Europäische Solarindustrie in der Krise : Solarhersteller Meyer Burger scheitert in den USA

Aus einer ehemaligen Chipfabrik sollte eine Solarproduktion werden. Nun steckt Meyer Burger in einer Sackgasse

Meyer Burger steht vor einer kritischen Phase: Die Absage der Zellproduktion in den USA und die Anpassungen in der Modulproduktion werfen Fragen zur Zukunft des Unternehmens auf.

- © Meyer Burger

Der Schweizer Solarkonzern Meyer Burger hat den geplanten Bau einer großen Produktionsstätte in den USA aufgegeben. Aufgrund finanzieller Hürden wird die angekündigte Solarzellenfertigung in Colorado Springs vorerst nicht realisiert, wie das Schweizer Unternehmen am Montag bekanntgab. Diese Nachricht führte zu einem dramatischen Einbruch des Aktienkurses, der beim Handelsstart um fast 50 Prozent auf unter 2,14 Franken fiel. Seit ihrem Höchststand im Frühjahr 2023 haben die Aktien damit etwa 98 Prozent ihres Wertes eingebüßt.

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Der Schritt wird auch die mittelfristig angekündigte Profitabilität des einstigen Erfolgsunternehmens verringern. Deshalb startet Meyer Burger parallel ein umfassendes Restrukturierungs- und Kostensenkungsprogramm. Dieses Programm betrifft laut einer Unternehmenssprecherin nicht nur den sächsischen Standort Hohenstein-Ernstthal, sondern auch die Niederlassungen in der Schweiz, den USA und Asien.

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- © Industriemagazin

Am Standort Deutschland hält man fest

Die Erweiterung der Modulproduktion im US-Bundesstaat Arizona soll vorerst fortgesetzt werden, jedoch nur bis zu einer Produktionskapazität von 1,4 Gigawatt anstatt der ursprünglich geplanten 2,1 Gigawatt, erklärte die Sprecherin. Die benötigten Solarzellen für die Module werden weiterhin aus dem deutschen Werk in Bitterfeld-Wolfen geliefert.

Trotz der strategischen Änderungen will Meyer Burger entgegen den bisherigen Planungen an der Produktion in Deutschland festhalten. Der Standort in Thalheim bei Bitterfeld-Wolfen bleibt erhalten und soll zukünftig das zentrale Element der Solarzellenversorgung für Meyer Burger sein.

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Das Unternehmen betont, dass diese Solarzellen unter den aktuellen Marktbedingungen die wirtschaftlichste Option zur Versorgung der Modulfertigung im Werk Goodyear darstellen. Damit könnten bestehende Langzeitabnahmeverträge bedient und die Produktionskapazitäten in Goodyear optimal ausgelastet werden. Gespräche mit potenziellen Neukunden über zusätzliche Liefermengen laufen bereits. Die Nominalkapazität im Werk Goodyear beträgt 1,4 Gigawatt. Der geplante Ausbau um weitere 0,7 Gigawatt wird jedoch vorerst auf Eis gelegt, bleibt aber eine potenzielle Option für die Zukunft.

Der Solarkonzern steht finanziell unter enormem Druck. Die jüngste Ankündigung von Meyer Burger verdeutlicht, wie schwierig die Lage für das Unternehmen tatsächlich ist. Die Expansion in die USA galt daher als letzter Rettungsanker für den angeschlagenen Modulhersteller. Doch Meyer Burger kämpft seit Jahren mit roten Zahlen, und die Situation hat sich durch die Flut von Billigmodulen aus China, die in den letzten Monaten den europäischen Markt überschwemmt haben, noch weiter verschärft.

Fremdfinanzierung durch US-Steuergutschriften

Meyer Burger erwartet durch diese Maßnahmen einen signifikant geringeren Finanzbedarf in naher Zukunft. Die bisher geplante Fremdfinanzierung durch spezielle US-Steuergutschriften wird weiterhin, aber in reduziertem Umfang verfolgt. Auch das mittelfristig erwartete operative Ergebnis sowie der Verschuldungsgrad der Gruppe werden voraussichtlich niedriger ausfallen als ursprünglich prognostiziert.

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Zusätzlich kündigt Meyer Burger ein umfassendes Restrukturierungs- und Kostensenkungsprogramm an, das der "Erreichung einer nachhaltigen Profitabilität" dienen soll. Im Rahmen dieser Neuausrichtung tritt Mark Kerekes aus dem Verwaltungsrat zurück. Die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen, die ursprünglich für den 16. September 2024 geplant war, wird auf den 30. September verschoben, vorausgesetzt, die Börse SIX stimmt zu. Andernfalls könnte ein noch späterer Termin in Betracht gezogen werden.

