FH Österreich : Die österreichischen FHs: Was war, was kommt. Und was bleibt.
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Wenn ein Jahr vergeht und der Rückblick auf dieses Jahr eine Branche betrifft, in der 21 Fachhochschulen mit Tausenden und Abertausenden von Studierenden enthalten sind – dann würden sich in eben diesem Rückblick immer Veränderungen und Entwicklungen feststellen lassen. Neue Studienfächer entstehen, Forschungsprojekte starten oder werden abgeschlossen, Kooperationen eingegangen. Kurzum: Mit Stillstand rechnet sicherlich keiner der Leserinnen und Leser des großen FH-Rankings des INDUSTRIEMAGAZINS.
Doch im vergangenen Jahr gab es tatsächlich Entwicklungen an einigen Fachhochschulen so prägnanter Art, und parallel dazu das Erscheinen des neuen FH-Entwicklungs- und Finanzierungsplans (bzw. des Entwurfs zu diesem) sowie des Gesamtösterreichischen Universitätsentwicklungsplans und Hochschulplans des Wissenschaftsministeriums, dass es beinahe schwerfällt, alles in einem einzelnen, kohärenten Bericht widerzugeben.
Beinahe. Denn bei genauerem Hinsehen ergeben sich zwei deutliche rote Fäden, geradezu Stränge. Zwei Stränge, die in einander entgegengesetzte Richtungen ziehen: die zunehmende Professionalisierung der Fachhochschulen Österreichs auf der einen Seite – und der FH-Plan der Regierung auf der anderen.
„Wir befinden uns jetzt in einer Phase der Konsolidierung, in der auch die wissenschaftliche Weiterentwicklung stark im Vordergrund steht.“Thomas Leoni, Leiter Fakultät Wirtschaft FH Wiener Neustadt
Ein Blick auf die FH Oberösterreich. Mehr als 5.500 Studierende teilen sich hier auf die vier Fakultäten in Linz, Steyr, Wels und Hagenberg auf. Derzeit wird Campus-übergreifend an einer Modularisierung des Studienangebots gearbeitet – um zeitlich und inhaltlich flexibleres Studieren zu ermöglichen, erklärt Präsident Gerald Reisinger.
Fachhochschulen in Österreichs: wo studieren, wie viel verdienen?
Und: Man widme sich gerade intensiv den „Sinnfragen“, die Studierende unter anderem an ihr Studium stellen – etwa zum Thema Nachhaltigkeit. „Dieses beschäftigt uns und auch in der angewandten Forschung gerade besonders, wobei unsere Kompetenzen in Energietechnik und Energieinformatik eine hervorragende Basis bilden. Wir setzen rund um die ASIC-Forschungsgruppe in Wels sowie Energieinformatik in Hagenberg einen Schwerpunkt im Bereich Energiespeicherung.“ Denn, so ist sich Reisinger sicher: „Ohne diesbezügliche Fortschritte kann die grüne Transformation nicht gelingen.“
Rund um Software-Entwicklung unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeit startete in Hagenberg, wo die Fakultät für Informatik, Kommunikation und Medien beheimatet ist, denn auch im Herbst der bereits 22. Studiengang. Angesprochen werden sollen besonders Personengruppen, die bisher wenig Berührungspunkte mit IT hatten. „Design of Digital Products“, wie das neue Studium heißt, ist Teil des Departments „Smart and Interconnected Living“ – kurz SAIL. „Nachhaltige und gesellschaftlich relevante Themen in den Fokus zu rücken“ (O-Ton Departmentsleiter Christoph Schaffer) würde mit unter anderem diesem neuen Bachelor gut gelingen.
