Österreich Insolvenzwelle 2024 : „Sie brauchen gutes Risikomanagement“, Michael Kolb von Acredia zur Pleitewelle in der Industrie
In Österreichs Industrie ist das Insolvenzgeschehen derzeit durchaus dynamisch. In den ersten drei Quartalen 2023 mussten 117 Unternehmen im Bereich der Warenproduktion Insolvenz anmelden. Das sind +8,3% gegenüber dem Vorjahreszeitraum, wie der Kreditversicherer Acredia errechnete.
Der Höhepunkt der Insolvenzwelle scheint in Österreich erreicht. Nach einem starken Anstieg von +57% im letzten Jahr, erwarten Experten dieses Jahr nur noch ein Plus von +10% bei der Anzahl von zahlungsunfähigen Unternehmen. Das sind etwa 5.250 Firmenpleiten. Damit liegen die Insolvenzzahlen bei den Unternehmen um +5 Prozent über dem Niveau vor der Pandemie im Jahr 2019.
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Da immer mehr Unternehmen in Konkurs gehen, beobachtet das Industriemagazin die aktuelle wirtschaftliche Lage in Österreich und informiert stets über die aktuellen Konkurse in Österreich sowie über anstehende Insolvenzen und Insolvenzenwellen in den einzelnen Bundesländern.
Das ist eine Liste von Firmennamen, die die größten Insolvenzen in Österreich sind (einschließlich Privatkonkurse) sowie die Situation in den Bundesländern:
Top 10 Insolvenzen in Österreich: So war 2022, so wird 2023.
Insolvenzprognose 2024: Risiko für Österreichs Handelspartner steigt
International wird eine Verschärfung der Lage erwartet: Mehr als die Hälfte der für Österreich wichtigen Exportländer wird voraussichtlich große, zweistellige Zuwächse verzeichnen. Für Deutschland und Italien, den beiden wichtigsten Handelspartnern, wird ein zweistelliger Anstieg der Pleiten erwartet – allerdings noch unter dem Niveau von 2019. Österreichs drittwichtigster Handelspartner, die USA erwartet ein Plus von 47 Prozent, die Niederlande sogar ein Plus von 59 Prozent, wie aus der Insolvenzprognose von Acredia für 2024 hervorgeht.
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Gründe für den erwarteten starken Anstieg nach dem Ende der weltweiten Coronahilfen sind sinkende Liquiditätsreserven und abnehmende Rentabilität durch schwächere Nachfrage. Zudem leiden Unternehmen unter Schwierigkeiten, die steigenden Kosten weiterzugeben. Da Bankkredite für KMUs bereits knapper und jedenfalls teurer werden, werden sogenannte Lieferantenkredite zunehmend ausgeschöpft: Weltweit warten 47 Prozent der Unternehmen mittlerweile über 60 Tage, bis ihre offenen Forderungen bezahlt werden, berechneten die Experten des Kreditversicherers Acredia. Ein zusätzlicher Tag Zahlungsverzug entspricht in der EU einer Finanzierungslücke von beinahe 87 Milliarden Euro. Das Eintreiben offener Forderungen könnte für Unternehmen in Zukunft zu einer noch stärkeren Herausforderung werden.
Viele Unternehmen machen den Fehler, sie schauen auf ihre eigenen Erfahrungen, auf die eigenen Zahlungserfahrungen mit den Kunden aus der Historie. Das mag lange Zeit funktioniert haben, ist aber nur eine relativ begrenzte Sichtweise.Michael Kolb, Vorstand Acredia Versicherungs AG
Insolvenzwelle 2024? - Ein Blick auf die Prognose von Michael Kolb
Industriemagazin (IM): Herr Kolb, Sie haben Anfang November die Insolvenzprognose 2024 veröffentlicht. Die gibt ein scheinbar uneinheitliches Bild, aber in den Haupt-Export- und Importländern der Industrie verschärft sich die Situation. Kommt jetzt so etwas wie eine Insolvenzwelle auf uns zu?
Michael Kolb (MK): Die Unternehmensinsolvenzen steigen teilweise wirklich sehr stark an, sehr unterschiedlich. Man darf aber nicht außer Acht lassen, dass wir davon ausgehen, dass bis Ende des Jahres drei von fünf Ländern erst auf dem Niveau von 2019 sind. Österreich sieht es ein bisschen anders aus. Wir sind bereits dieses Jahr auf dem Niveau von 2019, weil wir letztes Jahr einen sprunghaften Anstieg hatten. Dafür ist es dieses Jahr so, dass wir uns bei plus 10 Prozent deutlich stabilisiert haben.
