Lenze Austria : Lenze Austria: „Nur ein schlanker Prozess ist effizient digitalisierbar“

Lenze-Austria-Geschäftsführer Marco Gattringer-Ebner und Markus Deixler-Wimmer, Sales Director EMEA East

Lenze-Austria-Geschäftsführer Marco Gattringer-Ebner und Markus Deixler-Wimmer, Sales Director EMEA East

- © Markus Schneeberger

Interview: Martin Gold

INDUSTRIEMAGAZIN:
Digitalisierung, Dekarbonisierung und Deglobalisierung: Unternehmen aus der Industrie stehen aktuell vor vielfältigen Herausforderungen. Wie reagieren Sie auf diese?

Marco Gattringer-Ebner:
Bei der Entwicklung dieser Strategien hilft mir meine Überzeugung, sich ständig zu verändern und selbst bewährtes immer wieder in Frage zu stellen. Diesen Wandel versuche ich im Sinne der Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit umzusetzen. So spielt die Digitalisierung bereits seit längerem eine wichtige Rolle auf unserem Weg zum Komplettanbieter in Sachen Automation und Mechatronik. Zwischenzeitlich haben wir dank des breiten Portfolios und unserer Lösungskompetenz eine bedeutende Stellung am Markt erreicht.

Markus Deixler-Wimmer:
Die Digitalisierung hat bei unseren Kunden in den vergangenen zwölf Monaten enorm an Bedeutung gewonnen, zumal man das Potenzial entdeckt, in immer vielfältigeren Bereichen mit Digitalisierung Erlösströme zu generieren. Dank unseres Angebots können wir diese Nachfrage rasch und in gewinnbringender Form bedienen.

Gattringer-Ebner:
Von großer Bedeutung sind für Lenze die Themen Dekarbonisierung und Energieeffizienz, obwohl lange die Nachfrage nach explizit energiesparenden Lösungen – wohl auf Grund der niedrigen Energiepreise – nicht hoch war. Heute sehen wir, dass jene Kunden, die früh in solche Lösungen investiert haben, belohnt werden. Insofern profitieren wir jetzt davon, diese Produkte schon früh entwickelt und immer wieder verbessert zu haben, sodass wir heute ein komplettes Portfolio anbieten können. Zurzeit ist die Nachfrage nach energieeffizienten Lösungen enorm.

Auf welche technischen Strategien setzen Sie hier?

Deixler-Wimmer:
Wir verfolgen zwei große Ansätze: Zum einen ist es das Vermeiden von Verlusten, die bei der Umwandlung von Gleich- in Wechselstrom und umgekehrt entstehen. Wir stellen uns die Frage: Warum nicht sämtliche Antriebe eines Fabriknetzes mit Gleichstrom betreiben? Ein großer Teil der Umwandlungsverluste lässt sich so vermeiden. Und es entsteht der positive Nebeneffekt, dass es technisch sehr einfach möglich ist, die Bremsenergie, und das ist der zweite große Ansatz, als Beschleunigungsenergie für einen anderen Antrieb zu nutzen. Im Rahmen einer Modellfabrik beteiligt sich Lenze aktuell intensiv an einem Forschungsprojekt zu dieser Thematik. Wir wollen konkret wissen, welche Energie- und damit Kosteneinsparungen sich so erwirtschaften lassen – vor allem, wenn dieser Ansatz nicht nur bei wenigen Großantrieben, sondern in der Breite und damit auch im kleinen Leistungsbereich angewandt wird. Jede eingesparte Kilowattstunde hat mittlerweile großen Wert und wir spüren dieses Potenzial mit unserer Technologie auf.

Gattringer-Ebner:
Forschung und die intensive Zusammenarbeit mit Universitäten und Fachhochschulen spielen bei uns eine wichtige Rolle. Wir haben bereits dutzende Studien und Projektarbeiten ermöglicht, vom Thema Fahrerlose Transportsysteme über die RFID-Technologie oder VR- bzw. AR-Lösungen bei Montageprozessen und viele mehr. Apropos Montage: Bereits seit geraumer Zeit wird bei uns kein Montageprozess umgebaut bzw. verändert, bevor wir diesen digital simuliert und optimiert haben. Was mit einem Uni-Projekt begann, ist nun internationaler Lenze-Standard. Die Digitalisierung lebt Lenze also sowohl auf Lösungsebene mit seinen Produkten, als auch intern in den Abläufen.

