Porträt : Thomas und Matthias Ebner, Leier Gruppe: Die Blutsbrüder
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Wer das Zurndorfer Betonfertigteilwerk der Leier Gruppe fußläufig erreichen will, sollte wetterfest gekleidet sein. Der Wind tost – und alles andere würde man dem Wetter hier übel nehmen: Am Eichenwald 1, einen Steinwurf von der ungarischen Grenze entfernt, wird erwartet, dass die Windräder sich drehen. Bis 2018 produzierte ein Anlagenbauer hier jene Türme, die Rotor und Rotorblätter tragen. 2020 übernahm Leier die Liegenschaft und adaptierte den Standort um 50 Millionen Euro. Mustergültig, wie Thomas Ebner, gemeinsam mit seinem um drei Jahre jüngeren Bruder Matthias seit Februar 2021 Mitglied der Geschäftsführung, konstatiert: "Selbst für unsere Begriffe ging das flott", schmunzelt er.
Österreich, Rumänien, Ungarn, Slowakei, Kroatien, Ukraine, Polen: Mit über 40 Standorten in Europa, sieben davon in Österreich, hat der Baustoffhersteller, 1965 von Osteuropapionier Michael Leier gegründet, den Eisernen Vorhang überwunden und das schnelle Integrieren neuer Standorte in die Gruppe perfektioniert.
Als Grundsatz gilt den Jungen dabei ausgerechnet jene Tugend des Großvaters, die dieser Anfang der Neunziger schon bei der Übernahme heruntergewirtschafteter, ehemals staatsnaher Betriebe im Osten beherzigte. Jener, mit aufpolierten Prozessen, Sauberkeit und Ordnung "ganz neue Welten" vor Ort zu schaffen. Den Optimismus, dass dem europäischen Projekt der Stabilität und Wohlstandssteigerung kein Rückschritt droht, lassen sich Thomas und Matthias Ebner, die in ihrer Jugend mit dem Großvater abenteuerliche Reisen gen Osten unternahmen, jedenfalls nicht rauben.
Um das zu unterstreichen, verweisen sie auf ein Investitionsvorhaben für 2023, das in der Schublade liegt. Und das, in der österreichisch-ungarischen Grenzregion angesiedelt, der Donauraumstrategie alle Ehre machen würde.
INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Ebner, es gibt gerade erbaulicheres als den Rohstoffeinkauf, oder?
Matthias Ebner: Es ist definitv eine herausfordernde Zeit. Unser zentraler Einkauf ist tagtäglich gefordert. Wir versuchen uns einzudecken, etwa mit Baustahl. Davon beziehen wir mehrere tausend Tonnen pro Jahr.
Den benötigen Sie in Ihrem Maschinenbau- und Metallverarbeitungsbetrieb, den Sie in der ungarischen Stadt Ács seit Mitte der Neunziger betreiben. Wollte der Gründer, Ihr Großvater Michael Leier, seinem Baustoffreich damit eine exotische Note verleihen?
Thomas Ebner: (lacht) Es war eher wirtschaftliches Kalkül. Der Betrieb mit heute 120 Mitarbeitern hatte seine Anfänge in einer ehemaligen Kolchose. Mittlerweile ist der Betrieb einer der führenden Metallbe- und -verarbeiter samt Maschinenbau in Ungarn. Auch deutsche Maschinenhersteller zählen wir zu unseren Kunden. Die überwiegende Mehrheit der produzierten Teile deckt jedoch den Eigenbedarf. Insofern ist es keine Liebhaberei. Die Entscheidung, in Maschinenbau und Metallware mitzumischen, ist betriebswirtschaftlich gedeckt.
Wo sourcen Sie im Baustoffbereich? Immer lokal im Markt?
Matthias Ebner: Exakt. Wir betreiben für den Baustoffbereich in Ungarn vier Schottergruben, unsere Werke in Westungarn sind damit rohstoffseitig komplett abgesichert. Vertriebsseitig können Sie um einen Produktionsstandort einen 200-Kilometer-Radius ziehen, diese Fläche ist dann abgedeckt. Dort, wo unsere Gewerke arbeiten, nutzen wir angrenzende Rohstoffvorkommen. Deren Nutzungsrechte sind auf Jahrzehnte gesichert.