„Und nun dürfen wir ein weiteres Projekt bearbeiten, das inhaltlich exakt dem entspricht, wofür wir seit Jahren brennen: die Nutzbarmachung von Technologie für möglichst viele Menschen.“ Schaffer spricht von EDDIE (European Distributed Data Infrastructure for Energy), ein neues Horizon-Forschungsprojekt und gleichzeitig das bisher größte EU-Forschungsprojekt an der FH OÖ. Allein in Hagenberg beträgt das Projektvolumen rund zwei Millionen Euro bei einer Laufzeit von drei Jahren. Der Standort soll für das AIT, das als Gesamtprojektleiter fungiert, erste Wahl gewesen sein. „Wir haben nach Projektpartnern gesucht, die nicht nur über das Domänenwissen verfügen, sondern die auch die entsprechende Umsetzungskompetenz mitbringen“, sagt einer der Initiatoren, Georg Hartner vom AIT. „Und da sind wir in Hagenberg sehr gut aufgehoben.“
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Szenenwechsel. An der FH St. Pölten startete vor wenigen Wochen das erste dortige Doktoratsprogramm. Das Studium, eine Kooperative mit der TU Wien, gefördert von FWF und CDG, beschäftigt sich mit der Bewahrung kulturellen Erbes durch digitale Technologien. Freilich spiegelt sich die Wichtigkeit solcher Neuheiten im potenziellen Nutzen für Studierende wider – doch nicht nur. „Für uns als Hochschule ist so ein Programm auch wichtig, um die besten Talente in der Wissenschaft an die Hochschule holen zu können“, sagt Geschäftsführer Johann Haag. Die FH St. Pölten sei eine der forschungsintensivsten Hochschulen am österreichischen Sektor. Am Institut für Creative\Media/Technologies, das das Doktoratsprogramm koordiniert, forschen derzeit 70 Wissenschafter und -innen in rund 80 Projekten.
Was die beiden in sich doch sehr unterschiedlichen Beispiele der FH Oberösterreich und der FH St. Pölten gemein haben, ist eine fortschreitende Professionalisierung – in der Forschung, in der Angebotsgestaltung, in dem Bestreben, für die Fachkräfte von morgen dauerhaft attraktiv zu sein. Sind die beiden Fachhochschulen damit komplette Ausreißer auf dem österreichischen Markt?
Wohl kaum, Weiterentwicklung ist ein vielfach gesichteter Modus. „Nach mehr als 25 Jahren haben sich die Fachhochschulen als essenzieller Teilbereich der tertiären Ausbildung in Österreich etabliert“, sagt etwa Thomas Leoni, Leiter der Fakultät Wirtschaft an der FH Wiener Neustadt, über die gesamte Branche. „Wir befinden uns jetzt in einer Phase der Konsolidierung, in der auch die wissenschaftliche Weiterentwicklung stark im Vordergrund steht. Das zeigt sich an der zunehmenden Bedeutung des Auftrags zur angewandten Forschung.“
Das würde sich unter anderem in der neuen Akkreditierungsverordnung der AQ Austria und somit bei der Akkreditierung von Studiengängen niederschlagen, oder in unterschiedlichen Maßnahmen und Programmen, um die Weiterqualifizierung des Personals an Fachhochschulen zu fördern. Ein Beispiel ist hier das doc.funds.connect Programm des Wissenschaftsfonds zur kooperativen Doktoratsausbildung zwischen Fachhochschulen und Universitäten.
Und hier kommen wir zum zweiten, dem – zumindest für viele Betroffene – entgegengesetzten Strang in der Geschichte der Ereignisse in der FH-Branche im vergangenen Jahr. Gemeint sind der FH-Entwicklungs- und Finanzierungsplan, und der Gesamtösterreichische Universitätsentwicklungsplan sowie Hochschulplan des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Denn Vertreter der FHs stoßen sich an besagten Plänen immens, orten „Marginalisierungstendenzen“, wie es von der Österreichischen Fachhochschul-Konferenz heißt, eine Reduktion auf den Bachelor-Bereich, eine Streichung der Angewandten Forschung aus den Profilen der Fachhochschulen.
Fachhochschulen: Es fehlt die Basisfinanzierung
Das wirkt in vielerlei Hinsicht konträr zu den fortlaufenden Entwicklungen an so mancher FH – und könnte wirtschaftlich schaden. Dass etwa kein weiterer Ausbau der Studienplätze vorgesehen ist, werde den Fachkräftemangel weiter verschärfen, befürchtet Martin Payer, kaufmännischer Geschäftsführer der FH Joanneum. Diese Sorge teilt Stefan Fitz-Rankl, Geschäftsführer der FH Vorarlberg. Und sagt weiter: „Auch der inhaltliche Fokus nur auf den MINT-Bereich ist kritisch zu sehen. Ohne Abrede ist das ein wichtiger Bereich für die FHs, aber es herrscht in so gut wie allen Bereichen und Berufen ein Mangel an qualifizierten Fachkräften.“ Selbst die stark technisch ausgerichtete FH Oberösterreich kritisiert die MINT-Fokussierung.