Lenze-Austria-Chef Marco Gattringer-Ebner
Lenze-Austria-Chef Marco Gattringer-Ebner: "Heute sehen wir, dass jene Kunden, die früh in nachhaltige Lösungen investiert haben, belohnt werden" - © Markus Schneeberger

Der Arbeitsmarkt ist derzeit schwierig und unterliegt dem demografischen Wandel. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Gattringer-Ebner:
Die Babyboomer-Generation wird von einer Generation jüngerer Arbeitnehmer ergänzt, die die Work-Life-Balance stark in den Fokus rückt. Wir als Arbeitgeber dürfen uns daher anstrengen, für die Menschen attraktive Bedingungen zu schaffen. Neben der Automatisierung spielt hier die Digitalisierung eine wichtige Rolle: Dank immer günstigerer, gleichzeitig aber leistungsstärkerer Hardware ist es ein Gebot der Stunde, Arbeitsprozesse zu digitalisieren. Wobei: Ein schlechter Prozess bleibt auch digitalisiert ein schlechter Prozess. Digitalisierung muss also stets Hand in Hand mit einer laufenden Verschlankung und Optimierung einhergehen.

Deixler-Wimmer:
Der demografische Wandel ist als Thema bereits über Jahrzehnte präsent, wurde aber insgesamt zu wenig ernst genommen. Nun ist das Thema auch in Europa mit großer Härte und mit aller Konsequenz in unserer Industrie angekommen – allerdings geschätzt mit gut zehn Jahren Verspätung im Vergleich zu Ländern wie Japan oder Südkorea, wo die Robotik und ein enorm hoher Automatisierungsgrad nicht nur in Fertigungsprozessen, sondern auch vielen Servicebereichen alltäglich sind. Umso mehr müssen wir uns heute um die Bindung der Mitarbeiter an das Unternehmen kümmern. Außerdem hat uns Corona im Vertrieb förmlich auf einen anderen Stern „gebeamt“ – im positiven Sinn. Neuen Bewerbern sage ich gerne: Egal, welche Vorstellungen Sie vom Vertrieb haben: Werfen Sie sie über Bord! Der Vertrieb ist heute viel, viel bunter als vor drei Jahren. Wenn Mitarbeiter die neuen Möglichkeiten, Strukturen und Werkzeuge, welche die digitale Arbeitswelt bietet, erkennen, eröffnet sich ihnen oft ein gänzlich neuer Blick. Insbesondere im Vertrieb unterstützen uns zudem externe Coaches, um unsere High-Potentials aktiv zu fördern.

Gattringer-Ebner:
Nicht zuletzt ist es in unserem Interesse, vernetzt mit Politik und Interessensvertretungen, internationale Schlüsselarbeitskräfte nach Österreich zu holen. So wollen wir entscheidende Schritte setzen, um unsere weltweite Marktbedeutung und damit unseren Wohlstand zu erhalten.

Lenze lebt seit zehn Jahren die Lean-Kultur. Welche Erfahrungen haben Sie in dieser Zeit gesammelt und welche Schlüsse daraus gezogen?

Gattringer-Ebner:
Die Einführung vor zehn Jahren begann kurz nach der Fertigstellung unseres Erweiterungsbaus. Damals wurden Stimmen laut, dass trotz der vergrößerten Fläche und des neuen Hochregallagers zu wenig Platz zur Verfügung stünde und interne Prozesse nicht optimal laufen könnten. Die Lenze-Unternehmensführung entschloss sich daher, die damals bereits an einigen wenigen Standorten implementierte Lean-Kultur auch in Österreich auszurollen. Der Zeitpunkt war ideal, um dieses Konzept mit Energie und Tiefgang umzusetzen. Die Einführung des Lean-Konzepts bedeutete letztendlich einen Wandel der Unternehmenskultur hin zu klaren Strukturen und zu einer gemeinsamen Gestaltung von Veränderungs- und Verbesserungsprozessen. Kurz: Auf der uns seit der Erweiterung zur Verfügung stehenden Fläche wickeln wir heute dank Lean ein etwa um den Faktor 4 erhöhtes Produktionsvolumen ab – und wir haben noch immer Reserven. Die enorm gesteigerte Effizienz hat uns dieses Wachstum ermöglicht. Und damit das so bleibt und Lenze weiterhin zu den besten und produktivsten Unternehmen gehört, lassen wir zwei Mal jährlich ein externes Audit durchführen.

