Elektromobilität 2024 : Jobs durch E-Mobilität – Ausbleiben des Wunders

Produktion bei Magna in der Steiermark: Der Verbrennungsmotor sichert aktuell noch Jobs in der Automobilbranche.

Der Verbrennungsmotor sichert aktuell noch Jobs in der Automobilbranche.

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Spätestens mit der Entscheidung der Europäischen Union im vergangenen Jahr, das Zulassungsverbot für Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren mit 2035 endgültig einzuführen, war der Pfad in Richtung Elektromobilität klar abgesteckt.

Dass dieser Umstieg nicht nur dem Umwelt- und Klimaschutz dient, sondern auch ein Motor für Wirtschaft und Arbeitsmarkt sein kann, war Gegenstand wissenschaftlicher Studien, die gerade Österreich ein großes Potential bei dieser zukunftsfähigen Technologie vorausgesagt haben.

Einer dieser Studien, die „E-MAPP 2“ Studie, wurde im Auftrag des Klima- und Energiefonds erstellt und aus Mitteln des Klimaschutzministeriums dotiert. Die Studie wurde unter der Leitung der Forschungseinrichtung Fraunhofer Austria gemeinsam mit der TU Wien und der Smart Mobility Power GmbH durchgeführt und 2021 präsentiert.

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Die gesamte automobile Zulieferbranche beschäftigt 111.430 Menschen.

Wachstum durch E-Mobilität prognostiziert

Insbesondere die österreichische Automobilindustrie, die mit 86 Prozent einen sehr hohen Exportanteil aufweist, würde durch die E-Mobilität enorm profitieren und damit würden sich große Zukunftschancen eröffnen.

Die Autoren der Studie prognostizierten eine Steigerung des Wertschöpfungspotentials von etwa 19 Prozent bis 2030, was einer jährlichen Steigerung von 645 Millionen Euro entspricht. Das Beschäftigungspotential wurde für denselben Zeitraum mit einer Steigerung von 21 Prozent angegeben. Dies entspräche einer Steigerung der direkt in der Automobilindustrie Beschäftigten von 34.400 auf knapp 42.000 im Jahr 2030, also einer Steigerung um 7.300 Arbeitsplätze. Eine Steigerung um weitere 1.000 Arbeitsplätze ergibt sich laut Studie durch den Ausbau der Ladeinfrastruktur.

„Klimaschutz ist der absolute Wirtschafts- und Jobmotor. Die Studie macht uns das deutlich und zeigt, dass wir mit unserem umfangreichen E-Mobilitätspaket auf die richtige Karte setzen. Die E-Mobilität wird in den nächsten Jahren in Österreich und weltweit stark an Bedeutung gewinnen“, verlautbarte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler einst zu dieser Studie.

Damals wurde schon eingemahnt, dass für die Unternehmen der Schüssel zur Nutzung dieser Entwicklungsmöglichkeiten im raschen Umstieg auf Technologien liegt, die mit reinen Elektrofahrzeugen in Verbindung stehen. Weiters wurde damals auch die Stärke Österreichs im Bereich Forschung & Entwicklung hervorgehoben, zugleich jedoch auch auf die Risiken durch die hohe Exportquote und der damit geschaffenen Abhängigkeit hingewiesen. Ebenso wurde auf beginnende negative Entwicklung durch den Fachkräftemangel hingewiesen, welche sich durch den demographischen Wandel weiter verstärken würde. Nur durch konsequente Investitionen in Forschung & Entwicklung und die Ausbildung entsprechender Fachkräfte kann einer negativen Entwicklung in diesen Bereichen gegengesteuert werden.

Der verheißungsvolle Großauftrag vom E-Autobauer Fisker wurde für das Autoland Steiermark zum Flop. Die kalifornische Automarke kämpft ums Überleben. Großaufträge für den Bau von E-Autos gelten aktuell als sehr prestigeträchtig und stellen wichtige Transformationsimpulse für die Region dar.

