Fabrik2021 : Future Proof

Fabrik2021-Wettbewerbsieger Kostwein, Pollmann, Tele Haase, BRP-Rotax, Gronbach
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Die zwei Cousins machten Nägel mit Köpfen. Setzten die geplante Expansion gen Mexiko in der Ära Trump kurzerhand auf Hold. Doch die Hummeln im Bauch der Pollmann-Eigentümer Markus und Robert, die den Waldviertler Automobilzulieferer in vierter Generation führen, sie blieben. Und so erfolgten heuer im Herbst die letzten Vorkehrungen für den Produktionsanlauf des Werks in San Miguel de Allende. Auf 5000 Quadratmetern werden dort mittlerweile Teile eines Auftrags des Schließsystemherstellers Kiekert zur Fertigung von Türschlossgehäusen für die Premiummarken BMW und Daimler - Jahresvolumen: 1,4 Millionen Stück - "in hoher Stückzahl produziert", schildert Manfred Jäger, der Standortleiter des Pollmann-Werks 2 in Vitis. Dass er so penibel über die Expansion Bescheid weiß, ist kein Zufall. Große Abschnitte der Montagelinien für Mexiko wurden im 2019 eröffneten Werk Vitis, das Fraunhofer Austria einem Härtetest unterzog, komplett hochgefahren und durchgecheckt. Längst sind die Anlagen abgebaut und per Container verfrachtet. Weil typengleich, hätten diese größeren Baugruppen vorübergehend auch auf den Spritzgießmaschinen mit 650 Tonnen Schließkraft im Waldviertel produziert werden können. Eine Backup-Lösung, die ihrem Namen Ehre gemacht hätte. 2020 eröffnet, ergänzen im Werk Vitis Shopfloor-Chic und höchste Fertigungsexzellenz einander vortrefflich. Die Kernachse der Digitalisierung? "Läuft durch Vitis", lobt die Wettbewerbsjury, die nach einem "Waldviertel 4.0" fahndete und auch tatsächlich eines fand.

Kräftemessen.

Exzellenz am Shopfloor, Sportsgeist, sowie unbändiger Wille zur Optimierung führte fünf Unternehmen ins Finale von Fabrik2021, Europas härtestem Produktionswettbewerb. Und so waren jene Produktionsfachleute aus ganz Österreich nicht nach Mils bei Imst angereist, um ein Domänen-Schwätzchen zu halten - sie wollten den Sieg. Also wurde es sportlich. Der heuer zum mittlerweile elften Mal von INDUSTRIEMAGAZIN und Fraunhofer Austria verliehene Produktionsaward war ein Aufeinandertreffen von Big Leaguern der Produktion, wie es seinesgleichen sucht: Die Produktionsmanager von BRP-Rotax, Kostwein Maschinenbau, Tele Haase Steuergeräte, Wilhelm Gronbach sowie Pollmann Austria glänzten allesamt vor der Jury - sei es durch perfekte Warenströme, tief verinnerlichtes Lean-Management oder Entrepreneurship am Shopfloor.

GESAMTSIEG + KATEGORIESIEG GREEN FACTORY

Pollmann Austria, Vitis: Die virtuosen Variantenfertiger

Das Waldviertel ist ein Ort zum Auftanken für Körper, Geist und Seele. Und auch ein guter Nährboden für feinste Produktionstechnik, wie man im Pollmann-Siegerwerk Vitis eindrucksvoll erlebt.

In einem nagelneuen Werk tritt man in Sachen Produktionstechnologie nicht mit der Zukunft des Gestern an. Das darf in einer Benchmarkschlacht wie der Fabrik2021 als kleiner Vorteil gewertet werden. Das Werk Vitis setzt denn auch Maßstäbe. Etwa beim digitalen Reifegrad. „Wir haben uns am Standort Vitis für sämtliche Entwicklungen der mittelbaren Zukunft gerüstet, ließ Robert Pollmann voriges Jahr wissen. In räumlicher Hinsicht: Karlstein ließ kein weiteres Wachstum zu. Aber auch in Sachen Technologie. Vitis sei als Antwort auf die Herausforderungen der digitalen Produktion zu verstehen, machte Pollmann klar. Anders sei industrielle Fertigung in Europa gar nicht vorstellbar, sagte Herbert Auer, CEO Pollmann International. Also wurden die automatisierten Produktionsanlagen von Werk 2 so ausgelegt, dass sie selbst unter härtesten Bedingungen internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern.

