Interview : Pildner-Steinburg über Russlands Krieg: "Dass es so eskaliert, tut weh"
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INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Pildner-Steinburg, wären die Zeiten lustiger, würde ich sagen, auf der Welt geht es gerade zu wie beim Eishockey. Wieweit bildet sich die globale Dramatik im betrieblichen Mikrokosmos ab?
Jochen Pildner-Steinburg: Die ständig wechselnden Situationen gehen mir schon auch an die Nieren. Sie beeinträchtigen mich in meiner Arbeit und Laune. Soweit ich denken kann war die Weltlage noch nie so labil. Und die Krise macht nicht Halt vor unserem Unternehmen. Wir sind international aufgestellt, erwirtschaften rund vier Fünftel vom Umsatz durch Exporte. Und das überallhin, auch nach China und Russland. Ich will all die Probleme in der Lieferkette gar nicht alle aufzählen.
Mit Ihrem Bruder Jörg gaben Sie 2016 - nach 42 Jahren an der Spitze der GAW technologies - die Leitung an Ihre Tochter Nina und den früheren technischen Leiter Wolfgang Senner ab. Die müssen den Laden jetzt schupfen.
Pildner-Steinburg: Ich bin froh, dass unsere Nachwuchsführung auch auf solche Einschnitte vorbereitet worden ist. Und sie hat die ältere Generation natürlich als Backup, sollte sie Hilfestellungen benötigen.
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Sie sind Jahrgang 47, haben den Wiederaufbau und den Kalten Krieg erlebt. Wie erleben Sie die Phase des globalen Hochrüstens?
Pildner-Steinburg: Dass es so eskaliert, tut weh. Das wirft uns weit zurück. Als 47er-Jahrgang hat man miterlebt, dass die Welt nicht nur immer eine sonnige ist, sondern eine mit vielen Eintrübungen. Später wurden wir uns immer sicherer, dass der Frieden im europäischen Verbund gesichert ist. Aber wer viel herumgekommen ist, hatte immer Zweifel: Nur Frieden ist da nicht. Wir machten uns etwas vor.
Russlands Krieg: "Markt niedergefahren"
GAW unterhält eine Niederlassung in St. Petersburg. Wo ordnen Sie sich bei der Frage, womöglich das Russland-Geschäft auszusetzen, ein?
Pildner-Steinburg: Momentan ist der russiche Markt für uns tot und wir müssen ihn niederfahren. Wir halten uns an die Sanktionen. Wir haben stillgelegt, sind aber auch in der Pflicht unseren Mitarbeitern gegnüber. Es müssen die Geschäfte nicht unbedingt intensiv weitergeführt werden, wir sollten jedoch Präsenz zeigen. Wir verstanden Russland immer als Entwicklungsmarkt, als Riesenterritorium mit entsprechendem Potenzial. Wir beliefern die russische Papier- und Kartonindustrie und erzeugen Produktionsanlagen für die Herstellung von Kunststoffwellrohren. Da war zuletzt einiges an Geschäft drinnen.
Wo werden denn die neuen Grenzen der Globalisierung gesteckt?
Pildner-Steinburg: Wenn wir uns in Österreich Vollbeschäftigung leisten wollen, sind wir gezwungen, die Produkte in Serienproduktion an Abnehmer global zu verbreiten. Oder wir produzieren ausschließlich für den Eigenbedarf. Dann produziert die Papierfabrik in Gratkorn eine Wochentranche, dann kann sie aufhören. Dann wäre Österreich versorgt.
Kommen die jungen mit den Veränderungen auf den Märkten zurecht? Antizipieren ist ja nicht gerade leichter geworden.
Pildner-Steinburg: Auch wenn diese Weisheit sonst eher fürs Phrasenschwein ist: Krisen sind da, um gemanagt und bewältigt zu werden. Was mich zuversichtlich stimmt: Vertreter der jüngeren Generationen legen großen Optimismus an den Tag. Ich habe das in jungen Jahren auch an mir selbst erlebt. 1972 kam ich nach dem Betriebswirtschaftsstudium ins Unternehmen. Wenig später, kurz nach der Aufnahme Österreichs in die EWG, kletterte die Inflation auf neun Prozent, die Kreditzinsen auf 16 Prozent. Der Dollar war von 23 auf elf Schilling gefallen. Mein Herr Papa hat mir beim Abendessen stets erklärt, alles gehe kaputt, er müsse die Firma verkaufen. Als junger dachte ich immer: Was hat er für Probleme? Das kriegen wir doch alles wieder hin. Und so wird es auch jetzt wieder sein.