Markus Deixler-Wimmer, Sales Director EMEA East:
Markus Deixler-Wimmer, Sales Director EMEA East: "Neuen Bewerbern sage ich gerne: Egal, welche Vorstellungen Sie vom Vertrieb haben: Werfen Sie sie über Bord" - © Markus Schneeberger

Der Vormarsch von künstlicher Intelligenz hat Auswirkungen auf die gesamte Technologie. Wie spiegelt sich dies in den Produkten und Systemen von Lenze?

Deixler-Wimmer:
Aktuell gibt es einen wahren Hype um die künstliche Intelligenz, das Thema ist praktisch in jeder Familie und in jedem Haushalt angekommen. Unsere Kunden stellen sich die Frage, wie sie dieses Potenzial gewinnbringend nutzen werden – und wir unterstützen sie dabei. Die Tragweite von künstlicher Intelligenz verdeutlicht am besten ein Beispiel: Bisher war die vorausschauende Wartung, überspitzt gesagt, nur wenig mehr als das Zusammenfassen und Auswerten aufgetretener Fehlerbilder. Mit heutigen Technologien können wir wertvolle Achsinformationen, die der Antriebsregler 16.000 Mal pro Sekunde verarbeitet, direkt abgreifen und über definierte Protokolle in die Cloud übertragen. Die dort zur Verfügung stehende Rechenpower erkennt mit Hilfe von KI sofort Anomalien im Antriebsstrang, beispielsweise ein Nachlassen der Riemenspannung.

Das versetzt Maschinenbauer und Betreiber gleichermaßen in die Lage, nun erstmals wirklich zuverlässig Rückschlüsse auf den Maschinenzustand zu treffen, rechtzeitig einzugreifen und so die Verfügbarkeit weiter zu erhöhen. Gleichzeitig wird dieser Prozess lückenlos dokumentiert. Lenze hat Lösungen wie diese bereits bei Kunden implementiert. KI steckt zwar nach Ansicht erfahrener Experten noch in den Kinderschuhen, die Entwicklung ist jedoch von einer gewaltigen Dynamik getrieben. Wir haben uns auf die Fahnen geheftet, KI-Lösungen für den Maschinenbau einfach nutzbar machen – das Potenzial ist enorm.

Gattringer-Ebner:
Vielfach scheitern intelligente KI-Lösungen noch an der Bereitschaft von Partnern, Daten transparent zu machen und zu vernetzen. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich Europa auf den Weg machen muss, hier Rahmenbedingungen zu schaffen, um mit der weltweiten Entwicklung Schritt zu halten. Ich denke hier etwa an den sicheren und standardisierten Datenaustausch oder überhaupt an eine massiv verstärkte Technologieförderung. Passiert dies nicht, sehe ich die Gefahr, dass Europa links und rechts von progressiven und aufstrebenden Nationen außerhalb Europas überholt wird. Wagen wir uns die entscheidenden Schritte weiter, werden wir überrascht sein, welche Möglichkeiten dies eröffnet. Und auch hier gilt das Credo Vernetzung und Erfahrungsaustausch: Niemand soll glauben, alleine erfolgreich sein zu können.

Dieser Artikel entstand in Kooperation mit Lenze Austria.

ZUR PERSON

Gattringer-Ebner ist seit 2009 Geschäftsführer der Lenze Austria GmbH, hat in dieser Zeit mit seinem Team den Standort Österreich zur Lead-Factory entwickelt und darüber hinaus innerhalb des Lenze Konzerns internationale Aufgaben und Rollen begleitet. Seit Mai dieses Jahres verantwortet Gattringer-Ebner den europaweiten Bereich Wertstrom „Elektromechanik + Motoren“ und ist zudem in der Geschäftsführung der Lenze Operations GmbH in Deutschland tätig.In dieser Zeit hat sich Lenze von einem klassischen Antriebstechnik-Hersteller zu einem Anbieter kompletter Automatisierungstechnik- und Mechatronik-Lösungen entwickelt.

Deixler-Wimmer
startete seine Lenze-Karriere Ende 2022 als Vertriebsleiter für Österreich und Osteuropa. In seine Verantwortung fällt die Ausrichtung der vertrieblichen Organisation hinsichtlich der laufenden Veränderungen eines dynamischen Marktes.