Tatsächlich, fand Fraunhofer Austria heraus, findet die ausgeklügelte Produkttechnologie der Waldviertler in Vitis ihren würdigen Bezugsrahmen. Die Prinzipien der schlanken Fertigung sind fester Bestandteil der Prozesslandschaft. Maschinendaten werden erfasst und Aufträge über MES, SAP und Warehousemanagement-Software an die Logistikarbeitsplätze durchgeschleust. Der hauseigene Anlagenbau automatisiert die Prozesse. Bei einer Produktionsmenge von jährlich rund 14,5 Millionen Bauteilen bewerkstelligt man eine hohe Fertigungsvarianz von 16 Varianten mit immerhin 64 Typen. Standardgeräte wie etwa sechsachsige Knickarmroboter oder Linearhandling bilden flexible und zugleich robuste Lösungen auf den fünf Spritzgießfertigungs- und zwei weiteren reinen Automatisierungslinien für beispielsweise das Setzen von Dioden oder Mikroschaltern.

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Und das vollautomatisierte Hochregallager gilt in Branchenkreisen als Benchmark für vergleichbare Logistikketten. Das 80 Meter lange, dreigassige Hochregallager mit seinen 5.500 Palettenplätzen, in dem zwei Regalbediengeräte auf zehn Ebenen bis zu 1.200 Palettenbewegungen täglich verrichten können, schindet Eindruck. Auch energetisch lassen die Waldviertler aufhorchen: Durch seine Nord-Süd-Ausrichtung und Nutzung aller Möglichkeiten zur Energierückführung ist für das gesamte Gebäude bei 24-Stunden-Produktionsauslastung keine externe Energie für Heizzwecke erforderlich. Der Standort Vitis wärmt sich in den kalten Monaten des Jahres also selbst.

Die Gesamtinvestition von 17 Millionen werde auf Jahre sichern, dass die Pollmann-Gruppe "ein Unternehmen mit Waldviertler DNA bleibt“, gab der Eigentümer voriges Jahr zu Protokoll. Pollmann sehe im 65.000 Quadratmeter großen Grundstück langfristig Perspektive. Weiterhin bleibt Karlstein als Headquarter das Zentrum für die technologischen Entwicklungen. Produziert werden dort kleinere Bauteile. Vitis - und San Miguel de Allende - legen den Fokus darüber.

KATEGORIESIEG SMART FACTORY

Wilhelm Gronbach: Die smarten Lean-Verfechter

Der Tiroler Gerätebauer Wilhelm Gronbach fertigt Kochfelder effizient wie Tier-2-Lieferanten Automotiveteile - das kann kein Zufall sein.

Wer in eine Formel gießen will, was das Räderwerk des Erfolgs des Geräteentwicklers und -fertigers Wilhelm Gronbach ausmacht, landet rasch bei den Stärken inhabergeführter Unternehmen. Niederndorf bei Kufstein - in eine malerische Landschaft am Inn gegossen - ist Standort des Tiroler Produktionswerks von Gronbach, einer Unternehmensgruppe, die sich einer stabilen Eigentümerstruktur erfreut: 70 Kilometer weiter nördlich, im Landkreis Rosenheim, übergab der Senior 2017 die Leitung des oberbayerischen Unternehmens nicht etwa an familienfremde Manager, sondern an die dritte Generation, seine Tochter Lina Gebhardt-Gronbach. Ein Umstand, der erfreuliche Folgeimplikationen hat, wie Florian Brunnhuber, der 2018 als Lean Manager und Prozessgestalter in das Unternehmen eintrat und heute Bereichsleiter Operational Excellence ist, erzählt: Wirbt der hiesige Standortchef, Alexander Weweck, um Themen wie Produktionsexzellenz oder Digitalisierung, findet er bei der Eigentümerfamilie Gehör. Folglich sind die Prozesse am Standort Niederndorf nicht nur - wie jene daraus resultierenden Endgeräte - tierisch schick, also state of the art. Sie unterliegen auch dem ständigen Wandel zum (noch) Besseren. Die Prinzipien des Toyota-Produktionssystems sind verinnerlicht, dies als Auftragsfertiger von Kochfeldern und Dunstabzügen für Abnehmer wie BORA - quasi Tür-an-Tür-Nachbar am Inn - oder Rational zu tun und eben nicht für Kunden aus der Automobilwelt, sehen die Tiroler keinesfalls als Widerspruch. Auch weil man nach Einführung des Lean-Gens vor etwa drei Jahren qualitativ "on track" - also hervorragend im Plan - liege, wie Brunnhuber erzählt. Externe Berter hätten dem Werk gar Werte eines Tier-2-Lieferanten der Automotive-Welt attestiert.