Also: Weniger jammern, mehr die Jungen machen lassen?
Pildner-Steinburg: Nicht falsch verstehen, die Verflechtungen unserer Wirtschaft sind groß, die Krise wird viele Leute mit großer Härte treffen und Wohlstandsverluste bringen. Aber die Unternehmen der Industrie waren und sind immer gefordert. Jammern, wie es jetzt vermehrt geschieht, bringt uns auch nichts. Als 47er-Jahrgang, der mit Krisen groß geworden ist, bin ich überzeugt davon, dass die jüngeren Generationen, die in den Unternehmen arbeiten, es schaffen, wenn auch anders. Wir dürfen ihnen nur nicht dauernd erklären, dass früher alles besser war.
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Ihr Unternehmen kann sich durchaus in Verzicht üben. Das Automobilgeschäft fuhren sie 2017 deutlich zurück und nahmen Umsatzeinbußen hin. Warum eigentlich?
Pildner-Steinburg: Wir waren immer der Überzeugung: Auspressen lassen wir uns nicht. Dann verzichten wir lieber auf Geschäft. In dem Fall auf jenes mit Fördersystemen für Automobilbauer. So läuft es in Krisen: Die großen holen sich ihre fehlenden Ergebnisse von den Zulieferern. Wir stellten den Ärger, die Unzuverlässigkeiten und die ganze Arbeit dem Return gegenüber und stoppten von einem Tag auf den anderen die Geschäftstätigkeit mit 20, 25 Millionen Euro Jahresvolumen. Es war der richtige Weg. Jetzt sind wir dort nur noch in der Nische - etwa Scheinwerfer- tätig.
Welche Bilanz stellen Sie der heimischen Industriepolitik aus?
Pildner-Steinburg: Während der Pandemie wurde nur Reparaturpolitik betrieben. Enorme Mittel an Coronahilfen wurden mit der Gießkanne ausgeschüttet, die wir jetzt viel dringender bräuchten: z.B. bei der Strompreiskompensation für Industrie und private Haushalte.
GAW investiert in ein zukunftsträchtiges neues Geschäftsfeld, in Anlagen zum vollständigen Baumwoll- und Viskoserecycling. 2022 ging eine erste Aufbereitungsanlage nach Schweden. Was hat GAW noch in der Pipeline?
Pildner-Steinburg: Bei unserer auf Automatisierung, Elektronik und Regelsysteme spezialisierten Tochter AutomationX nehmen wir 80 Mitarbeiter auf. Und eine unserer deutschen Töchter baut in Leonberg bei Stuttgart ein Werk für Filtrationstechnik. Zudem planen wir am Standort Haßfurt, Bayern, den Neubau eines Werkes für Kunststoffwellrohrmaschinen um 30 Millionen Euro.
ZUR PERSON
Jochen Pildner-Steinburg, 74,
leitet die GAW Group Pildner-Steinburg Holding, in der er und sein Bruder Jörg über Beteiligungsgesellschaften jeweils 50-Prozent-Anteile halten. 2016 übergaben die beiden nach 42 Jahren an der Spitze der GAW, 1951 von Vater Erhardt als Grazer Amaturen-Werk gegründet, an Tochter Nina Pildner-Steinburg und Wolfgang Senner.
Jochen und Jörg Pildner-Steinburg formten das Unternehmen zum weltweit tätigen Technologiekonzern. Das operative Geschäft der Gruppe ist in den Bereichen Papier- und Zellstoff-, Automobil-, Chemie- und Kunststoffindustrie sowie Automatisierung gebündelt. Mit über 700 Mitarbeitern erwirtschaftete die GAW Gruppe zuletzt rund 120 Millionen Euro. Jochen Pildner, langjähriger früherer Chef der IV Steiermark, ist Vorsitzender des parteiuanhängigen Vereins Denkwerk Steiermark und Präsident der österreichischen Ice Hockey League.