Meyer Burger kämpft mit Billigimporten und USA-Expansion

Trotz einer Rekordnachfrage nach Solarmodulen befindet sich die europäische Photovoltaikbranche in einer schweren Krise. Bereits vor Monaten schlug die Branche Alarm: Die steigende Flut günstiger Module aus China, die zunehmend den europäischen Markt überschwemmen, verschärft die Probleme erheblich. Innerhalb eines Jahres sind die Preise für Solaranlagen von 30 Cent pro Watt Peak auf 13 Cent gefallen, was einem Rückgang von fast 56 Prozent entspricht. Sogar die führenden Unternehmen in China kämpfen mittlerweile mit finanziellen Problemen. Zu diesen Preisen ist eine profitable Produktion für niemanden mehr möglich.

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Für Meyer Burger war die Expansion in die USA der Versuch, einen Ausweg aus der Krise zu finden. Das Unternehmen setzte große Hoffnungen auf die milliardenschweren Subventionen des Investitionsprogramms Inflation Reduction Act (IRA). Doch „in den USA sind die Investitionskosten für viele Güter in letzter Zeit gestiegen“, erläutert eine Sprecherin. Zudem blieben die erwarteten Steuergutschriften in Höhe von 1,4 Milliarden Dollar hinter den Erwartungen zurück.Meyer Burger plante, durch eine Kombination aus Subventionen, Krediten und einer Kapitalerhöhung die Rückkehr in die Gewinnzone zu schaffen. Dafür wären jedoch rund 450 Millionen Franken notwendig gewesen, eine Summe, die das in der Schweiz ansässige Unternehmen letztlich nicht aufbringen konnte.

Ist das Unternehmen angezählt?

In Branchenkreisen gilt Meyer Burger schon lange als angezählt. Mit der Absage der Zellproduktion in den USA stellt sich nun die Frage, wie lange das Unternehmen noch überleben kann, so ein Insider gegenüber dem Handelsblatt. Auch die Reduzierung der Modulproduktion in Goodyear könnte problematisch werden, da Meyer Burger bereits Abnahmeverträge für einen Großteil der geplanten Kapazität abgeschlossen hat.

Ob diese Verträge tatsächlich erfüllt werden können, bleibt unklar. Das Unternehmen selbst äußert sich vorsichtig und erklärt, dass die bestehenden Langzeitabnahmeverträge „voraussichtlich bedient“ werden könnten. Diese Unsicherheit könnte auch die laufenden Verhandlungen mit potenziellen Neukunden zusätzlich belasten.

Das Unternehmen Fronius , als Hersteller der intelligentesten Teile einer Solaranlage, des Wechselrichters, war mit einem Umbruch am Markt konfrontiert. An den Häfen Europas stapelten sich die billig in China hergestellten Solarmodule. Die Preise für die relativ energie- und rohstoffintensiv zu produzierenden Panele aus Solarzellen fielen daraufhin dramatisch. Reihenweise bauten Fertiger der Solarzellen ihre Produktion Europa zurück. Der Rückgang am Markt für Wechselrichter war deutlich spürbar, aber noch nicht dramatisch. Doch mittlerweile bahnt sich dieselbe Krise auch auf dem Markt für Wechselrichter an. Die Preise für die intelligenten und durchaus auch sicherheitsrelevanten Geräte, die die Gleichspannung des Stroms aus dem Panel in Wechselstrom wandelt, sind in den letzten Monaten um 30 Prozent gefallen. Der Grund auch hier: Anbieter aus Fernost sind um 30 bis 40 Prozent billiger und die Läger sind, auch weil die Produktion hochgefahren wurde, randvoll. Eine Entwicklung, wie wir sie schon im Panelbereich gesehen haben, wiederholt sich: Im Juni erst meldete das Unternehmen Solarnative, Entwickler des weltweit kleinsten Wechselrichters aus Frankfurt, beim zuständigen Gericht Insolvenz an. Bei Fronius wurden im Juni 350 Mitarbeiter entlassen. Doch wie sind wir eigentlich an diesem Punkt in der Solarkrise in Europa angekommen? Und wie geht es, besonders bei Fronius, jetzt eigentlich weiter?