- © Timon - stock.adobe.com

Bedeutung des Automobilsektors für Steiermark

Mit den großen strukturellen Herausforderungen, mit denen die Automobilindustrie konfrontiert ist, setzt sich die Studie „Transformation der österreichischen Fahrzeugindustrie“ auseinander, welche vom Fraunhofer Institut im Auftrag des Fachverbandes der Fahrzeugindustrie 2022 erstellt wurde. Das Ziel dieser Studie war es, „den aktuellen Stand der Transformation der heimischen Fahrzeugindustrie zu untersuchen und Empfehlungen an die Politik für eine aktive Gestaltung des Strukturwandels in Richtung Dekarbonisierung und Digitalisierung abzuleiten“.

Die Bedeutung der Fahrzeugindustrie für die österreichische Volkswirtschaft lässt sich an folgenden Zahlen eindrucksvoll belegen. So gab es im Jahr 2021 41.393 direkte Beschäftigte, welche einen Produktionswert von 16,6 Milliarden Euro erwirtschafteten. Betrachtet man die automobile Zulieferbranche gesamtwirtschaftlich, sind 111.430 Menschen dort beschäftigt. Die Exportquote der in Österreich gefertigten Produkte beträgt 87 Prozent, wobei mehr als die Hälfte davon an das Nachbarland Deutschland gehen.

Hervorzuheben ist auch, dass 90 Prozent des Produktionsvolumens von Großfirmen erbracht wird, die Unternehmenslandschaft jedoch zu 67 Prozent aus kleinen und mittelständischen Betrieben besteht. Diese Parameter zeigen neben dem hohen Stellenwert zugleich auch das Problem auf, vor dem dieser Wirtschaftszweig steht. Denn durch die Mobilitätswende werden neue Antriebstechnologien gebraucht, die wiederum aus anderen Komponenten als bisher bestehen. Benötigt ein Elektromotor nur etwa 20 bewegliche Teile, sind es beim Verbrennungsmotor mehr als 2.000. Folglich verringern sich so bei einem elektrifizierten Fahrzeug die Montagestunden um 15 bis 30 Prozent gegenüber einem Fahrzeug mit konventionellem Antrieb.

Zudem führt der höhere Anteil an Elektronik in Fahrzeugen dazu, dass zum Beispiel auch Firmen aus dem Bereich Software oder Unterhaltungselektronik in den Fahrzeugmarkt einsteigen und zu Mitbewerbern werden. Ein aktuelles internationales Beispiel hierfür ist Xiaomi.

Unter Druck kommen insbesondere Unternehmen, die einerseits bisher Produkte für konventionell betriebene Fahrzeuge hergestellt haben und andererseits eher kleine oder mittlere Unternehmen sind, welche die finanziellen Belastungen für die kostspielige Umstellung schwerer stemmen können. Wie schnell sich der Trend in den vergangenen Jahren verändert hat, zeigt ein Blick in die Statistik.

War die Fahrzeugindustrie im Jahr 2020 unter den Fachverbänden nach der metalltechnischen Industrie der zweitgrößte Industriebereich des Landes, rutschte man in den folgenden zwei Jahren auf den vierten Platz ab.

Die E-Mobilität hat bisher noch nicht für das vorhergesagte Job-Wunder im Autoland Steiermark gesorgt.

- © dieindustrie.at/Mathias Kniepeiss

Verbrenner sichert Arbeitsplätze

Dank der Exportorientiertheit der österreichischen Industrie und der weiterhin großen Bedeutung des Verbrennungsmotors außerhalb Europas werden 57 Prozent aller Arbeitsverhältnisse im Jahr 2035 mit konventionellen oder hybriden Antrieben in Zusammenhang stehen, jedoch sind Maßnahmen notwendig, um ein innovationsfreundlicher Wirtschaftsstandort zu bleiben.