Wo kostet Sie die Teuerungswelle Nerven?
Thomas Ebner: Es endet nicht bei Stahl. Lacke, Pulver, Speziallegierungen, Beschichtungen, Energie: Man könnte das Gefühl kriegen, alles wird in der Ukraine produziert. Und ist jetzt schlagartig verknappt. Es ist vieles zusammengekommen: die Viruspandemie, ein auf Grund gelaufenes Containerschiff im Suez, die Kriegswirren. Die aktuelle Situation ist nichts für Schönwetter-Kapitäne, sondern erfordert tagtäglich Flexibilität und Entscheidungswille.
Matthias Ebner: In solchen Zeiten ist es wichtig, sich nicht mit unnötigen Regularien selbst zu belasten und zusätzlich einzuengen. Da sind Familienunternehmen klar im Vorteil. Unsere Entscheidungswege sind kurz und unkompliziert, die flachen Hierarchien wissen auch unsere Mitarbeiter zu schätzen.
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Wie weit gelingt es, Pufferläger anzulegen, das nötigste an Vormaterialien, die womöglich bald noch teurer werden, zu bevorraten?
Matthias Ebner: Natürlich versuchen wir, uns aktuell größere Vorräte anzulegen. Wie hier in Zurndorf, unserer Fertigteilproduktion, in der wir die Mengen an gelagertem Baustahl in den vergangenen Wochen in die Höhe schraubten. Anders als vielleicht ein knallhart kalkulierender Großkonzern, legen wir uns dann eben Stahl ohne viel Bauchweh für vier oder fünf Monate auf Lager.
Im Frühjahr 2021 stiegen Sie beide, nach Jahrelangem Schaffen im Unternehmen, in den Kreis der Geschäftsführung der Leier Gruppe auf. Gingen Sie in dem Glauben ans Werk, nach einem pandemiebedingten Reaktionsjahr wieder in ein Aktionsjahr überzutreten?
Thomas Ebner: Bei uns ist eigentlich ständig Aktion gefordert (lacht).
Matthias Ebner: Ich bin seit sieben Jahren im Unternehmen tätig und es gab kein Jahr, das nicht ein Aktionsjahr war. Wir verzeichnen extremes Wachstum, investieren im Jahr zwischen 80 und 100 Millionen Euro. Unser Markt ist stark im Boomen. Dafür haben wir gut in unsere Kapazitäten investiert.
Wann wussten Sie, im Unternehmen der Familie tätig sein zu wollen?
Thomas Ebner: Ins Familienunternehmen wird man hineingeboren. Mit dem Kopf waren wir selbst dann im Unternehmen, als wir unsere Ausbildung absolvierten. Der Wunsch, einmal Teil der Geschäftsführung zu sein, war immer vorhanden.
Matthias Ebner: Scherzhalber sage ich: Ich bin jetzt 31 Jahre alt und 31 Jahre im Unternehmen. Als kleine Kinder waren die Werke für uns große Spielplätze. Unser Großvater nahm uns mit in unsere Niederlassungen in Ungarn. Das war für uns immer ein riesiges Abenteuer. Das begann schon bei der Passkontrolle an der Grenze. Jetzt ist zu hoffen, dass aus dem europäischen Projekt der Stabilität und Wohlstandssteigerung kein Rückschritt geschieht.
Thomas Ebner: Unser Großvater lebte das Unternehmertum sehr authentisch vor. Die Leistungsbereitschaft. Aber auch die Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeitern und dem Betrieb. So wollen auch wir wahrgenommen werden.
Gab es in Ihren jüngeren Jahren trotzdem einen Plan B? Ein Talent, das wert gewesen wäre, es weiterzuverfolgen?
Thomas Ebner: Ganz ehrlich, die Frage stellte sich mir nie.
