Pfas Chemicals in Trinkwasser : PFAS im Trinkwasser? Perfekt gefiltert!

Microscopic view of PFHxS molecules 3D structure and chemical formula

Forschungsteam aus Deutschland und den USA stellt eine bahnbrechende Wasserreinigungstechnologie vor: Mithilfe einer innovativen elektrochemischen Methode können nun per- und polyfluorierte Chemikalien aus dem Wasser entfernt werden. Die Technik verspricht nicht nur die Isolierung, sondern auch die gezielte Eliminierung der schädlichen Stoffe.

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Die Herausforderung ist nicht ganz neu. Seit per- und polyfluorierte Chemikalien (PFAS) im Abwasser nachgewiesen wurden, stehen Betreiber von Kläranlagen vor der Frage, wie sie mit diesen Schadstoffen verfahren sollen. Mehrere tausend solcher Verbindungen gibt es. Wegen ihrer wasser-, fett- und schmutzabweisenden Eigenschaften werden sie in unzähligen Produkten eingesetzt. Man findet PFAS als Bestandteile von Textilien ebenso wie in beschichteten Töpfen, in Kosmetika oder in Löschschutzmitteln – nur um einige wenige Anwendungen zu nennen. Gelangen sie ins Trinkwasser, gelten sie als ein Risikofaktor.

Wie die Toxikologin Marike Kolossa-Gehring vom deutschen Umweltbundesamt erklärt, stehen PFAS im Verdacht, Schilddrüse und Leber zu schädigen, Krebs zu verursachen und das Immunsystem zu schwächen. Auch Übergewicht, Bluthochdruck sowie Stoffwechselstörungen können von PFAS begünstigt werden.

Verschärft wird die Situation dadurch, dass es keine Möglichkeit gibt, PFAS auf einem natürlichen Weg abzubauen, weshalb sie bisweilen auch als „Ewigkeitschemikalien“ bezeichnet werden. Im Wasser, im Boden und auch im menschlichen Organismus reichern sie sich aufgrund ihrer Unzerstörbarkeit unbegrenzt an. Das Schadenspotential ist dementsprechend groß.

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Anders als den Aktivkohlefilter, kann ich Metallocene tausendmal hintereinander verwenden, um PFAS aus dem Wasser zu bringen.
Markus Gallei

Neue Lösung als Gamechanger

Die derzeit gängige Methode, PFAS aus dem Wasser herauszubekommen, besteht darin, sie mit Membranen zu filtern oder mit aktiviertem Kohlenstoff zu behandeln. Diese Vorgangsweise bedeutet allerdings, dass die PFAS sich dann zwar nicht mehr in dem behandelten Wasser befinden, sehr wohl aber im Klärschlamm bzw. in dem verbleibenden Kohlenstoff. PFAS-Verbindungen so zu isolieren, dass man sie danach gezielt entsorgen bzw. unschädlich machen könnte, war bislang unmöglich.

Eine Gruppe von Forschern aus Deutschland und den USA hat nun aber einen Weg gefunden, um genau das zu tun. Dabei setzten sie auf eine elektrochemische Methode, die sich das Verhalten einer bestimmten Gruppe von Stoffen, nämlich von metallhaltigen Polymerenzunutze macht. „Mit diesen sogenannten Metallocenen haben wir Materialien gefunden, die in der Lage sind, PFAS-Verbindungen anzunehmen und anzureichern“, berichtet Markus Gallei, Professor für Polymerchemie an der Universität des Saarlandes, der die Forschungsgruppe leitet.

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Was aber noch viel mehr wiegt: Anders als Kohlenstoff oder die bisher verwendeten Membrane lassen Metallocene auch zu, dass man die darin gebundenen PFAS wieder gezielt daraus entfernen kann – und zwar, indem man eine elektrische Spannung anlegt. Verwendeten die Forscher zu diesem Zweck zunächst Ferrocen, also eine Verbindung auf Eisenbasis, so wechselten sie später zu Cobaltocen, bei dem die Entfernung der PFAS noch besser funktioniert.

„Anders als den Aktivkohlefilter, den ich vernichten muss, nachdem die PFAS-Moleküle in ihm hängengeblieben sind, kann ich Metallocene tausendmal hintereinander verwenden, wenn ich das will“, erläutert Gallei den Durchbruch, den seine Gruppe geschafft hat.

„Anders als den Aktivkohlefilter, kann ich Metallocene tausendmal hintereinander verwenden, um PFAS aus dem Wasser zu bringen.“ Markus Gallei
Man könnte unsere Lösung hochskalieren, indem man eine Membran mit den metallhaltigen Polymeren beschichtet und dann das Wasser durchlässt.
Frank Hartmann

Kommerzielle Nutzung in Sicht

Für eine Anwendung im kommerziellen Ausmaß ist ihre Erfindung, urteilen die Forscher, durchaus geeignet. „Man könnte das hochskalieren“, sagt Frank Hartmann, ein Mitarbeiter von Gallei. „Und zwar, indem man eine Membran mit den metallhaltigen Polymeren beschichtet und dann das Wasser durchlässt. Dann hätte man Wasser ohne PFAS."