IM: Warum ist das so? Warum ist das Bild eigentlich in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich gezeichnet?
MK: Das kommt daher, dass die Corona-Hilfen in den unterschiedlichen Ländern unterschiedlich gestaltet waren. Und das hat natürlich dann zur Auswirkung, dass der Auslaufeffekt auch entsprechend unterschiedlich ist. Wir gehen davon aus, dass sich das in der nächsten Zeit eben wieder einpendeln wird. Manche Länder waren letztes Jahr schon stark, manche Länder sind dieses Jahr stark. Nächstes Jahr werden dann alle wieder auf einem etwa gleichmäßigen Niveau sein.
IM: Wie kann ich die finanzielle Stabilität meiner Kunden und Lieferanten in der derzeitigen Situation eigentlich besser einschätzen?
MK: Naja, viele Unternehmen machen den Fehler, sie gucken auf ihre eigenen Erfahrungen, auf die eigenen Zahlungserfahrungen mit den Kunden aus der Historie. Das mag lange Zeit funktioniert haben, ist aber nur eine relativ begrenzte Sichtweise. Weil: vielleicht wird Ihre Rechnung bezahlt, nicht aber die Rechnung für die Gebäudereinigung. Und das sind dann eben die Auslöser der Daten. Und da kann man sich natürlich ganz einfach helfen mit einem Bonitätscheck.
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IM: Wie bereite ich mich als Kunde oder Lieferant auf die jetzt dann doch angespanntere Finanzierungslage vor?
MK: Sie brauchen auf jeden Fall gutes Risikomanagement. Sie müssen die Risiken in Ihrem Unternehmen, egal ob auf Lieferanten-, Abnehmerseite, Finanzierung, im Blick haben. Die schlechteste Option ist, den Kopf in den Sand zu stecken und zu denken, das geht vorbei. Das ist immer schief gegangen und am Ende des Tages freut sich dann die Konkurrenz.
IM: Sie haben es im Vorgespräch angekündigt oder im Vorgespräch erwähnt, Risikoanalyse, das ist auch Ihr Job. Was tun Sie da?
MK: Naja, wir bieten im Wesentlichen Risikoanalyse für unsere Kunden an. Das heißt, wir prüfen deren Abnehmer. Wir haben eine Datenbank mit 83 Millionen Unternehmen weltweit, die wir im regelmäßigen Turnus überprüfen. Eben auch die gesagte Zahlungserfahrung: Werden irgendwelche Rechnungen nicht bezahlt? Das ist unser Frühwarnsystem. Das unterscheidet uns auch von klassischen anderen Methoden. Und wir geben unseren Kunden dann den Hinweis, mit dem kannst du Geschäft machen oder mit dem lässt du es besser sein. Oder du hast einfach andere Zahlungskonditionen. Man kann ja trotzdem mit schwächelnden Unternehmen Geschäfte machen, aber dann eben mit anderen Konditionen. Vorkasse, was es auch sonst so alles gibt. Und das Sahnehäubchen obendrauf. Wenn dann die Rechnung trotzdem nicht bezahlt wird, obwohl wir gesagt haben, dass es in Ordnung ist, mit dem Unternehmen Geschäfte zu machen, dann bezahlen wir die Rechnung anstatt Ihres Kunden.
IM: Das wäre meine nächste Frage gewesen: Eine der Möglichkeiten der Absicherung wäre eine Kreditversicherung. Wie funktioniert das, gilt das für einzelne Projekte, Kundengruppen oder Kunden? Und was kostet das?
MK: Also grundsätzlich geht es für alle Themen, die Sie haben. Sie können also Ihren gesamten Umsatz absichern. Sie können einzelne Projekte absichern oder auch nur Teile. Länder zum Beispiel. Und da das so individuell geschnitten ist, ist ein Pauschalpreis nicht machbar, weil wir uns wirklich am Bedarf des Unternehmens ausrichten. Und eben gucken, dass es zum Unternehmen passt. Das ist ganz wichtig.
IM: Spüren Sie jetzt schon ein größeres Interesse an Ihren Produkten?
MK: Wir spüren ein größeres Interesse, definitiv. Die Nachfrage ist gestiegen. Im Augenblick haben aber die Unternehmer teilweise wirklich andere Sorgen, die schlagend sind, die schon auf dem Tisch liegen. Höhere Energiepreise, höhere Lohnkosten und was es sonst so alles gibt. Finanzierungskosten, die steigen. Und da treten Dinge, die noch nicht so relevant sind, also wenn ich noch keinen Ausfall hatte, meistens einen Schritt zurück. Man kümmert sich um die Dinge, die schon auf dem Tisch liegen, die man sofort lösen muss.