Halbleiterindustrie Österreich : AT&S startet Serienfertigung für AMD in Malaysia: "Daten sind das neue Gold"

Der steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat am im malaysischen Kulim die Großserienfertigung für den US-Chiphersteller AMD in seinem 2024 eröffneten Werk gestartet. Im Bild: (v.l.) AT&S-Vorstandsmitglied Ingolf Schröder und Suan See Yap (Country Managerin Malaysia).
- © APA/INGRID KORNBERGERDer steirische Leiterplattenhersteller AT&S hat im malaysischen Kulim offiziell die Großserienproduktion von IC-Substraten für den US-amerikanischen Chiphersteller AMD aufgenommen. Die Fertigung erfolgt im neuen Werk, das Anfang 2024 eröffnet wurde. Damit setzt AT&S einen bedeutenden Schritt im Rahmen seiner globalen Expansionsstrategie.
>>> AT&S stärkt seine Präsenz in Korea
„AT&S ist auf dem Weg, einer der drei größten IC-Substratanbieter weltweit zu werden“, erklärte AT&S-Vorstandsmitglied Ingolf Schröder bei einer Pressekonferenz vor Ort. Derzeit beschäftigt das Unternehmen rund 1.500 Mitarbeitende in Malaysia. AMD war bereits vor der offiziellen Inbetriebnahme als Großkunde für den Standort fixiert.
Schröder erläuterte weiter: „Ursprünglich war Kulim nur für einen Kunden, nämlich AMD, geplant.“ Der Standort entwickle sich jedoch zunehmend zu einer Multi-Kunden-Produktion. Bis 2026/2027 sollen mindestens fünf Großkunden aus Kulim beliefert werden. Damit verbunden rechnet AT&S mit einem mittelfristigen Anstieg der Umsätze. Schröder betonte in diesem Zusammenhang den Einfluss von Künstlicher Intelligenz auf die Datenwirtschaft: „Daten sind das neue Gold.“
Nie mehr die wichtigsten News aus Österreichs Industrie verpassen? Abonnieren Sie unser Daily Briefing: Was in der Industrie wichtig wird. Täglich um 7 Uhr in ihrer Inbox. Hier geht’s zur Anmeldung!
Strategischer Standort Kulim: Zentrum für Hightech-Produktion
Die neue Produktionsstätte liegt im Hightech-Park von Kulim im malaysischen Bundesstaat Kedah, etwa 350 Kilometer nördlich von Kuala Lumpur. Auf einer Fläche von rund 200.000 Quadratmetern wurden innerhalb weniger Monate zwei mehrgeschossige Werke sowie ein Bürogebäude errichtet. Werk I und das Verwaltungsgebäude gingen im Januar 2024 in Betrieb.
>>> Nachhaltigkeit in Österreich: Diese Unternehmen machen vor, wie es geht
Die Bruttogeschossfläche von Werk I beträgt ca. 255.000 Quadratmeter, davon werden etwa 100.000 Quadratmeter als Reinräume genutzt. Dort kommen inzwischen rund 500 Hightech-Maschinen im Vollbetrieb zum Einsatz. Produziert werden hochwertige IC-Substrate für AMD-Prozessoren – essenziell für moderne CPUs und GPUs.
Bisher investierte AT&S rund 1 Milliarde Euro in den Standort Kulim. Im Endausbau sollen dort bis zu 3.000 Mitarbeitende beschäftigt werden. Derzeit befindet sich das Unternehmen noch in der ersten Ausbauphase.