Ganz einfach wäre eine solche Lösung freilich nicht. Kläranlagen sind schließlich ziemlich komplizierte Gebilde. Dennoch ist auch Markus Gallei als Leiter der Forschungsgruppe davon überzeugt, dass der Einsatz von Metallocenen in einer betrieblichen Kläranlage funktionieren kann: „Man könnte das am Ende der Kette machen, wenn der grobe Schmutz schon entfernt ist.“ Interessenten von Seiten der Abfallwirtschaft, die die Idee zur Marktreife bringen möchten, gebe es jedenfalls.

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Die Möglichkeit PFAS aus dem Wasser herauszufiltern, ist aber auch, das betont Gallei, einMeilenstein, auf dem Weg, diese Stoffe besser zu verstehen. Wenn es möglich ist, sie zu isolieren auchdann, wenn in sehr geringen Konzentrationen irgendwo vorkommen, dann könne das ein wichtiges Mittel sein, um die Verschmutzung zu vermeiden: „Dann können wir untersuchen, um welche PFAS handelt es sich überhaupt? Wo kommen die her? Wer ist der Verursacher?“

„Man könnte unsere Lösung hochskalieren, indem man eine Membran mit den metallhaltigen Polymeren beschichtet und dann das Wasser durchlässt.“ Frank Hartmann

PFAS verstehen

Ein Mittel, um die Gefährdung durch PFAS zu minimieren, könnte in Zukunft sein, sie mit Metallocenen zu filtern, zu isolieren und unschädlich zu machen, ein anderer aber, die Quellen von PFAS exakter zu identifizieren als bisher und dann entsprechende Vermeidungsstrategien zu entwickeln.

Denn so viel ist klar
: Die Wege, auf denen PFAS in die Natur gelangen kann, sind grundsätzlich sehr vielfältig: Über Abgase und Abwasser kommen PFAS in die Luft und ins Wasser. Über Regen, Schnee und durch Bewässerung gelangen sie in die Böden und in weiterer Folge in Lebensmittel und ins Trinkwasser. Inzwischen sind sie in Pflanzen und Tieren ebenso nachgewiesen wie im Blut oder der Muttermilch des Menschen.

Mehr über die Stoffe zu erfahren, zumal es sehr viele sind, wäre daher auf jeden Fall wichtig, merkt Gallei an: „Die können auf polaren Oberflächen und auf unpolaren Oberflächen haften und im Prinzip findet man sie immer und überall. Leider können sich diese Chemikalien auch in sehr geringer Konzentration im menschlichen Körper über die Jahre anreichern und dort Schäden anrichten. Das ist das Problem.“ Sie aus dem Trinkwasser herauszuhalten, ist daher eine wirklich wichtige Aufgabe.

Neues Jahrtausend, neue Herausforderungen

Der Umgang mit spezifischen Verbindungen wie PFAS ist eine Herausforderung von vielen, die die Abwasserwirtschaft bewältigen muss. Welche Brennpunkte existieren noch?

Extreme Wetterereignisse

Klimawandel begünstigt das Aufkommen von extremen Wetterereignissen. Starke und häufige Regenfälle können in vielen Regionen der Welt Kläranlagen und Abwassersysteme überlasten und zu Überläufen führen. Eine zukunftsfähige Lösung besteht darin, Anlagen so zu planen, dass sie diesen Anforderungen gerecht werden – etwa durch Rückhaltebecken oder durch die Nutzung von natürlichen Gräben und Bepflanzungen, die das Einfließen des Wassers in das Abwassersystem verlangsamen.

Finanzierung

Angesichts des Klimawandels, aber auch angesichts der zunehmend komplexen Aufgaben, die sie bewältigen müssen, stehen sowohl Behörden als auch die Abwasserwirtschaft vor der Frage, wie sie den Bau, die Instandhaltung, den Betrieb und die Modernisierung bestehender Anlagen finanziell bewältigen können. Ein besonderes Augenmerk werden die Betreiber in Zukunft auch auf die Schulung und Rekrutierung von entsprechend gut geschultem Personal legen müssen.

Medikamente im Abwasser

Antibiotika und andere Pharmaka, die vom Menschen ausgeschieden werden und so ins Abwasser gelangen, sind schon länger ein Punkt, mit dem sich Wasserentsorger beschäftigen. Da in diesem Bereich eine starke Zunahme der in das Abwasser gelangenden Substanzen zu verzeichnen ist, kommen viele Kläranlagen nun aber an ihre Grenzen und sehen sich gezwungen strengere, teurere und auch energieintensivere Behandlungstechniken einzusetzen.

Umstieg auf erneuerbare Energie

Der European Green Deal stellt auch für Betreiber von Kläranlagen einen Wendepunkt dar. So sollen nach Vorstellungen der Europäischen Kommission Kläranlagen ab 10.000Einwohnerwerten bis Ende 2030 die Hälfte ihrer benötigten Energie selbst und erneuerbar erzeugen. Bis 2035 soll der Anteil auf 75 Prozent, bis 2040 auf 100 Prozent steigen.

Reduktion von Treibhausgasen

Ein Ziel der der europäischen Klimapolitik besteht auch darin, die Treibhausemissionen von Kläranlagen massiv zu senken, nämlich um bis zu 60 Prozent im Vergleich zu 1990. Das betrifft vor allem Lachgas, das von Kläranlagen emittiert wird. Lachgas schädigt nicht nur die Ozonschicht, sondern ist nahezu dreihundertmal so klimaschädlich wie CO2.