Dazu zählen neben unternehmensfreundlicher Standortpolitik Investitionen in Digitalisierung und Produktivität, wie auch in Fachkräfte und Qualifizierung, um vor allem der Abwanderung in Niedriglohnländer entgegenzutreten. Große Bedeutung wird auch der Vernetzung und Kooperation zugeschrieben, um den kommenden Herausforderungen resilient begegnen zu können.

Trotzdem wird die Verlagerung von mechanischen zu elektrischen Tätigkeitsbereichen dazu führen, dass weniger Fachkräfte benötigt werden. Laut Berechnungen ist von einer Verringerung von bis zu 10.000 direkt Beschäftigten im Jahr 2035 verglichen mit dem Jahr 2020 auszugehen.

Zukunftschancen in Ladeinfrastruktur

Die Nachfrage, wie sowohl politische Entscheidungsträger als auch die Interessensverbände die aktuelle Lage einschätzen, ob Prognosen revidiert werden müssen und wie ihr Blick in die Zukunft ist, ergab folgendes Bild.

„Um die nationalen Klimaziele zu erreichen, ist der Schritt in erneuerbare Energien und damit auch in erneuerbare Antriebe ein wichtiger. Der „Hochlauf“ der E-Mobility verzögert sich allerdings derzeit. Die unsichere Lage betreffend Entwicklung der Energiepreise (Stromkosten) hilft dabei nicht“, erklärt beispielsweise der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie auf Anfrage.

Ein großes Potential sieht der FEEI in den Bereichen Errichtung und Wartung von Ladeinfrastruktur, denn diese „werden zunehmend an Bedeutung gewinnen“. Abschließend erklärt der Fachverband, dass „für die nationale Wertschöpfung die starke heimische Zulieferindustrie im Bereich Mobilität wichtig“ ist.

„Vernünftige und stabile Rahmenbedingungen sind dabei genauso essenziell wie faire Wettbewerbsbedingungen, um im globalen Umfeld mithalten zu können“, so der FEEI. Der Fachverband der Fahrzeugindustrie verweist auf Nachfrage auf die von ihnen in Auftrag gegebene Studie „Transformation der österreichischen Fahrzeugindustrie“ und der darin herausgearbeiteten Rahmenbedingungen, zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit für die Zukunft benötigt werden.

Zudem streichen sie die Bedeutung notwendiger Begleitmaßnahmen durch die Bundesregierung hervor, um die Transformation zu unterstützen. Anfragen an das Bundesministerium für Klimaschutz, den Mobilitätscluster „ACstyria“ und die „Austrian Automotive Transformation Platform“ (AATP) blieben leider unbeantwortet.

Trübe Aussichten: Fisker in Graz

Seit der Verabschiedung des Verbrennerverbots durch die EU vor knapp einem Jahr ist die Automobilindustrie gewaltig unter Druck geraten. So verlautbarte der steirische Technologiekonzern AVL im Februar dieses Jahres, Ende März 70 Mitarbeiter kündigen zu wollen und bis Jahresende weitere 130 Jobs nicht mehr nachzubesetzen. Der Personalstand in Graz wird sich somit bis Jahresende von 4.300 auf 4.100 Mitarbeiter verringern.

Zurückgeführt wird dieser Abbau auf die hohen Personal- und Energiekosten, die dem Unternehmen zusetzen. Ende April vermeldete der Elektronikbauteilhersteller Kyocera AVX die Schließung seiner Produktion in Salzburg- Liefering. Seitens des Unternehmens wurde gegenüber dem ORF der „hohe Kostendruck, vor allem im Automobilmarkt“ als Grund kommuniziert. Binnen der nächsten zwei Jahre werden rund 70 Mitarbeiter abgebaut, nachdem bereits Ende 2022 80 Arbeitsplätze der Belegschaft gestrichen wurden. Den mit Abstand größten Stellenabbau vermeldete Magna zur selben Zeit.

