Verpackung : Das sind Vorarlbergs Verpackungskünstler

Für vieles findet man die Wurzeln in einer Zeit, als Vorarlberg als westlichster Zipfel der Monarchie wirtschaftliches Ausfalls- und Einfallstor zugleich war. Das gilt nicht zuletzt für die Verpackungsindustrie. Denn wenn ein gewisser Philippe Suchard auch Österreich-Ungarn mit seiner Schokolade versorgen wollte, war ein eigenen Werk – in Bludenz – der Schlüssel. Und für Julius Maggi mit seinem Brühwürfeln und seiner Würze galt das gleiche. Die Produkte mussten selbstverständlich ordentlich verpackt sein. Auch wenn es die „Maggi-Fabrik“ in Bregenz längst nicht mehr gibt, in beiden Fällen sollte später die Wolfurter Firma Pawag als Spezialist für flexible (Lebensmittel-)Verpackungen ein Hauptprofiteur sein. 2014 verkaufte mangels Nachfolger in der Familie Edgar Ittensohn Pawag an die Dornbirner Brüder Stephan und Matthias Rat. Großvater Hugo Ratt hatte 1953 einen kleinen Handwerksbetrieb gegründet und Graupappe zu Schuhschachteln verarbeitet. Sohn und Enkelkinder hatten all die Jahrzehnte vorausschauend zugekauft und waren Beteiligungen eingegangen, so dass die Rattpack Gruppe heute an sieben Standorten in Österreich und Deutschland Komplettlösungen – neben Lebensmittelverpackungen etwa Medikamentenfaltschachteln samt Beipackzetteln – anbietet. Umsatz: rund 100 Millionen Euro, Export: 80 Prozent.

Verbündete und Co-Investoren

Auch für die ehemals tragende Textilindustrie war das Thema Verpackung ein wichtiges Thema, mehr noch gehörte der Rohstoff Papier bereits für die Produktion zum A & O. Ein Theodor Fries aus Augsburg produzierte in Sulz Papierhülsen zum Aufwickeln von Garn. Nach dem Brand der Rankweiler Papierfabrik Berlinger 1910 benötigte er einen neuen Papierlieferanten. In der Feldkircher Texitilindustriellenfamilie Ganahl fand er Verbündete und Co-Investoren: 1911 schlug die Geburtsstunde der Rondo Ganahl in Frastanz, die heute in Vorarlberg, der Steiermark, in Ungarn, Rumänien, in der Türkei und in Deutschland rund 1800 Mitarbeiter bei der Herstellung von Wellpappeverpackungen und Rohpapieren beschäftigt. Vollständig recyclebar und bis zu 20 Mal wiederverwertbar sind viele Produkte. Für ihre Lösungen heimsen die Vorarlberger Preis um Preis ein. Zuletzt im Mai, als für eine Versandbox mit der integrierter Rücksendefunktion sowie einen schlauen Feuerholzspender zwei WorldStar Packaging Awards, die Oscars der Branche entgegengenommen werden konnten.

Marktführer

Auch Fries gibt es noch, hat nun den Zusatz Kunststofftechnik im Namen und eines von vielen Vorarlberger Firmengeschichten des Wandels. 1954 wurde erstmals mit der Produktion von Artikeln im Spritzgussverfahren begonnen. Der Traditionsbetrieb in dritter Generation avancierte unter anderem zum europäischen Marktführer für gewerbliche Spülkörbe, die weltweit in Gastronomie, Hotellerie und auf Kreuzfahrtschiffen im Einsatz sind. Fried produziert aber auch Eimer, Kanister und Fässer, die in sensiblen Branchen wie Pharmazie, Lebensmittelindustrie und Chemie zum Einsatz kommen. Industriekörbe und Werkstückträgersysteme sowie technische Formteile für die Automobilindustrie bilden weitere Spezifikationen, die das Unternehmen in mehr als 50 Länder liefert. Und wenn sie bei einem Openair-Konzert oder einem Sportevent ihr Bier oder ihre Limo aus einem Mehrwegbecher getrunken haben – der dürfte von der 2018 übernommenen Cup Concept gewesen sein. Als Buchbinderei und mit Faltschachteln, später mit Wellpappe-Verpackungen hatte schon 1934 Eduard Flatz in Lauterach begonnen. 1975 folgte der Generationenwechsel, Ziehdosen (z.B. als Käseverpackung), Faserguss, Formteile und Styropor-Dämmstoffe unter der Marke Flapor kamen nach und nach hinzu.

