engelbert Wimmer. Und nein, es handle sich in Wolfsburg nicht nur um ein Sommergewitter, sondern um "flächige Depression". Der Absatz werde perspektivisch nicht zu einer erhöhten Auslastung führen können. Der E&Co-Chef erwartet zehn harte Jahre. VW sei ein "Mitarbeiterbeschäftigungsverein zu unüblichen Konditionen", sagt er.
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Die Gehälter lägen branchenunüblich hoch, ebenso die Fehlzeiten am Band: Mittlerweile verursache der Produktivitätsverlust kolportierte Kosten von einer Milliarde Euro pro Jahr.
Üppiges Modell Wolfsburg
Aber auch wenn gefertigt wird, komme zu wenig dabei raus. Bei Hyundai produziert man das vierfache Fahrzeugvolumen pro Mitarbeiter. Schon zu Winterkorns Zeiten war bei den indirekten Kosten Marktbegleiter Toyota außer Reichweite. Aber: "Gab es früher mit Audi oder Porsche immer irgendjemanden, der die Rechnung beglichen hat, ist das Erfolgsmodell Markenspreizung, mit dem man sich dieses üppige Modell Wolfsburg leisten konnte, jetzt massiv herausgefordert", sagt Wimmer. Denn auch aus China rücktransferierbare Auslandsgewinne, die für einen Jo-jo-Optimismus sorgten, sprudeln nicht mehr.
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Mische man der Debatte Realismus bei, müsse man erkennen, dass nicht einmal Indien "so überaus dringend unsere deutschen Fahrzeuge braucht", sagt der Autoberater.
China-Speed?
Ob Blume nun die Suppe von Vorgänger Diess auslöffeln müsse, gehe nach Wimmer an der Substanz des Problems eines Konzerns, in der die Beschäftigungssicherung gemäß Satzung auf einer Ebene mit der Gewinnerzielung stehe, vorbei. "Diese Hexenjagd führt zu nichts", sagt Wimmer. Fakt sei, dass es VW nicht sonderlich gut gelungen sei, den Geschmack bei Fahrzeugen in China zu treffen. Durch Aufbau von eigenen Entwicklungskapazitäten und Partnerschaften wie mit XPENG und SAIC wollte der Konzern nicht nur sein Produktportfolio bei E-Fahrzeugen erweitern, sondern auch lokale Technologien in „China-Speed“ in seine Modelle bringen. Auch die nächsten 24 Monate sei Geschwindigkeit für das Überleben von VW "genauso wichtig wie Effizienz".
Dass Trinity, ein Prestigeprojekt des früheren VW-Konzernchefs Diess auf frühestens 2030 verschoben wird, sei seiner Ansicht dagegen folgerichtig, eine permanente Ankündigungswolke wie Teslas Modell 2 sei nicht erstrebenswert. Die Verstimmung aber bleibt. "Das war nicht der erhoffte Brustlöser wie der Golf nach dem Beetle", sagt er.
Zulieferer geknebelt
Unmittelbar werden jetzt, "wo VW die Tugend Exzellenz vermissen lässt, die Zulieferer geknebelt", sagt Wimmer. Das Gesamtgebäude Zulieferindustrie sei bedroht. Durch das Fehlen von großen Technologiesprüngen sei eine wesentliche Erneuerungsoption für Zulieferer nicht mehr gegeben. Diese hätten – häufig fremdfinanziert – Expansionen in neue Technologien und Märkte geschultert und "hohe Konzessionen gemacht, um an Volumensaufträge zu kommen, die jetzt nicht abgerufen werden".
Und das, nachdem VW die klassische Einkaufskette mit Systemlieferanten aufgesprengt und den Einkauf selbst in die Hand genommen hätte. Für viele Zulieferer ist die Mischung auf harten Konditionen und geringen Abrufen nicht zu beherrschen. Zukunftsthemen kompensieren dies nicht. "Batteriesystem oder Software wurden zur Eigenleistung deklariert", sagt Wimmer.