Um zu vermeiden, dass Händler für jedes einzelne Paket, das sie nach Europa senden, separate Umsatzsteuern entrichten müssen, nutzen Temu und Shein ein Verfahren namens „Import One Stop Shop“ (IOSS). Dieses System gilt für Sendungen an Endverbraucher mit einem Warenwert von bis zu 150 Euro. Die Händler beantragen dabei eine IOSS-Nummer in einem beliebigen EU-Land und melden ihre Gesamtumsätze über diese Nummer an die Steuerbehörden. Dadurch können sie die fällige Einfuhrumsatzsteuer gebündelt abführen.
Ein weiterer Kniff betrifft die Zollabwicklung: Für Warenlieferungen in die EU gibt es einen Freibetrag von 150 Euro. Da Temu und Shein ihre Produkte als Einzelpakete direkt aus China verschicken, überschreiten sie diesen Wert in der Regel nicht, was bedeutet, dass ihre Sendungen zollfrei bleiben. Im Gegensatz dazu müssen europäische Händler, die oft große Containerlieferungen aus Asien importieren, deutlich höhere Zollgebühren zahlen.
Ein weiteres Problem bei den Importen aus China betrifft die immense Menge an Sendungen. Nach Angaben der EU-Kommission wurden im Jahr 2023 etwa zwei Milliarden Pakete mit einem Warenwert unter 150 Euro in die EU geliefert. Angesichts dieser Zahlen sehen Experten ein erhebliches Potenzial für Manipulationen bei den deklarierten Warenwerten. Das IOSS-System ist auf die Verarbeitung großer Datenmengen ausgelegt und basiert daher weitgehend auf digitalen Informationen. Eine hohe Datenqualität ist dabei entscheidend, doch gerade bei den Sendungen aus China hapert es oft an der Genauigkeit.
Die Temu-Software ist hochentwickelt und ermöglicht eine präzise Verfolgung der Sendungen ab dem Moment der Produktion. Zudem gewährleistet sie eine reibungslose Abwicklung von Zahlungen und Rücksendungen. Im Gegensatz zu vielen Amazon-Modellen bleibt die Ware bis zum endgültigen Verkauf im Besitz des Lieferanten. Dies reduziert für Temu sowohl die operativen Kosten als auch das finanzielle Risiko erheblich.