Streiks in der Metalltechnischen Industrie : Metaller-Verhandlungen: Einigung oder Eskalation am Donnerstag

Reinhold Binder Gewerkschaft Streik Metaller

Gewerkschaftschef Binder (links) nach dem Scheitern der siebenten Verhandlungsrunde: "Vertiefte" Streiks angekündigt.

- © Daniel Gürtler

Der Countdown läuft: Heute Donnerstag begann die achte Verhandlungsrunde der Metaller. Die Gewerkschaft hat weite Teile ihres Repertoires an Protestmaßnahmen ausgespielt – von Betriebsrätekonferenzen, Betriebsversammlungen, Warnstreiks bis hin zu befristeten Arbeitsniederlegungen, die von achtstündigen Schichtausfällen bis zu 24-stündigen Streiks reichen. Zuletzt hatte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian mit einer Streikfreigabe für den Handel auch den Druck auf die richtungsweisende Metaller-Lohnrunde erhöht.

Donnerstagabend standen die Zeichen - zumindest vorerst - auf Einigung. Dem Vernehmen nach sollen die Arbeitgeber noch einmal nachgelegt haben. Gelobt wurde auch das gute Verhandlungsklima - nach Streiks in den vergangenen Tagen. Zuletzt hatten die Gewerkschaften PRO-GE und GPA einen Lohn- und Gehaltsplus von 10,6 Prozent gefordert.

Zuvor wurden rhetorisch alle Register gezogen: Die Haltung der Arbeitgeber in Handel und Metallindustrie sei eine Belastung für die Sozialpartnerschaft, legte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian am Mittwoch im "Ö1-Morgenjournal" nach. Betriebsräte und Gewerkschafter würden teilweise unter Druck gesetzt und bedroht. Hier habe er eine klare Botschaft: "Ein Betriebsrat ist keine Einzelperson, er ist Teil einer Bewegung. Wer sich mit Einzelnen anlegt, legt sich mit uns allen an", gab sich der oberste Gewerkschafter des Landes kämpferisch. "Unser Job ist es auf die Menschen zu schauen", meinte Katzian und stellte klar: "Wenn jetzt die Inflation zurück geht wird nichts billiger."

Und doch handelte es sich bisher in der Metallindustrie nur um punktuelle, oft nur wenige Stunden andauernde Arbeitskampfmaßnahmen. Kein Vergleich zu den Ankündigungen über flächendeckenden Streiks, die Gewerkschafter vor dem Scheitern der letzten Verhandlungsrunde am Montag vor zwei Wochen geäußert haben. Wie hoch die Leidensfähigkeit der Gewerkschaften, die sich auf einen Abschluss über der rollierenden Inflationsrate von 9,6 Prozent einzementiert hat, am Donnerstag sein wird, ist ungewiss. Nicht in die Karten schauen lässt sich auch die Arbeitgeberseite: "Wir werden unsere Position durch Streiks nicht ändern" gibt sich FMTI-Chef und Arbeitgeberverhandler Christian Knill zumindest nach außen kompromisslos. Angesichts der hohen Inflation die auch Unternehmen treffe "müssen wir heuer alle einen geringen Wohlstandsverlust hinnehmen", so die Argumentation.

Sticheleien von beiden Seiten.

Am Freitag wurde das Unternehmen des Sicherheitstechnik-Herstellers EVVA zum öffentlichkeitswirksamen Ort des Protestes der Gewerkschaften auserkoren. Denn: Firmenchef Stefan Ehrlich-Adám ist KV-Verhandler der Arbeitgeber des Fachverbandes der Metalltechnischen Industrie (FMTI). ÖGB-Chef Wolfgang Katzian, persönlich anwesend, hat den streikenden Mitarbeitern des EVVA-Werkes in Wien die Solidarität sämtlicher Gewerkschaften für den Arbeitskampf der Beschäftigen der Metallindustrie ausgerichtet. Und er appelliert eine Kollektivvertragseinigung auf Basis der rollierenden Inflation - sonst könnte es zu Protestmaßnahmen von Handel, Metallindustrie und den Sozialberufen kommen, die bis zu 900.000 Arbeitnehmer umfassen.

Lesen Sie hier: FMTI-Chefverhandler Knill: Verhandlungen sind keine Einbahnstrasse

Zum den Streikaktivitäten vor seinem Werk ließ es sich EVVA-Chef Ehrlich-Adám nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass bei der Maßnahme wohl streikende Personen aus anderen Betrieben, sowie Funktionärinnen und Funktionäre der Gewerkschaften und Arbeiterkammer beteiligt gewesen wären, denn: "Die EVVA-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben heute alle einen Tag Sonderurlaub erhalten um sie zu schützen" wie es in einer schriftlichen Stellungnahme des Unternehmens heißt. In seiner Funktion als Arbeitgeberverhandler erklärte Ehrlich-Adam: "Wir treten den Streiks mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln entgegen. Jede Form von unzulässiger Behinderung oder Blockade wird zur Anzeige gebracht." Klar sei auch, dass es keine Entgeltfortzahlung der Arbeitgeber für die bereits stattgefundenen Arbeitsniederlegungen geben werde.