Matthias Ebner: Natürlich lernten wir in den Ausbildungsjahren andere Unternehmen kennen und fanden die Tätigkeiten dort reizvoll. Aber im eigenen Familienbetrieb steht nun einmal der eigene Name über jedem Werk. Da weiß man, wofür man sich einsetzt. Wir haben rund 2.800 Mitarbeiter. Das sind 2.800 Familien, für die man also auch Verantwortung trägt. Das ist ein gutes Gefühl.
Wie würden Sie sich wechselseitig charakterisieren?
Thomas Ebner: Ich glaube, dass wir uns sehr gut ergänzen. Jeder von uns bringt Stärken ein, die optimal eingesetzt werden und uns davor bewahren, unnötiges Lehrgeld zu zahlen. Im operativen Geschäft haben wir uns die Tätigkeiten klar aufgeteilt, aber natürlich ist trotzdem jeder für alles Verantwortlich und mit unserem Großvater haben wir auch noch eine große Stütze und Erfahrungsschatz, auf den wir zurückgreifen können.
Matthias Ebner: Es eint uns, dass wir uns im Unternehmen bewähren mussten. Wir haben bei 33 Grad im Sommer Gehsteige gepflastert. Und wie unsere Mitarbeiter in der Produktion gearbeitet. Und natürlich haben wir Spezialisten überall im Unternehmen, die wir jederzeit etwas fragen können.
Thomas Ebner: Das ist auch die Kunst in einem Unternehmen mit über 40 Standorten in Europa und einem Produktportfolio, das selbst geschulte Verkäufer schwindelig macht: Den Überblick zu behalten.
Ihr Großvater gilt als Osteuropapionier, der über die Grenzen des Eisernen Vorhangs dachte. Wird Ihnen angesichts der geopolitischen Lage nicht bange um Ihr Zukunftsgeschäft?
Thomas Ebner: Im Gegenteil. Wir glauben fest an die Donauraumstrategie. Das ist unser Zuhause, das ist unser gemeinsamer Markt. Die meisten Länder haben eine ähnliche Kultur, ähnliche Werte und einfach auch Bedarf. Und das ist unsere große Chance. Für die unser Großvater mit einem breiten Portfolio, vom Dachziegel über den Betonfertigteil bis zum Gartenbaustoff, den Grundstein gelegt hat.
Matthias Ebner: Speziell hier im mittleren Burgenland sieht man, was zusammenwachsen heißt. Vor 30 Jahren war das Burgenland das Ende der Welt, am Rande des Eisernen Vorhangs. Heute gibt es keine europäischere Gegend als hier.
Werden Sie die Rückgänge bei der Kaufkraft demnächst spüren?
Thomas Ebner: Der Traum vom Eigenheim wird sich nicht verflüchtigen. Und in Osteuropa ist der Nachholbedarf beim Bauen und Wohnen groß. Insofern sind wir gelassen.
2014 schloss Ihr Unternehmen eine strategische Partnerschaft mit Ungarn. Die EU geht wegen möglichen Rechtsstaatsversagen gegen das Land vor. Sollte Ihnen das nicht Kopfzerbrechen machen?
Matthias Ebner: Wir versuchen, die Politik so gut als es geht aus dem Tagesgeschäft herauszuhalten. Aber natürlich hat man immer ein Auge auf gesellschaftliche Entwicklungen und Staatssysteme. Es muss Stabilität gewährleistet sein.
Sie betreiben seit 2015 in der Westukraine eine Niederlassung. Ein Riesenwerk wurde am Standort Uzhgorod aber nicht gerade aus dem Boden gestampft. Warum so zögerlich?
Matthias Ebner: Wir errichteten eine Halle und betreiben einen Handel von Baustoffen, der sich aus einer kleinen Produktion samt Veredelung speist. Aktuell ist der Betrieb nicht ausgesetzt. In der Ukraine fällt es uns nicht leicht, zu wirtschaften: Von der eingeschränkten Infrastruktur bis zur erschwerten Rohstoffsicherung. Wir waren vor drei Jahren in einem Bieterrennen um eine Produktionsstätte in Sumy. Hätten wir dort investiert, wäre jetzt alles verwüstet.