Vermutlich deshalb, weil der Methodenkoffer dank der Initiative von Weweck, Brunnhuber und dem dritten "Lean-Verfechter" (O-Ton Brunnhuber) im Bunde, dem Produktionsleiter Reinhard Osterauer, auch sonst auffallend gut gefülltist. Poka Yoke, das Konzept der ständigen Qualitätsverbesserung durch Vermeidung unbeabsichtigter Fehler, ist im Werk der Tiroler ebenso zu finden wie das Bekenntnis zu kurzen Wegen im System des Einzelstückflusses. Die Linien lassen sich multifunktional - also mit unterschiedlichsten Produktaufträgen - füttern. Und vieles fließt bereits im Wertstrom. Das Ziel: "Prozesse stets von Rampe zu Rampe zu betrachten", sagt Brunnhuber.

Bei der Automatisierungstechnik geht man in Niederndorf eigene Wege. Man automatisiert Prozesse nicht um jeden Preis. Das vorgelagerte Kleben und Fügen ist hochautomatisiert, Roboter - demnächst vielleicht sogar kollaborative, diese werden gerade evaluiert - finden hier Einsatz. Das Assemblieren erfolgt dagegen großteils manuell. Die digitale Werkerführung mittels Bildschirmen führt die Tiroler, die nach der flächenmäßigen Erweiterung 2018 schon an den nächsten Ausbauschritt denken, in die Null-Fehler-Zone.

Und wie schlägt sich der Standort Niederndorf im internen Divisionswettbewerb? Das zweite Werk innerhalb der Division Appliances im ostslowakischen Michalovce, ebenfalls auf Gerätebau spezialisiert, jedoch der Standort der Wahl für personalintensive Tätigkeiten wie Lasern, Abkanten und Pressen, sei flächenmäßig größer und biete "den größeren Expansionsspielraum". Doch beim Level der operationellen Exzellenz "sind wir am Inn weit voraus", sagt Brunnhuber.

KATEGORIESIEG EFFICIENT FACTORY

Kostwein Maschinenbau, Klagenfurt: Die beharrlichen Effizienzmehrer

Im Klagenfurter Kostwein-Werk ist die Effizienzsteigerung quasi Massensport. Das - und neue Geschäftsfelder - hält die Kernorganisation fit.

Sich Anregungen vom Shopfloor der Klagenfurter zu holen, trug schon in früheren Tagen das Prädikat empfehlenswert. 2012 und 2016 holte sich das Maschinenbauunternehmen den Fabriksieg, seither verfielen die Kärntner nicht in Lethargie. Dem launischen Wind der Krise - der Werkzeugmaschinenbau für Abnehmer aus dem Automobilbereich war zuletzt sicher kein Quotenheuler - stemmten sich die Kärntner mit neuen Geschäftsfeldern entgegen. Schon 2018,, "definierten wir in unserer strategischen Ausrichtung neue Wachstumssegmente im Bereich Pharma, aber auch Umwelt und Kreislaufwirtschaft", erzählt Hans Kostwein, der zusammen mit seiner Cousine Ulrike und Bruder Heinz sowie Peter Schlagbauer das Unternehmen in dritter Generation leitet. So packte man das Thema Co2-freies Plastikrecycling an. Ebenso liefen im Frühjahr Tests an mittlerweile ausgelieferten Maschinen an, auf welchen Produkte aus Zuckerrohrfasern statt Plastik unter anderem für die Fasfoodketten produziert werden sollen. Schritte, die Kostwein nicht als harte Disruption ansieht. Vielmehr findet man sich damit in der ureigenen Kernkompetenz wieder. Man übernimmt Produktion und Montage und erweitere diese Kompetenzen um "ausgefeilte Logistikkonzepte", sagt er. Auch die Generalüberholung von Maschinen trägt neuerdings stärker zum Wachstum des Unternehmens bei.

