Gas und Mineralölprodukte seien für die chemische Industrie nicht nur Energieträger sondern auch Rohstoff. Ein Totalausfall würde "Massenarbeitslosigkeit und leere Regale" bedeuten sagt Hubert Culik, Obmann des Fachverbands der Chemischen Industrie Österreichs (FCIO) und Geschäftsführer bei Rembrandtin Coatings. Bei einem Totalausfall von russischem Gas stünde nicht nur die Chemieindustrie still. "Ohne Erdgas kein Dampf, ohne Dampf keine Medikamente", sagte Culik. Ohne die Erzeugnisse der chemischen Industrie gebe es auch keine Matratzen, Dämmstoffe, Kühlschränke, Autositze oder Textilfasern. Auch die Landwirtschaft wäre betroffen, da sich Kunstdünger nicht ohne Erdgas erzeugen lässt.
"Ein Auffüllen unserer Speicher muss deshalb jetzt oberste Priorität haben. Auch über Ersatzlieferungen muss nachgedacht werden. Dass der Gasspeicher im Haidach in Oberösterreich an Gazprom verkauft wurde, sei in der jetzigen Situation nicht hilfreich. Dass Österreich bei Gas seine Abhängigkeit gegenüber Russland über die Jahre auf zuletzt 80 Prozent ausgeweitet habe, sei mit dem heutigen Wissen ebenfalls ein Fehler gewesen.
Auch das geplante Ölembargo treffe die Chemieindustrie, allerdings sei russisches Erdöl leichter durch Öl aus anderen Ländern ersetzbar. Problematisch für Österreich sei beim Öl noch, dass die OMV in der Raffinerie Schwechat vor allem Rohöl aus Kasachstan verarbeitet, dass über Pipelines durch Russland nach Österreich fließt, verwies Fachverbandsgeschäftsführerin Sylvia Hofinger auf mögliche praktische Probleme beim Ölembargo.
Zudem sei eine Umsetzung des Green Deal, der trotz Krieg in der Ukraine die größte Herausforderung für die Branche sei, ohne die Branche unmöglich. "Von der E-Mobilität bis zu Idolierungen und Dämmstoffe, wir produzieren Produkte, die umittelbar in den Green Deal hineinwirken" sagt Culik.
Mittel- und langfristig werden neue Technologien aus der chemischen Industrie etwa aus dem Bereich Kreislaufwirtschaft entscheidend für die Unabhängigkeit von Russland und anderen Exporteuren fossiler Rohstoffe sein. Culik weiter: „Vor uns liegt eine Herkules-Aufgabe, die wir bereit sind anzugehen. Gemeinsam mit der Politik muss es gelingen, hin zu konkreten Umsetzungsschritten zu kommen.“ Der Obmann der chemischen Industrie fordert einen beschleunigten Ausbau von erneuerbaren Energien sowie Verfahrensbeschleunigungen bei bestehenden Projekten oder die gezielte Förderung von Schlüsseltechnologien wie Wasserstoff, Carbon Capture and Utilization (CCU), durch die CO2-Emissionen für die Produktion verwertet werden können, und der Kreislaufwirtschaft. Politische Zeitpläne und Zielsetzungen lassen da nach wie vor auf sich warten.