Weiters im wirtschaftlichen Sinne schaden könnte die Marginalisierung. „Studierende und wissenschaftliches Personal mit Ambition würden einem auf schulnahe Bachelorausbildung redimensionierten Fachhochschulsektor zunehmend den Rücken kehren“, vermutet FH Wiener Neustadt- Geschäftsführer Armin Mahr. Das Promotionsrecht gewinnt bei einer Mehrheit der Akteure im FH-Sektor zunehmend an Bedeutung, erklärt Gerald Reisinger, Präsident der FH Oberösterreich: „Wir sehen mehr und mehr den Bedarf, dass wir Fachhochschulen eigenständige, praxisorientierte Doktoratsprogramme anbieten dürfen. Allein die Politik unterstützt dieses Ansinnen bislang nicht.“ Das schmerze besonders, da „die Entwicklung etwa bei unseren Mitbewerbern in Bayern genau in diese Richtung geht.“
Es ist nicht der einzige Bereich, in der von voranschreitender Professionalisierung gesprochen werden kann. „Die Forschung im österreichischen FH-Sektor ist in den letzten Jahren sehr stark gewachsen und hat sich entsprechend professionalisiert. Ähnlich wie an technischen Universitäten ist die Forschung dabei oft anwendungsbezogen und an der Lösung konkreter Probleme orientiert“, so Walter Mayrhofer, Forschungsleiter (Head of Research) an der FHWien der WKW. Die Koordination übernehmen bei vielen Projekten die Fachhochschulen – hier kann die Wirtschaftserfahrung vieler Forschender zugutekommen. Die Basisfinanzierung für Forschungsarbeit fehlt laut Mayrhofer bisher aber.
Das würde sich mit den Ministeriumsplänen wohl auch nicht ändern. Und so seien sich auch sämtliche österreichischen Fachhochschulen einig, dass der Entwicklungs- und Finanzierungsplan „eine Katastrophe“ sei, wie es Michael Heritsch, Geschäftsführer, FHWien der WKW formuliert: „Noch nie seit der Gründung des heimischen FH-Sektors vor rund 30 Jahren wurde uns ein dermaßen visionsloser, mutloser und rückschrittlicher Plan für die Zukunft der Fachhochschulen vorgelegt.“ Die Finanzierung reiche für die nächsten Jahre bzw. die 20 Zielsetzungen im Plan nicht aus – nicht einmal annähernd. Zwar gab es immer wieder Erhöhungen in der FH-Finanzierung im Laufe der Jahre; doch seit 1994 hat der Fördersatz um 40 Prozent an Wert verloren.
Dass nicht mit mehr Forschungsgeldern gerechnet werden kann, scheint auch im krassen Gegensatz dazu zu stehen, dass die Fachhochschulen zu angewandter Forschung und Entwicklung gesetzlich angehalten sind. Eine Schwächung von F&E sieht FH OÖ-Präsident Reisinger daher direkt als eine Schwächung der Wirtschaft, „vor allem der KMUs und der Startups“, habe sich die FH doch in der Vergangenheit hier eine qualifizierte Position erworben. „Den Fachhochschulen in Bayern, in Baden-Württemberg oder Hessen eröffnen sich neue Möglichkeiten. Das sind aber unsere Mitbewerber um Studierende, um Personal und um Forschungspartner“, konkretisiert er die Gefahr, nun ins Hintertreffen zu geraten.
Michael Heritsch, Geschäftsführer der FHWien der WKW, sieht so einen unweigerlichen Rückschritt auf die FH-Landschaft zukommen. Wie groß er ausfallen wird, werden die nächsten Jahre zeigen. Bis dahin bleibt, was bisher erreicht wurde. Ob der Zusammenschluss der FHWien der WKW und des Hernstein Instituts für Management und Leadership. Ob die Wahl der FH Joanneum als einzige österreichische Hochschule zur Teilnahme am Erasmus+-Projekt EU4DUAL – European University Alliance for Dual Education. Ob die insgesamt 480 neu kreierten Studienplätze der FHWN und der FH Krems im Bereich Biotechnologie. Oder an der FH Vorarlberg, stark gefördert vom Beschlägehersteller Blum, die neue Stiftungsprofessur Digitale Transformation.