Unshell-Richtlinie : EU geht gegen substanzlose Holdinggesellschaften vor

Matthias Mitterlehner ICON

Matthias Mitterlehner, Partner, Head of International Tax und Steuerberater ICON Wirtschaftstreuhand

- © ROBERT MAYBACH

Mit einem am 22.12.2021 veröffentlichten Richtlinienvorschlag (Anti Tax Avoidance Directive 3 – ATAD 3) will die Europäische Kommission Steuerumgehung durch Einschaltung sogenannter Briefkastengesellschaften („shell entities“) entgegentreten. Neben der Aberkennung der steuerlichen Abschirmwirkung und der Versagung von Vorteilen aus DBA und EU-Richtlinien können andere EU-Mitgliedsstaaten eine Betriebsprüfung der betroffenen Gesellschaft beantragen.

"Bestehende Gesellschaftsstrukturen sollten im Hinblick auf substanzlose EU-Holdinggesellschaften überprüft und allenfalls umstrukturiert werden."
Mag. Matthias Mitterlehner, Partner, Head of International Tax und Steuerberater ICON Wirtschaftstreuhand

Die betroffenen Unternehmen

ATAD 3 ist ungeachtet der Rechtsform auf in EU-Mitgliedsstaaten ansässige Unternehmen anwendbar, ausgenommen steuerlich transparent behandelte Gebilde (zB Personengesellschaften). Es gibt keine Mindestgröße und auch Unternehmen von Privatpersonen sind betroffen. Ausgenommen sind börsennotierte Unternehmen, regulierte Finanzunternehmen und Unternehmen, deren Haupttätigkeit im Halten von Anteilen an operativen Unternehmen im selben Mitgliedstaat besteht, während ihre wirtschaftlichen Eigentümer auch in demselben Mitgliedstaat steuerlich ansässig sind. Außerdem Unternehmen mit Beteiligungen, die steuerlich in demselben Mitgliedstaat ansässig sind wie die Anteilseigner des Unternehmens oder die oberste Muttergesellschaft sowie Unternehmen, die ihre Tätigkeiten mit mindestens fünf Arbeitnehmern (Vollzeitäquivalenz) ausüben.

Vorliegen einer Berichtspflicht


Unternehmen, welche die folgenden Kriterien erfüllen unterliegen im Rahmen der Steuererklärung einer zusätzlichen Berichtspflicht: mehr als 75% der Einkünfte der letzten beiden Steuerjahre stammen aus „relevanten Einkünften“ (ua Passiveinkünfte (zB Zinsen, Lizenzgebühren), Erträge aus Kryptowerten, Einkünfte aus unbeweglichem Vermögen oder Einkünfte aus für private Zwecke gehaltenem beweglichen Vermögen), das Unternehmen ist grenzüberschreitend tätig und die Geschäftsführung wurde in den vergangenen 2 Jahren ausgelagert. Sind diese drei Kriterien erfüllt, sind in der Steuererklärung Angaben zur Erfüllung der folgenden Substanzkriterien zu machen (Substanztest):

Dem Unternehmen stehen im Ansässigkeitsstaat Einrichtungen zur ausschließlichen Nutzung zur Verfügung.
Das Unternehmen hat zumindest ein eigenes und aktives Bankkonto innerhalb der EU.
Mindestens ein Geschäftsführer oder die Mehrheit der für das Unternehmen tätigen Arbeitnehmer (Vollzeitbasis) sind im gleichen Staat wie das Unternehmen ansässig, oder in der Nähe wohnhaft.
Wird eines dieser Kriterien nicht erfüllt, gilt die widerlegbare Vermutung bestehender Substanzlosigkeit. Bei fehlendem Steuervorteil durch und dem Bestehen wirtschaftlicher Gründe für die Zwischenschaltung der EU-Holdinggesellschaft kann eine fünfjährige Befreiung von der Berichtspflicht beantragt werden.

Konsequenzen der Einstufung als substanzloses Unternehmen


Wird der Substanztest nicht bestanden, so gelten die Einkünfte des Unternehmens als direkt den wirtschaftlichen Eigentümern zugeflossen. Das Unternehmen kann außerdem DBA, die Mutter-Tochter- sowie die Zinsen- und Lizenzgebührenrichtlinie im Verhältnis zu anderen Mitgliedsstaaten nicht anwenden. Dem Unternehmen wird darüber hinaus keine oder nur eine eingeschränkte Ansässigkeitsbescheinigung ausgestellt.

Der Richtlinienvorschlag soll von den EU-Mitgliedsstaaten bis 30.6.2023 in nationales Recht übernommen werden und ab 1.1.2024 Anwendung finden. Aufgrund des zweijährigen Betrachtungszeitraumes bei den relevanten Einkünften und der Auslagerung der Geschäftsführung, besteht unmittelbarer Handlungsbedarf. Bestehende Gesellschaftsstrukturen sollten im Hinblick auf substanzlose EU-Holdinggesellschaften überprüft und allenfalls umstrukturiert werden. Angemerkt sei, dass die EU aktuell an einem Richtlinienvorschlag für substanzlose Unternehmen in Drittstaaten arbeitet.

Mag. Matthias Mitterlehner ist Partner, Head of International Tax und Steuerberater bei der ICON Wirtschaftstreuhand GmbH.