Digitalisierte Produktionen : Fertigung und Monitoring aus der Ferne – wenn Digitalisierung bitter nötig wird

Digitalisierung Industrie
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Die Beflügelung der Digitalisierung in den letzten zwei Jahren könnte man sich ungefähr so vorstellen: Ein Marathonläufer bekommt in einem entscheidenden Abschnitt eine Wasserflasche gereicht und wird angefeuert – da legt er plötzlich einen Sprint hin.

Anders gesagt: Ja, die Digitalisierung war schon lange unterwegs. Bei manchen Unternehmen noch in den Startlöchern oder beim Aufwärmen, während andere die Zielgerade schon im Blickfeld hatten. Aber für viele Betriebe wurde durch die Pandemie klar: Wir müssen das beschleunigen. Plötzlich wurden ganze Werke digital.

Beispiel Siemens. In Wien Floridsdorf hat Simea, eine Gesellschaft zur Fertigung elektronischer Komponenten und Bereich von Siemens Österreich – ihren Standort. „China hat den Aufholprozess gestartet“, erzählt CEO Stefan Petsch. Während andere Betriebe ihre Prozesse wegen sinkender Nachfrage und Sicherheitsbedenken während Corona drosseln mussten, kam für Simea schlagartig eine höhere Nachfrage aus Asien.

„Durch den Wegfall von Shared Devices haben wir dramatisch geringere Infektionsrisiken.“
Patrick-Benjamin Bök

Keine harten Konfigurationen

So konnte der Hersteller für Industrieelektronik am geplanten Jahresausstoß von viereinhalb Millionen Stück Geräten und Flachbaugruppen festhalten sowie auf Kurzarbeit verzichten.

Doch ohne Digitalisierung wäre das nicht gegangen. Denn die Fertigung wurde digital aus der Ferne gesteuert. Die Kopplung cyberphysikalischer Produktionsmodule, die sich untereinander flexibel verbinden, gewinne am Standort gegenüber den „harten Konfigurationen“ an Relevanz, so Petsch. 2007 hat Siemens mit dem Zukauf des texanischen Software-Herstellers UGS sein Portfolio an Software gestärkt. Und mit der so möglich gemachten digitalen Spiegelung von Fabrikprozessen lassen sich nicht nur Mitarbeiter an Maschinen anordnen, um möglichst hohe Auslastung zu schaffen.

Genauso gut kann eine Anordnung auch nach dem Gesichtspunkt der Gesundheit erfolgen. So wird etwa die Belegung von Produktionsmaschinen simuliert, um Mitarbeiter einer Risikogruppe möglichst zu schützen. Und trotzdem wird ein Produktivitätsmaximum erreicht.

zwei Maplan Mitarbeiter am Bildschirm im Werk
Bei Maplan führen Störungen in den Lieferketten dazu, dass sich mehrmals täglich Ein- und Ausgänge ändern. Digitalisierung ist hier ein Lifesaver. - © YouTube/ MAPLAN GmbH
„In kürzester Zeit können wir die Reihenfolge bei Fertigung und Auslieferung von Maschinen switchen."
Oswald Steinbauer

Wege einsparen und Sharing vermeiden

Wechsel nach Thüringen, zum Produktionswerk von Weidmüller, einem Unternehmen für Industrieautomatisierung. „Wir haben Wege ohne Ende ausgespart“, erzählt Patrick-Benjamin Bök, der Digitalisierungsspezialist im Konzern. In der Montage erfolgt die Mengenbuchung oder das Melden von Ausschuss an den Stationen durch Mitarbeiter mithilfe eines direkten MES-Zugriffs über Tablets. „Durch den Wegfall von Shared Devices haben wir dramatisch geringere Infektionsrisiken“, so Bök. Und auch in der Spritzgießfertigung behält man durch Fernzugriff auf Maschinenparamater die Kontrolle.

Bei Maplan, einem Hersteller von Elastomer-Spritzgießmaschinen mit Sitz in Kottingbrunn, führen Störungen in den Lieferketten dazu, dass sich mehrmals täglich Ein- und Ausgänge ändern. Darum setzt man hier auf ein Tool zur Produktionsplanung. „In kürzester Zeit - und auch aus dem Homeoffice – können wir die Reihenfolge bei Fertigung und Auslieferung von Maschinen jederzeit switchen“, erklärt Werksleiter Oswald Steinbauer.

Schon ein paar Jahre mehr Erfahrung in diesen Dingen hat Melecs. Der österreichische EMS-Dienstleister hat Sitze in Wien, Siegendorf und Lenzing – aber auch Werke in Ungarn, China und Mexiko. 2015 wurde das chinesische Werk bereits eröffnet, das mexikanische folgte 2020. Wegen Reisewarnungen des Außenministeriums mussten die Adaptierungen der Produktionsprozesse dann vom Burgenland bzw. sogar vom Homeoffice unterstützt werden.

Noch weiter weg ging kaum. Trotz der siebenstündigen Zeitverschiebung hat nicht nur die Inbetriebnahme eines neuen IT-Systems für die Produktionslinien geklappt; sogar das Monitoring in Echtzeit der mexikanischen Produktion sei möglich gewesen, so Georg Loisel von Melecs.

Loisel Melecs
Aus dem Homeoffice steuerte Melecs den Produktanlauf im mexikanischen Werk in Echtzeit, erzählt Georg Loisel. - © Melecs