Während sich Fries dem Kunststoff zuwandte, ist die Firma Fidel Gmeiner den Papier- und Kartonhülsen mehr oder weniger treu geblieben. 2021 gingen die Wolfurter mit der pratopac Gmeiner GmbH ein strategisches Joint Venture. Darin bündeln sie ihre Kräfte im Bereich der Produktion und des Vertriebs von Spiralhülsen und -rohren. Die Position der beiden regionalen Player in diesem hart umkämpften Markt wurde damit gestärkt und die Hülsenproduktion in Vorarlberg nachhaltig gesichert. Pratopac? Der unübersehbare Neubau neben der Rheintalautobahn bei Klaus entstand wiederum aus dem Zusammenschluss von GIKO Rundverpackungen und GIKO Kartonagen. GIKO Verpackungen, ebenfalls ein Urgestein im Ländle, konzentriert sich seither auf die Folienproduktion.

Im Wirtschaftskammer-Cluster „Verpackungsland Vorarlberg ARGE VPack“ bündelt gut zwei Dutzend Unternehmen seit einigen Jahren ihre Interessen. Teilweise gibt es Ausbildungs- und Kooperationsverbünde zwischen den beteiligten Druckereien und Verpackungsspezialisten. Was Rang und Namen hat, von A wie Alpla bis V wie Vorarlberger Verlagsanstalt ist VPack-Mitglied. Allein im Ländle werden rund 3500 Menschen beschäftigt. „Vorarlberg ist das Silicon Valley der Verpackungsindustrie mit ständiger Innovation“, erklären Jürgen Wiesenegger, Geschäftsführer der Firma Scheyer Verpackungstechnik und Stephan Kaar, Geschäftsleiter des Wellpappewerks der Rondo Ganahl, als Sprecher von VPack: So hat Alpla gerade mit dem Kunden Vöslauer eine extrem leichte und ebenso lange verwendbare RePET-Flasche entwickelt, die international für Aufsehen sorgt. Alpla hat vor wenigen Tage auch sein neues Designcenter „STUDIOa“ in Hard offiziell eröffnet. Hier entstehen mit den Kunden innerhalb weniger Tage dank 3D-Druck, Augmented Reality und anderem Hightech neue Verpackungslösungen aus Kunststoff. Bei anderen VPack-Mitgliedern geht es darum, statt mehrerer Materialien nur noch ein einziges Material zu verwenden, was die Recyclingfähigkeit dramatisch verbessere.

Cluster

Ein Produkt braucht eine Verpackung, eine Verpackung braucht ein Etikett. Auch hier sind mehrere Spezialisten zwischen Bodensee und Arlberg vor Ort. Carini, als Beispiel, oder CCL-Label, eines von über 200 Werken des kanadischen Konzerns CCL Industries. CCL hatte 2002 (nur zehn Jahre nach deren Gründung ) die Hohenemser Pachem AG übernommen, weil die Vorarlberger eine Vorreiterrolle bei dekorativen Schrumpffolienverpackungen inne hatten. Auf diesem Feld wurde Vorarlberg zum europäischen Headquarter. 20 Jahre später ist der Standort viel zu klein, der großzügige 50 Millionen Euro schwere Neubau schreitet voran, 2023 wird ins Industriegebiet Pfeiler nach Dornbirn übersiedelt.

Stephan Kaar, Geschäftsleiter des Wellpappewerks der Rondo Ganahl
"Vorarlberg ist das Silicon Valley der Verpackungsindustrie mit ständiger Innovation.“ Stephan Kaar, Geschäftsleiter des Wellpappewerks der Rondo Ganahl - © Forum Wellpappe/APA-Fotoservice/