Studie : Aus Angst vor Lieferengpässen: Unternehmen holen Produktion zurück nach Europa

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So stellt sich KI die Reindustrialisierung Europas vor

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In Europa und den USA hat die Reorganisation globaler Lieferketten und Produktionskapazitäten mit dem Ziel, diese näher an die heimischen Märkte heranzubringen, an Dynamik gewonnen. Laut einer aktuellen Studie des Capgemini-Forschungsinstituts mit dem Titel "Die Renaissance der Fertigung: Reindustrialisierungsstrategien in Europa und den USA" haben 47 Prozent der großen europäischen und amerikanischen Unternehmen bereits in die Verlagerung ihrer Produktion investiert und 72 Prozent entwickeln derzeit Reindustrialisierungsstrategien oder haben diese bereits umgesetzt.

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Insgesamt wollten die Unternehmen in den kommenden drei Jahren 3,4 Billionen US-Dollar (3,2 Billionen Euro) investieren, um neue Produktionskapazitäten in der Nähe ihres Heimatlandes aufzubauen, heißt es in der Studie weiter. Mehr als die Hälfte davon (zwei Billionen US-Dollar) entfalle auf Europa. Allein auf Deutschland entfielen 673 Milliarden US-Dollar (633 Milliarden Euro). Für die Studie befragte Capgemini im Februar 1.300 Führungskräfte europäischer und amerikanischer Großunternehmen.

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Subventionen für Investitionen spielen Rolle

In Europa und den USA wird zunehmend in die Rückverlagerung der Produktion in den Heimatmarkt (Reshoring), in ein Nachbarland (Nearshoring), in die Produktion vor Ort sowie in den Bau oder die Modernisierung von Produktionsanlagen investiert. Ziel ist es, die Position der Unternehmen gegenüber Störungen widerstandsfähiger zu machen. Der größte Teil dieser Mittel fließt in Initiativen, die auf den Markt ausgerichtet sind, in dem die Unternehmen ihren Sitz haben. Die Studie geht davon aus, dass Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Rohstoffknappheit und fehlende Anreize dennoch vermehrt zu kurzfristigen Investitionen außerhalb des Heimatmarktes führen werden. Diese erfolgen dann vor allem als Nearshoring und verlagern Kapazitäten in politisch und wirtschaftlich verbündete Länder (Friendshoring).

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Die Unternehmen nannten die Erfahrungen mit Lieferengpässen in den vergangenen Jahren als Hauptgrund für die Rückverlagerung von Produktionsstätten. Für 70 Prozent der befragten Managerinnen und Manager ist der Wunsch nach einer besseren Absicherung gegen Störungen und Verzögerungen in der Lieferkette der wichtigste Faktor. Zuletzt hatten vor allem die Angriffe der Huthi-Milizen auf Schiffe im Roten Meer Verzögerungen bei der Lieferung von Teilen aus Asien nach Europa zur Folge. Dies führte dazu, dass das Tesla-Werk in Deutschland seine Produktion vorübergehend einstellen musste.

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Neben wirtschaftlichen und operativen Vorteilen bietet die Reindustrialisierung den Unternehmen auch die Möglichkeit, ihre Klimaziele besser zu erreichen, so die Studie. So geht die Mehrheit der befragten Unternehmen davon aus, dass sie ihren CO2-Fußabdruck in den nächsten drei Jahren im Durchschnitt um 13,6 Prozent reduzieren können. Für 49 Prozent der Befragten spielten zudem staatliche Anreize und Subventionen eine Rolle, mit denen vor allem die USA um Investitionen werben. Für die Ansiedlung von Batterie- und Chipfabriken hat auch Deutschland zuletzt hohe Subventionen gewährt.

Der Erfolg von Reindustrialisierungsinitiativen ist maßgeblich dadurch bestimmt, wie gut die Marktteilnehmer das Spannungsfeld zwischen operativen Prozessen, Nachhaltigkeitsanforderungen und Gesellschaft beherrschen. Darüber hinaus sind die von der Politik definierten Rahmenbedingungen ein ausschlaggebender Faktor. Unternehmen benötigen jetzt eine Strategie und einen Umsetzungsfahrplan wie sie die Vorteile der Reindustrialisierung nutzen können, um die eigene Marktposition zu stärken.
Christian Michalak, Supply Chain Experte von Capgemini Invent

Gigafabriken als Schlüsselelement

Für 70 Prozent der befragten Unternehmen ist eine widerstandsfähige Lieferkette der wichtigste Faktor für die Reindustrialisierung. Die Mehrheit der Unternehmen (55 Prozent) ist optimistisch, dass die Reindustrialisierung ihrem Unternehmen helfen wird, seine Klimaziele zu erreichen. Dies gilt insbesondere für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen nach Scope 3. 63 Prozent der Unternehmen sind zudem davon überzeugt, dass die heimische Produktion strategisch wichtig ist, um die nationale Sicherheit zu gewährleisten. Rund 62 Prozent aller befragten Unternehmen gehen davon aus, dass ihre Bedeutung in strategischen Bereichen wie Elektrofahrzeuge, Medikamente und Impfstoffe sowie Halbleiter in Zukunft zunehmen wird.

62 Prozent aller befragten Unternehmen investieren im Rahmen ihrer Initiativen zur Reindustrialisierung in Technologien, die einen Beitrag zur Verbesserung der Nachhaltigkeit leisten. Als Schlüsselelement auf dem Weg zu einer nachhaltigen Reindustrialisierung werden Gigafabriken gesehen. Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Automobil-, Batterie- und Energiemanager gaben an, dass ihr Unternehmen eine Gigafabrik baut oder in den nächsten fünf Jahren plant.

Das Capgemini Research Institute befragte in den USA, im Vereinigten Königreich und in Europa (Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Skandinavien und Spanien) 1.300 Führungskräfte von Unternehmen mit einem Jahresumsatz von über 1 Mrd. USD. Die Unternehmen waren in 13 wichtigen Sektoren der Industrie und des verarbeitenden Gewerbes tätig. Die befragten Führungskräfte befinden sich auf der Ebene des Geschäftsführers und sind in einer Vielzahl von Geschäfts-, Technologie- und Produktionsfunktionen tätig. Die weltweite Umfrage fand im Februar 2024 statt.