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Das Leitwerk in Klagenfurt stellt dabei das Herz der Unternehmensgruppe - Claim: "Maschinen für Weltmarkführer" - dar.650 Mitarbeiter fertigen auf 200 CNC Maschinen, 1050 verschiedene Aufträge pro Woche. Anschließend werden diese von 300 Mitarbeitern zu Komplettmaschinen für verschiedene Branchen des Maschinenbaus montiert. Technologische Neuerungen werden hier zuerst eingeführt, bevor Prozessverantwortliche diese auf die Schwesterwerke in Kroatien und Indien übertragen. Schon 2013 wurde die Qualitätsmanagementmethode EFQM verankert. Über die Linien ihrer synchronen Taktfertigung schleusten die Kärntner 2016 fünf unterschiedliche Verpackungsmaschinen in 300 Varianten über eine Montagelinie. Was hat sich seither getan? "Wir bringen unsere Lean-Konzepte durch Digitalisierung auf den nächsten Level", erzählt Kostwein.

Die Voraussetzungen dafür könnten nicht besser sein. Vier Vertreter der vierten Generation sind mittlerweile im Unternehmen tätig :Barbara Kostwein im Projektmanagment Stefan Kostwein ist für die Produktion und das Innovatiosmanagment verantwortlich, Michael Schrott Kostwein im HR Bereich und Philipp Schrott Kostwein hat die Verantwortung für die Softwareentwicklung. Der Fokus liegt auf Echtzeitdaten. Mit dem Datenvisualisierungstool Power BI sind sämtliche Prozessdaten - vom Einkauf bis zur Fertigung - durchgängig und einheitlich aufbereitet. "Das hat uns einen Riesensprung nach vorne gebracht", hört man im Unternehmen. Zugleich wurde erreicht, Verantwortung mehr und mehr zu dezentralisieren. "Damit sind wir meinem Traum, dass Gruppenleiter ihre Teams eigenverantwortlich als Unternehmer im Unternehmen führen, einen großen Schritt näher gekommen", sagt Kostwein. So würden diese die Entscheidungspfade in der Planung großteils selbst auswählen.

Zuletzt wurden im Kärntner Werk mit seinen konstant 100 Lehrlingen ebensoviele zusätzliche Mitarbeiter eingestellt, heuer wird das Wachstum zwischen 15 und 20 Prozent liegen. Weitere Mitarbeiter für die Produktion werden noch gesucht. Neben den Investitionen von rund zehn Millionen Euro in den Maschinenpark sind die Kärntner vor allem auf jene Investitionen in die Umwelt stolz: Geld fließt etwa in die Umstellung von einer Ölheizung auf Fernwärme sowie die Errichtung von Solaranlagen.

BRP-Rotax, Gunskirchen: Die agilen Taktfertiger

Der Antriebshersteller BRP-Rotax verzeichnet in seinem Werk Gunskirchen Rekordauslastung. Dank tierisch schicker Prozesse schmeißt man den Laden, wie es besser kaum gelingen könnte.

Schon die Fundamentaldaten sind zum Niederknien: Über 30 Prozent Volumenwachstum erwartet BRP-Rotax im Fiskaljahr 2022-23, der kritische Wert der Programmerfüllung im Gunskirchener Werk liegt aktuell bei 99 Prozent, also im absoluten Spitzenbereich. Der Boom des motorisierten Freizeitsportbereichs sichert dem Gunskirchener Motorenwerk BRP-Rotax und seinen aktuell über 1.500 Mitarbeitern seit Monaten rekordverdächtige Auslastung. Etwa zwei Drittel der in vier Linien am Standort produzierten Antriebe für BRP-Powersportfahrzeuge, Karts und Sportflugzeuge gehen nach Nordamerika, dort ist der Hang zur motorisierten Erlebnisfreude noch einmal ausgeprägter, die Nachfrage demzufolge "weiterhin ungebremst", schildert Gerald Greiner, Director Assembly & Central Services.