Die Dienstag voriger Woche gestarteten Streiks in der Metallindustrie enden heute Mittwoch, unter anderem findet eine Kundgebung samt Demo beim Kranhersteller Palfinger in Lengau statt.

Am Tisch liegt derzeit die Forderung der Arbeitnehmervertreter von 10,6 Prozent mehr Brutto-Lohn und -Gehalt, gestartet wurden die Verhandlungen im Oktober mit der – damals auch von Experten als überraschend moderat eingeschätzten – Forderung nach einem Plus von 11,6 Prozent. Die Verhandler der Arbeigeberseite haben zuletzt nach eigenen Berechnungen im Schnitt 8,2 Prozent Lohnerhöhung geboten – was für die unteren Beschäftigungsgruppen bis zu zwölf Prozent Plus ergeben soll. Dies jedoch über Einmalzahlungen, die nur für das kommende Jahr wirksam wären. Die Industrie wäre aber zu einer Nachbesserung bereit, wenn es dafür Abschläge im Rahmenrecht, also beispielsweise bei Überstunden, gibt.

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Streik Metaller Collini KV Verhandlungen
Collini Werk im Salzburger Bürmoos: Am 14. November waren die Mitarbeiter der Feuerverzinkerei die ersten Streikenden nach dem Scheitern der siebenten Verhandlungsrunde. - © Pro Ge

Streiks im Weihnachtsgeschäft als Druckmittel für Metaller?

Am Dienstag trafen sich die Kollektivvertragsverhandler der Handelsbranche zu einer weiteren Verhandlungsrunde. Das aktuelle Angebot der Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber im Handel liegt derzeit bei 5 Prozent Gehaltserhöhung plus einer Einmalzahlung.

Nachdem es gestern auch in der vierten Verhandlungsrunde für den Kollektivvertrag 2024 der 430.000 Handelsangestellten keine Einigung gab, fand heute Mittwoch ÖGB-Chef Katzian deutliche Worte. In der Coronakrise seien die Beschäftigten noch als systemrelevant beklatscht worden. "Und jetzt behandelt man sie wie einen nassen Fetzen und gibt ihnen in Wirklichkeit nicht einmal ansatzweise die rollierende Inflation. Wie soll sich das denn ausgehen", so der Gewerkschaftspräsident.

WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf warf heute den Gewerkschaften vor, anstatt zu deeskalieren auf weitere Scharfmacherei zu setzen. "Das ist angesichts der Situation der Betriebe, die teilweise mit dem Rücken an der Wand stehen, verheerend. Die dazu in den letzten Tagen und Wochen getroffene Wortwahl ist inakzeptabel, unangebracht und wird seitens der Wirtschaft entschieden zurückgewiesen", meinte er.

Ein Novum heuer ist, dass wegen der stockenden KV-Verhandlungen in der Metall-Industrie jetzt mit einer Ausweitung von (Warn-)Streiks im Handel zusätzlicher Druck aufgebaut werden soll. Denn traditionell orientiert sich der Handel an den Metallern, lediglich einmal in den letzten 25 Jahren gab es einen zeitgleichen KV-Abschluss. Sollte es bei der Handels-KV-Runde am Dienstag zu keiner Einigung kommen, will die Gewerkschaft noch vor dem traditionell wichtigen arbeitsfreien 8. Dezember-Einkaufstag mit Warnstreiks beginnen.

Verhandelt wird derzeit auch über den KV für das Metallgewerbe. Der Geltungsbereich des Kollektivvertrags Metallgewerbe betrifft viele verschiedene Unternehmensgruppen, unter anderem gewerbliche Betriebe in der Elektrotechnik, Metalltechnik, Mechatronik und Kfz-Mechanik sowie die Gruppe der Installateure. Die erste Runde von Gesprächen in der Vorwoche verlief dabei nach Angaben der Gewerkschaft "konstruktiv". Die zweite Runde der Metallgewerbe-KV-Verhandlungen fand am 27. November statt - Einigung wurde bislang keine erzielt.

Streik 16 11 voestalpine 5 metaller runde
Streik bei der Voestalpine: 24 Stunden waren Mitarbeiter des Stahlkonzerns vergangene Woche im Ausstand. - © Pro Ge