Fahrerlose Transportsysteme : "AGVs erfahren extremen Aufwind"

Siemens-Experte für Fabrikautomation Sebastian Israel
© Siemens

INDUSTRIEMAGAZIN: Herr Israel, Ihr Werdegang weist zwei Konstanten aus: Zunächst einmal die lange Unternehmenszugehörigkeit bei Siemens aus - Sie arbeiten im Konzern, seitdem Sie als Auszubildener 2005 ins Unternehmen stießen. Und - Konstante zwei - Ihr Handlungsfeld war stets die Automobilindustrie. Eine Branche, die immer mehr auf hohe Varianz bei ihren Fahrzeugprodukten Wert legt. Folglich ein ideales Szenario für Fahrerlose Transportfahrzeuge (Automated Guided Vehicles, AGVs)?

Sebastian Israel: AGVs erfahren einen extremen Aufwind in der Automobilindustrie. Sowohl beim internen Materialfluss, der immer neuen Ansprüchen folgt, als auch in der getakteten Fahrzeugproduktion. Der Elektrosportwagen Taycan etwa wird - durch AGVs unterstützt – mit hoher Flexibilität im Porsche-Werk Stuttgart-Zuffenhausen endmontiert. Neben Logistikaufgaben befördern Fahrerlose Transportsysteme auch die komplette Karosserie von einer Fertigungsstation zur Nächsten. Das ist sehr eindrucksvoll. Die Länge des Takts kann immerzu an den Bedarf angepasst werden

Früher kamen Autofertiger mit vergleichsweise starren Linienlayouts gut durch. Zunehmend eine Minderheit, oder?

Israel: Das ist stark abhängig von der Produktpalette, die in den Automobilfabriken gefertigt werden soll. Aber besonders Premiumhersteller streben zumeist eine sehr hohe Flexibilität in ihren neuen Anlagen an. Wir sehen das in den letzten Jahren bei vielen Großprojekten mit Automobilisten in Deutschland. Auch in Asien und Nordamerika erfreuen sich AGVs wachsender Nachfrage.

Siemens stellt selbst keine AGVs her, hat jedoch einen Systembaukasten, also eine Automatisierungsplattform zur Realisierung von AGVs im Portfolio (SIMOVE). In Linz erfolgt dabei unten anderem auch die Entwicklung eines Tools zur intelligenten Routenplanung und Flottenmanagement (SIMOVE AGV Fleet Manager). Wie sehr greifen diese Produkte ineinander?

Israel: Unser Systembaukasten stellt die standardisierte Kommunikation über alle Fahrzeuge sicher. Egal, ob eine SPS oder ein IPC im Einsatz sind oder welche Steuerungs- oder Antriebstechnik Einsatz findet. Und das in höchst sensiblen, produktionskritischen Prozessen: Steht ein Fahrzeug, steht ja bekanntlich oft die ganze Linie. Auch Safety, also etwa die Funktionalität eines unverzüglichen Anlagenstopps, ist ein Riesenthema: Wir sind einer der wenigen Anbieter, die Safety über Wireless umsetzen können.

Mit unserem SIMOVE Flottenmanager promoten wir diesen Systemansatz zusätzlich: Wir können damit unterschiedliche AGVs von verschiedenen Hersteller steuern. Je nach Produktionsschritt, Produktionsmix und Auslastungsgrad lassen sich einzelne Fahrzeuge unterschiedlich priorisieren, mit Blick auf die Mitarbeiterlaufwege und Batterielebendauer der Fahrzeuge auch optimale Fahrrouten programmieren.

Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller miteinander sprechen zu lassen, klingt nach einer nicht ganz trivialen Aufgabe, denkt man an die verschiedenen Kommunikationstandards.

Israel: Es ist schon klar, dass jeder Hersteller seine Fahrzeuge ein wenig anders konzipiert. Aber wir sind komplett herstelleroffen und versuchen industrieweit die Standardisierung voranzutreiben. Dabei setzen wir auf Standardschnittstelle, wie z.B. den VDA5050 Treiber.

Implementiert wird der SIMOVE FleetManager von Siemens?

Israel: Wir sind auch im Projektgeschäft und als Generalunternehmer tätig. Aber künftig wollen wir auch stärker mit Partnern agieren. So wollen wir mit Herstellern der AGVs Kooperationen schmieden. Unsere Software wird dann von Herstellern gleich mit endverbaut.

Wieweit sind AGVs eigentlich schon in den Siemens-eigenen Fabriken gesetzt?

Israel: In einigen Siemens-eigenen Werken sind sie bereits im Einsatz und liefern uns hervorragende Ergebnisse und Erkenntnisse. Frei nach den Redensart „Drink your own Champagne“ treiben wir den Rollout auf weitere Standorte konsequent weiter voran.

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Siemens.