Wie KI den Einkauf revolutioniert : Wie AI die Lieferkette optimiert

INDUSTRIEMAGAZIN: Wo stehen Österreichs Unternehmen derzeit bei der Implementierung von KI in den Lieferketten?

Gundula Pally: Vor rund fünf Jahren kam mit Predictive Analytics KI erstmals in Unternehmen an, spielte aber eine untergeordnete Rolle. So richtig Fahrt aufgenommen haben Überlegungen zur Nutzung von KI in den Unternehmen und in den Lieferketten erst in den vergangenen zwei Jahren durch das Aufkommen von GEN AI (Generative AI). Unternehmen beschäftigen sich derzeit intensiv mit KI-Anwendungen, aber in unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Eine Roland Berger Studie zeigte, dass 82 Prozent der Befragten eine Produktivitätssteigerung von mindestens sechs Prozent durch KI-Modelle für realistisch halten. Die Umsetzung variiert von Branche zu Branche.

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In den „klassischen“ Branchen, die ein wenig die Vorreiterrollen haben, wie die Automobilindustrie, begann man rascher sich mit dem Thema zu beschäftigen. Dennoch stehen wir insgesamt noch am Anfang eines Prozesses in unterschiedlichen Abstufungen. Es gibt Stand heute kein Unternehmen, von dem ich sagen würde, dass es KI-Anwendungen vollumfänglich nutzt und große Use Cases implementiert hat. Doch der Auftakt ist gemacht. Das Ausschöpfen dessen, was derzeit möglich ist und noch möglich sein wird, ist in der Entwicklung.

Wie kann KI Einkaufsorganisationen dabei unterstützen, strategische Entscheidungen zu treffen und ihre Effektivität im Hinblick auf Kosteneinsparungen und Lieferantenauswahl zu maximieren?

Pally: Ein anschauliches Beispiel ist die Nutzung der KI, um Lieferantenverhandlungen vorzubereiten. In der Vergangenheit gab es Einkäufer, die vor Verhandlungen alle möglichen Marktinformationen recherchierten. Geopolitische Entwicklungen, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, wirtschaftliche Ereignisse, die Großwetterlage, Energiekosten und verschiedenste andere Faktoren, die einen Einfluss auf den Einkauf, die Preisgestaltung und die Lieferkette haben können.

Natürlich konnten „klassische Einkäufer“ nur einen begrenzten Teil aller generell verfügbaren Daten effizient nutzen. Hier kommt jetzt die KI ins Spiel, die als Co-Pilot Wissen aus der ganzen Welt akkumuliert, in verwertbare Form bringt und dadurch eine sinnvolle Nutzung ermöglicht. Einkäufer haben so einen verlässlichen, nahezu allwissenden Research-Assistenten und können fokussiert die Informationen interpretieren, ohne sie manuell zusammenstellen zu müssen. Die KI kann alternativ auch zum Sparringpartner werden, um mögliche Szenarien entlang verschiedener Entscheidungswege aufzuzeigen.

Welche konkreten Anwendungsbeispiele sehen Sie, wie KI die Effizienz in globalen Lieferketten steigern kann?

Pally: Ein klares Beispiel ist die Schnittstelle zu Initiativen der Schaffung von Datenökosystemen wie Manufacturing-X oder Catena-X für die Automobilindustrie. In diesen großen europäischen Initiativen hat man sich zum Ziel gesetzt, zwischen den einzelnen Partnern in der Lieferkette Daten auszutauschen, umeffektiver und effizienter arbeiten zu können. Sie sollen einen offenen, dezentralen und kollaborativen Datenraum schaffen, der einen sicheren Datenaustausch zwischen Unternehmen ermöglicht und die digitale Souveränität sicherstellt. So werden neue Geschäftsmodelle gefördert und die Widerstandsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit gestärkt. Wenn das gelingt, ist das ein Riesenschritt für die gesamte Industrie.

Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Implementierung von KI in Bezug auf Integration, Datensicherheit und auch das Thema Mitarbeiterakzeptanz?

Pally: Die Liste ist lang und es ist noch lange nicht alles gelöst. Einerseits geht es um Datenqualität, die Datenverfügbarkeit und die Zugänglichkeit zu Daten. Die Daten bereitzustellen ist eine Herausforderung und eine Grundvoraussetzung für den Einsatz von KI, die Unternehmen lösen müssen, um mit KI überhaupt arbeiten zu können. Der zweite wichtige Punkt ist das Thema Cybersecurity, Datensicherheit, Vertraulichkeit der Daten. Fragen nach Anwendungen der KI in einem geschlossenen System innerhalb des Unternehmens und der Öffnung nach außen treten auf.

Da spielt die Datensicherheit eine entscheidende Rolle. Die dritte Herausforderung ist die Befähigung der Mitarbeiter, die mit KI arbeiten können. Es werden andere Skillsbenötigt, denn das Arbeiten wird sich grundsätzlich ändern. Zur Vorbereitung darauf unterstützen wir in derBeratung Unternehmen beispielsweise bei der Überlegung, welche Governance und welche Art der Organisation nötig ist, um KI im Unternehmen sinnvoll und effizient steuern zu können.

Welche neuen Fähigkeiten werden zur Anwendung von KI benötigt und wie können Unternehmen angesichts des aktuellen Mangels an Fachkräften diese aufbauen?

Pally: Es werden Personen benötigt, die starkes Datenverständnis mitbringen und über Technologiekompetenz verfügen. Außerdem braucht es viel Transformationskompetenz in den Unternehmen, sowohl zu Aktivierung der Mitarbeiter als auch zur Begleitung der Einführung von KI use cases. Ich glaube, es wäre utopisch zu sagen, dass man die benötigten Skills ausschließlich extern rekrutieren kann, weil natürlich jedes Unternehmen gerade genau nach diesen Fähigkeiten sucht. Das bedeutet, dass Unternehmen ihre bestehenden Mitarbeiter verstärkt aus- und weiterbilden werden müssen, und zwar großflächig im ganzen Unternehmen.

Es reicht nicht, wenn drei Leute in der IT-Abteilung sich Wissen aneignen. Die Ausbildung sollte weitreichend in die Schulungsprogramme der Unternehmen Einzug halten. So kommt es zu einem verbesserten Basiswissen und Gesamtverständnis in der gesamten Organisation. Ohne ein solches Wissen ist der operative Einsatz der KI schwierig. Für einzelne Funktionen oder Rollen wird es dennoch notwendig sein, extern zu rekrutieren.