Der studierte Mechatroniker arbeitet seit 2017 im Produktionsbereich von BRP-Rotax, seit dem Vorjahr hat er die Produktionsleitung der Montage inne. Von so mancher Glanzstunde im Unternehmen, das sich Ende Juni der Evaluierung durch Fraunhofer Austria stellt, kann der 39-jährige "production guy" eindrücklich erzählen. So machte das Unternehmen die Einführung von sechs Business-Unit-Leitern, die ihre Teams als Entrepreneure am Shopfloor in kleinen agilen Einheiten steuern und crossfunktional die Qualität sowie die Planung weiterentwickeln, speziell in der Pandemie "um einiges reaktionsschneller", sagt Greiner.

Auch am Shopfloor - für Besucher ein Ort mit intensiver Erfahrungsebene - gelangen Riesenschritte. Fast mehrheitlich wurden die Produktionsmaschinen der im Vierschichtbetrieb genutzten Anlagen für Zwei- und Viertaktmotoren sukzessive an den Wertstrom angebunden. Im Zuge dieser Kontextverschiebungen fanden "250 Maschinen einen neuen, optimalen Stellplatz", schildert Greiner. Nun sei von der Fertigung bis zur Montage ein perfekter Warenstrom nach den Gesetzmäßigkeiten des One-piece-flow realisiert. Einer, der es Kunden ermöglicht, "bis kurz vor Fertigungsanlauf seine Order einzustellen", hört man in Gunskirchen.

Auch deshalb: Ein automatisiertes Pull-System trat im Vorjahr an die Stelle der bisher genutzten Kanban-Karten. "Bei uns wird alles gepullt und nichts mehr gepusht", sagt Marcus Baehr, Direktor Value Chain Planning and Control, BRP-Rotax. In andere Terme übersetzt heißt das auch: Maximale Werkerunterstützung. Jeder an der Linie weiß audiogestützt und dank direkter visueller Unterstützung am Bildschirm oder Tablet jederzeit, welcher Handgriff der nächste ist. Und die Liniensteuerung erkennt immer, welcher Motor einer Tranche sich wo befindet. So wird Material zum optimalen Zeitpunkt bereitgestellt. "Wir schraubten am für uns sehr wichtigen Parameter Flächennutzungsgrad", so Greiner.

Zugleich ist der Gunskirchener Standort aktuell Kulminationspunkt für Erweiterungsschritte. So wurden im Vorjahr die Produktionsflächen durch einen Zubau erweitert. Die Mitarbeiteranzahl hat sich vom letzten Jahr in Spitzenzeiten beinahe verdoppelt. Und eine weitere Plasmabeschichtungsanlage fand in den Maschinenpark. Auch mitunter abstrakt anmutende Technologien der Künstlichen Intelligenz werden in Gunskirchen lebendig. In der "Linie Süd" - hier werden Antriebe für On-Road-Roadster und Schneeschlitten montiert - erfolgt mithilfe von zwei kollaborierenden Robotern und Kamerassystemen über maschinelles Lernen die visuelle Schlusskontrolle. "Unser erster großer Praxiseinsatz von KI", sagt Gerald Greiner.

Auch die Prinzipien der schlanken Fertigung bleiben in Gunskirchen Teil des hier fest verankerten rationalen Zweckstrebens. Freilich nicht ungeachtet der neuen digitalen Möglichkeiten. So wurde unlängst ein VR-Assessment, eine Art Crashkurs für für Montagemitarbeiter im virtuellen Raum, geschaffen. Was nicht verschwiegen werden soll: Mit der Lösung setzten sich die Oberöstereicher kürzlich in einem VR-Wettbewerb gegen British Airways und US-Airforce durch.

Tele Haase Steuergeräte, Wien: Die flexiblen Variantenfertiger

Im Süden Wiens fertigt Tele Haase Zeit- und Überwachungsrelais und Netzschutzlösungen für das Who is who der Industrieelektronik. Cheflos - und höchst effizient.