Substratproduktion für zukunftsweisende Technologien
Die Nachfrage nach IC-Substraten wächst stetig – angetrieben durch Anwendungen in Rechenzentren, künstlicher Intelligenz, Virtual Reality und Augmented Reality. AT&S prognostiziert ein robustes Wachstum, auch aufgrund des exponentiell steigenden Datenvolumens. Die steigende Relevanz von Datenspeicherung, -übertragung und -analyse fördert die Position von AT&S als Technologiepartner führender Chiphersteller.
Schröder betonte, dass die Kooperation mit AMD als Türöffner für neue Kunden wirke. Der neue CEO Michael Mertin, seit 1. Mai im Amt, war bei der Werkspräsentation noch nicht anwesend. Seinen ersten öffentlichen Auftritt als AT&S-Chef wird er am 15. Mai bei der Bilanzpressekonferenz absolvieren. Mertin folgt auf Andreas Gerstenmayer, der 2024 überraschend zurückgetreten war.
-
"AT&S ist auf dem Weg, einer der drei größten IC-Substratanbieter weltweit zu werden."
Ingolf Schröder, AT&S-Vorstandsmitglied
Global vernetztes „Substrat-Dreieck“
Kulim ergänzt das internationale Fertigungsnetzwerk von AT&S, das mit den Werken in Leoben (Österreich) und Chongqing (China) ein sogenanntes „Substrat-Dreieck“ bildet. „Know-how, Technologien und Forschung an diesen Standorten werden laufend ausgetauscht und verbessert“, so Schröder. Derzeit wird in Leoben am neuen Werk „Volt“ gearbeitet, dessen Eröffnung in naher Zukunft erfolgen soll.
>>> Künstliche Intelligenz in der Industrie: Einsatzmöglichkeiten, EU AI Act und Zukunftschancen
Werk II in Kulim, ursprünglich für 2024 geplant, wurde bislang nicht eröffnet. Aufgrund des schwierigen Marktumfelds sieht AT&S davon vorerst ab. Auf APA-Nachfrage erklärte Schröder: „Wir werden damit starten, sobald sich der Markt erholt hat.“ Einen konkreten Zeitpunkt könne man derzeit jedoch nicht nennen.
AT&S ist seit 1999 in Indien (Nanjangud) aktiv und betreibt weitere Werke in China (Shanghai und Chongqing) sowie in Südkorea (Ansan). Das Werk in Ansan wurde im Herbst 2024 für etwa 405 Millionen Euro an die italienische Technologiefirma Somacis verkauft. Mit Malaysia erschließt AT&S seit 2024 einen strategisch wichtigen Standort. Das südostasiatische Land gilt als eines der führenden Zentren der globalen Halbleiterproduktion – mit einer seit fünf Jahrzehnten etablierten Elektro- und Elektronikindustrie (E&E).
Überarbeitete Mittelfristplanung und schwieriges Marktumfeld
Die bisherige Serienproduktion von IC-Substraten erfolgte in den Werken I und III in Chongqing. Die Substrate finden Einsatz in Notebooks, Servern und Hochleistungsrechnern und dienen als Schnittstelle zwischen Mikrochips und Leiterplatten.
AT&S sah sich zuletzt mit anhaltender Marktschwäche, Überkapazitäten und Preisdruck konfrontiert. Die ursprünglich ambitionierte Mittelfristplanung wurde deutlich revidiert. Für das Geschäftsjahr 2026/2027 wird nun ein Jahresumsatz zwischen 2,1 und 2,4 Milliarden Euro erwartet – bei einer EBITDA-Marge von 24 bis 28 Prozent (vormals 27–32 Prozent). Die Ergebnisse des vergangenen Geschäftsjahres werden Mitte Mai veröffentlicht.
2024 war für AT&S ein Jahr mit zahlreichen Herausforderungen. Die Aktie des börsennotierten Unternehmens verlor rund 40 Prozent ihres Werts. Eine geplante Kapitalerhöhung im Mai 2024 wurde abgesagt, Umsatzprognosen mussten wiederholt nach unten angepasst werden. Mit dem Rücktritt von CEO Gerstenmayer im September und dem Tod von Aufsichtsratschef Hannes Androsch im Dezember verlor AT&S gleich zwei zentrale Führungspersönlichkeiten.
Trotzdem verzeichnete das Unternehmen mit weltweit rund 13.000 Mitarbeitenden zu Jahresbeginn eine leichte Erholung an den Finanzmärkten.

IC-Substrate: Schlüsseltechnologie für moderne Mikrochips
Integrated Circuit (IC)-Substrate sind unverzichtbare Bestandteile moderner Hochleistungselektronik. Sie kommen in zahlreichen Anwendungen zum Einsatz – von 5G-Basisstationen im Mobilfunk über Server und Supercomputer bis hin zu mobilen Endgeräten. Als Verbindungselemente zwischen Mikrochips und Leiterplatten spielen sie eine zentrale Rolle in der Datenverarbeitung.
Moderne Mikrochips integrieren heute Milliarden von Transistoren auf kleinstem Raum. Um diese hochkomplexen Chips mit der Umgebung – etwa Speicherbausteinen oder Stromversorgungskomponenten – zu verbinden, braucht es eine leistungsfähige Schnittstelle. IC-Substrate stellen diese Verbindung her, indem sie die winzigen Ein- und Ausgänge der Mikrochips mit den größeren Strukturen auf den Leiterplatten verknüpfen. Sie bilden somit eine Brücke zwischen der Nanowelt der Halbleiter und der Mikrowelt der Elektronikfertigung.
„IC-Substrate sind heute in den Gehäusen fast aller Hochleistungsmikrochips enthalten und für jegliche Form der Datenverarbeitung von entscheidender Bedeutung“, heißt es aus Unternehmenskreisen. Durch die wachsenden Anforderungen an Rechenleistung und Energieeffizienz verkleinern sich die Transistoren stetig – und damit auch die Dimensionen, in denen Substrate arbeiten müssen. Diese Entwicklung macht IC-Substrate immer bedeutsamer in der Mikrochip-Entwicklung und im Halbleiter-Design.
Herzstück jedes IC-Substrats ist der sogenannte Core, ein verstärkter Kern mit kupferplattierten Durchkontaktierungen (Via-Holes). Dieser dient als Trägerstruktur für mehrere Lagen aus isolierendem Dielektrikum und feinsten Kupferschaltungen. In mehreren Produktionsschritten werden diese Schichten präzise aufeinander aufgebaut – eine Voraussetzung für die spätere Miniaturisierung elektronischer Systeme.
Für das Packaging von Hochleistungshalbleitern nutzt AT&S die Flip-Chip-Technologie, ein zukunftsweisendes Verfahren zur Chip-Substrat-Verbindung. Hierbei werden tausende Kontakte über winzige Lötkugeln zwischen Chip und Substrat hergestellt – mit einer Genauigkeit im Mikrometerbereich. Ein Mikrometer entspricht 0,001 Millimetern – Maßstäbe, die mechanische Präzision auf höchstem Niveau erfordern. „Gearbeitet wird im My-Bereich, also im Bereich von Mikrometern“, so die Fachleute.
Diese fortschrittliche Verbindungstechnik erlaubt höchste Kontaktdichten, die mit traditionellen Bonding-Verfahren nicht erreichbar wären. Dadurch werden sowohl die Signalqualität als auch die Energieeffizienz der Chips erheblich verbessert – entscheidende Kriterien für moderne Anwendungen in Bereichen wie Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und automatisiertes Fahren.