Nachdem bereits im Dezember 2023 die Fertigung des Fisker von einem Zweischicht- in einen Einschichtbetrieb umgestellt und demzufolge 450 Beschäftigte ihren Job verloren, wurde die Produktion von Magna zwischenzeitlich gestoppt und nicht wiederaufgenommen. Ursprünglich war geplant, 40.000 Fahrzeuge des Typs „Fisker Ocean“ pro Jahr in Graz zu bauen, bis zum Produktionsstopp waren es jedoch lediglich 10.000.

Anfang Mai stellte die österreichische Tochter des US-Autoherstellers Fisker mit Sitz in Graz einen Antrag auf ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung. Das bedeutet, dass eine Weiterführung angestrebt wird und die 615 Gläubiger eine Quote von 30 Prozent innerhalb der nächsten zwei Jahre erhalten sollen. Laut AKV und KSV 1870 belaufen sich die Passiva auf einen Buchwert von 1,34 Milliarden Euro und bedeuten damit die größte Insolvenz eines Unternehmens in der Steiermark.

Die Restrukturierungskosten und Abschreibungen betragen für Magna laut Industriemagazin 316 Millionen Dollar und weitere 500 Mitarbeiter verlieren ihren Job.

Auch die Politik bremst

Auch große internationale Player wie der Elektroautopionier Tesla geraten in Schwierigkeiten. Mitte April kündigte der US- Autobauer an, 14.000 Stellen abzubauen. In der Folge wurden einige Kündigungen wieder revidiert, der Autobauer selbst ließ jedoch verlauten, bis zu zehn Prozent seiner Mitarbeiter abbauen zu wollen. Bloomberg berichtete, dass sich Tesla von bis zu einem Fünftel seiner Belegschaft trennen könnte.

Der Grund dafür steckt im immer heißer umkämpften Elektroautomarkt. Einerseits schwächelt die Nachfrage nach Elektroautos wegen der hohen Preise, andererseits drängen Mitbewerber aus China auf den Markt, was sowohl die Absatzzahlen sinken lässt als auch den Preiskampf weiter anheizt.

Seine Strategie verändert hat auch Mercedes-Benz. Wollte der Konzern aus Stuttgart 2030 eigentlich nur mehr Elektroautos ausliefern, rechnet man mittlerweile nur mehr mit einem Absatzanteil von 50 Prozent von E- Autos und Hybriden bis 2030. Auch in der internationalen Politik beginnt der Rückhalt für die Elektromobilität zu bröckeln.

Am Rande der Vorwahlen hat sich auch US- Präsident Joe Biden Mitte Februar zur Verkehrswende geäußert. So berichtete die „New York Times“, dass künftig weniger scharfe Grenzwerte für Abgase geplant seien und den Herstellern mehr Zeit eingeräumt werden soll, ihren Absatz von Elektrofahrzeugen anzukurbeln.

Jüngst ließ er mit der Ankündigung aufhorchen, wegen unfairer Handelspraktiken seitens China die Zölle auf chinesische E- Autos zu vervierfachen. Ebenso überraschend war auch das Statement von Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zum Verbrenner- Aus. Sie betonte, nur Tage nach US- Präsident Biden, dass die von der EU getroffene Entscheidung 2026 überprüft werde. Diese Evaluierung sei aus ihrer Sicht „sehr wichtig“, um sowohl Technologieoffenheit als auch Wahlmöglichkeiten für Verbraucher zu gewährleisten.

Viele Beobachter sehen das Jahr 2024 ohnehin als Schlüsseljahr für die Elektromobilität. Endgültig zum Durchbruch verhelfen könnte der Umstand, dass vor allem erschwingliche Mittelklassefahrzeuge auf den Markt gebracht werden. Zudem befand sich der Markt auch in den vergangenen Jahren im Aufschwung. Waren laut Erhebungen der internationalen Energieagentur IEA 2020 noch vier Prozent aller Neuwagen mit Elektroantrieb, war es 2023 bereits jeder Fünfte.