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2020 übernahm Leier das Ziegelwerk Siceram SA im rumänischen Sighișoara. Wo hätten Sie denn eigentlich vor Kriegsausbruch den nächsten Erweiterungsschritt vorgehabt?
Matthias Ebner: Für 2023 geplant war und ist weiterhin ein neues Werk im burgenländischen Frauenkirchen, grenznah zu Ungarn. Dafür liegen die Pläne in der Schublade. Es geht um einen Erweiterungsschritt im Segment Gartenbau und Baustoffe, den wir nach dem Kriegsausbruch nun auf den Prüfstand stellen. Aber ich bin zuversichtlich, womöglich wird es 2024.
Thomas Ebner: Und im südsteirischen Kirchbach planen wir die Errichtung eines Betonwerks für Garten- und Hochbauprodukte. Der Baustart soll noch heuer erfolgen.
Wie läuft denn bei Leier eine Übernahme – immer nach dem selben Schema?
Matthias Ebner: Ordnung und Sauberkeit sind unsere Grundprinzipien. Diese haben auch bei zugekauften Unternehmen Gültigkeit. Auch wenn sich die Arbeiter anfangs vielleicht beschweren, dass sie vor lauter Putzen nicht zum Arbeiten kommen. Wir schaffen – mitunter aus ehemals staatlich geführten Betrieben – eine ganz neue Welt. Und die Mitarbeiter schätzen und honorieren es.
ZUR PERSON
Thomas Ebner, 35,
ist seit Februar 2021 Geschäftsführer der Leier Gruppe. Der Gründerenkel absolvierte sein Studium (International Management/CEMS) an der WU Wien und gilt nach zahlreichen internen und externen Praktika seit 2014 als fixer Bestandteil im Familienunternehmen. Zunächst im Verkaufsinnendienst, später im Fertigteilbereich tätig, managt er heute unter anderem das Rumänien- und Österreichgeschäft. Ebner T. agiert vom Stammwerk und Firmensitz im burgenländischen Horitschon aus. Er ist verheiratet und erwartet im Sommer sein zweites Kind. Privat gilt er als begeisterter Sportler und naturverbundener Mensch.
Matthias Ebner, 31,
ist seit Februar 2021 Geschäftsführer der Leier Gruppe. Der Gründerenkel hat seinen Dienstort im operativen Headquarter in Győr, wo er auch lebt. Von dort aus ist er vor allem für die Märkte Ungarn, Koriatien und Slowakei verantwortlich. Nach abgeschlossenem Studium am IMC Krems (International Business and Export Management) und diversen Praktika im In- und Ausland, stieg er 2014 in den Familienbetrieb ein. Anfangs noch in der Logistikabteilung, später im Verkauf und zahlreichen anderen Positionen durfte er sich im Unternehmen beweisen. Außerdem ist er immer wieder auch als Pilot mit dem firmeneigenen Helikopter unterwegs. Ebner ist verheiratet, privat verbringt er gerne Zeit mit seiner Frau und Hündin Fecske.
ZUM UNTERNEHMEN
Die auf die Produktion zementgebundener und keramischer Baustoffe sowie Metallbearbeitung und Maschinenbau spezialisierte Leier Gruppe mit Sitz im burgenländischen Horitschon erwirtschaftete 2020 einen Umsatz von über 300 Millionen Euro. An über 40 operativen Standorten innerhalb Europas, davon sieben in Österreich, beschäftigt das 1965 von Michael Leier gegründete Unternehmen heute über 2.800 Mitarbeiter. Leier investiert pro Jahr zwischen 80 und 100 Millionen Euro in seine Standorte. Zuletzt wurde das Werk in Zurndorf, einem früheren Produktionsstandort des Windkraftanlagenbauers Enercon, um 50 Millionen Euro adaptiert.