Es sind Kennzahlen, die mit der Elektronikfertigung Vertraute mit der Zunge schnalzen lassen: Bei lediglich fünf ppm - also fünf Teilen pro produzierter Million - liegt die Fehlerrate der SMT-Bestückung des Elektronikfertigers Tele Haase. Wer also in der Vorarlberger Allee 38 am südlichsten Rand von Wien in die Welt des Steuergeräteherstellers Tele Haase eintritt, wird sich nicht wundern, einen Shopfloor der Sonderklasse vorzufinden. 12,3 Millionen Euro Jahresumsatz, 80 Mitarbeiter, Vertretungen in 60 Ländern und ein Geschäft, das maßgeblich auf zwei Standbeinen der industriellen Wertschöpfung aufsetzt: Neben den eigenen Elektronikprodukten, darunter Zeit- und Überwachungsrelais, Lastwächtern sowie Netz- und Anlagenschutzlösungen, zeigt man seit kurzem - befeuert durch ein internes Startup-Hub - auch als EMS-Dienstleister Flagge. Das Spektrum reicht von Beratung bei der Produktionsüberleitung bis hin zu kompletten Fertigungsservices. Ansetzen lässt sich aber schon davor, „und zwar bei der rein entwicklerischen Leistung“, wie Gerhard Sattler, fachlicher Verantwortlicher der SMT & THT-Bestückung und nach über 33 Jahren Unternehmenszugehörigkeit ein Urgestein der Firma, erzählt.

2012 verpasste sich das Unternehmen eine neue Unternehmensorganisation, die Mitarbeiter organisieren sich seither eigenverantwortlich, Entscheidungen werden in Kreisen und Teams getroffen, auch in der Produktion. Passend dazu entwickelt Tele Haase nun auch selbst Lösungen wie gemacht für das Zeitalter des Internets der Dinge. Und legte laut Sattler auch nach Ausbruch der Pandemie eine erstaunliche Entwicklung hin. Während andere Unternehmen an der Schmerzgrenze operieren, kletterten die abgerufenen Stückzahlen bei den Wienern um ein Drittel nach oben. Und obwohl, wie Kollege Bernhard Propper, fachlicher Verantwortlicher Einkauf und Logistik, leidvoll weiß, die Versorgungsicherheit bei Elektronikbauteilen angespannt ist (O-Ton: „Bei Elektronikkomponenten ist man mit 20 Wochen Lieferzeit noch gut bedient“), kam es heuer bis dato „noch zu keinem Lieferverzug“, sagt Sattler.

Wohl auch deshalb stellte sich der Steuergerätehersteller Ende Juni - der eigenen Stärken bewusst - der Evaluierung durch Fraunhofer Austria. 14.000 Geräte werden im Süden Wiens jede Woche produziert, die Losgröße reicht von Eins bis etwa 3.000.Die Fehlerraten sind - angesichts der hohen Anforderungen der Industrielektronikbranche - erwartbar gering, bei Serien von 3.000 Stück spricht man von 0,1 Fehlteilen pro Million produzierter Stück. Die digitale Vernetzung ist am Standort dabei von vitaler Bedeutung – schon in der Produktionsvorbereitung mit dem Anlegen von Projekten und Bauteilen im System. Hier werden beispielsweise Pick & Place-Files, Maschinenprogramme und Schablonen sowie Lötmasken digital erstellt. Ein Produktionsplanungssystem läuft bei jedem Auftrag im Hintergrund.

Bei der Serienproduktion geben automatisch-optische Inspektion digitale Dashboards Aufschluss über Kontaktfehler und nicht eingehaltene Toleranzen. An den beiden vollautomatischen SMT-Bestückungslinien werden 14.000 Bauteile pro Stunde gesetzt. „Durch Ersatzinvestitionen in neue Linien erreichen wir eine laufendene Performancesteigerung“, sagt Sattler. An den automatischen Fertigungslinien gilt das Gesetz der kurzen Wege, schließlich sichert man Kunden eine Lieferzeit von maximal sieben Wochen zu. „Leiterplatten, Lötpaste und SMT-Bauteile, alles findet sich hier in nächster Nähe“, sagt er.

Im nächsten Hallenabschnitt folgen händische THT-Bestückung, selektive Wellenlötanlage, Prüfung und Montage. Hier wird stückgenau kommissioniert, platziert und getestet. Die Mitarbeiter zeichnen sich dabei durch hohe Genauigkeit aus. Zudem sind sie versierte Kenner der gesamten Produktrange. „Sie können mehrheitlich alle unserer Produkte bestücken“, heißt es am Shopfloor.

Auch die Nachhaltigkeit großgeschrieben: Eine eben erst wieder erweiterte PV-Anlage auf dem Dach - "die größte, die Sie in Wien finden werden", wie Gabrijela Ponier vom Tele-Haase-Marketing erzählt, liefert Energie für die Klimaanlage der Produktion. Und sie deckt - mustergültig - etwa 30 Prozent des gesamten Energiebedarfs des Unternehmens.