Auslandsinvestitionen in Österreich sinken : "Investitionsstandort Österreich muss sich anschnallen"

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Gunther Reimoser, Country Managing Partner von EY Österreich: „Nicht nur auf der Kostenseite hat Österreich in den letzten Jahren bereits deutlich Attraktivität eingebüßt – gerade für Industrieunternehmen.

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Europaweit wurden im vergangenen Jahr insgesamt 5.694 Investitionsprojekte ausländischer Investoren angekündigt, ein Rückgang um fast fünf Prozent (minus 268 Projekte). Das Vor-Pandemie-Niveau wurde damit weiterhin deutlich verfehlt: So lag die Zahl der ausländischen Investitionsprojekte um mehr als elf Prozent unter dem Wert von 6.412 Projekten in 2019. Unter den größeren europäischen Standorten entwickelten sich im vergangenen Jahr nur die drei erstgereihten Länder, Frankreich, Großbritannien und Deutschland, mit Zuwachsraten von mehr als zehn Prozent dynamisch: Frankreich konnte 21 Prozent zulegen, das zweitplatzierte Großbritannien 17 Prozent und Drittgereihter Deutschland immerhin noch 13 Prozent. Alle anderen europäischen Standorte konnten 2023 nur mehr Wachstumsraten im einstelligen Bereich einfahren.

Österreich konnte sich zuletzt 2021 über einen Investitionszuwachs freuen: Die Investitionen stiegen damals gegenüber 2020 um über ein Drittel (35 %) von 76 auf 103, sanken dann aber leicht auf 101 Projekte in 2022. 2023 ist die Anzahl der Investitionen deutlich rückläufig und pendelt sich nun mit einem Minus von über 20 Prozent unterhalb der Einhunderter-Marke bei nur mehr 80 Projekten ein.

Unter den größeren europäischen Standorten sind Großbritannien und Polen die Gewinner – Österreich nach Rückgang weiterhin auf Platz 13.

„Österreich sollte dringend an einigen Stellschrauben drehen, um ein starker und wettbewerbsfähiger Standort zu bleiben und Auslandsinvestoren nicht nachhaltig an andere Investment-Destinationen zu verlieren“, meint Gunther Reimoser von EY Österreich. „Nicht nur auf der Kostenseite hat Österreich in den letzten Jahren bereits deutlich Attraktivität eingebüßt – gerade für Industrieunternehmen. Und bei Forschung, Entwicklung und digitalen Innovationen sind andere Standorte besser aufgestellt. Hierzulande dauert vieles einfach zu lange und ist mit einem hohen bürokratischen Aufwand verbunden – ob es nun um Planungs- und Genehmigungsverfahren oder auch den Ausbau der digitalen und der Energie-Infrastruktur geht.“

Frankreich erstmals beliebter als Deutschland

Obwohl sich der Abwärtstrend der Projekte mit einem aktuellen Rückgang von fast 20 Prozent weiter fortsetzt, bleibt Deutschland 2023 der größte Auslandinvestor in Österreich mit 36 Investitionen. Auf dem zweiten Platz rangierte auch 2023 die Schweiz mit acht Investitionen, gefolgt von den USA auf dem dritten Platz.

Für österreichische Investments war 2023 erstmals nicht Deutschland, sondern Frankreich die attraktivste Destination: 16 Projekte wurde von österreichischen Investoren mit französischen Unternehmen umgesetzt. Deutschland erreichte Rang zwei mit nur mehr elf österreichischen Investitionen innerhalb der deutschen Landesgrenzen – fast eine Halbierung der 2022 getätigten 21 Investitionen. Bronze erzielten die Türkei und Großbritannien mit je zehn Projekten. Nach einem deutlichen Anstieg im Jahr 2021 auf 126 Investitionsprojekte von österreichischen Investor:innen im Ausland gab es 2022 einen Rückgang um knapp 20 Prozent auf 102 – und 2023 scheint mit nur mehr 90 Projekten eine weitere Talsohle erreicht.

Europa: Maschinenbau mit größtem Zuwachs

Europaweit verlief die im vergangenen Jahr je nach Branche sehr unterschiedlich, wobei sich gerade die beiden wichtigsten Branchen am schwächsten entwickelt haben. In der Branche „Software/Dienstleistungen“ wurde im vergangenen Jahr ebenso wie bei den Unternehmensdienstleistungen ein deutlicher Rückgang von 19 bzw. 27 Prozent registriert – beide Branchen hatten sich im Vorjahr allerdings auch besonders stark entwickelt (plus 20 bzw. 13 %). Die Automobil-/Fahrzeugindustrie verzeichnete 2023 einen Rückgang um fünf Prozent und rutscht im Branchenranking vom dritten auf den vierten Rang. Das größte Plus konnten die Maschinenbau- (+15 %), die Elektroindustrie (+14 %) und Finanzdienstleistungen (+13 %) einfahren.

Insgesamt bleibt Reimoser mehr als skeptisch, ob es in diesem Jahr gelingen wird, die Investitionstätigkeit in Österreich und Europa anzukurbeln: „Für das Jahr 2024 sehe ich weder eine Renaissance des Standorts Europa, noch eine für Österreich. Die geopolitischen Spannungen nehmen immer weiter zu, und auch die Konjunkturaussichten sind – gerade für Österreich und unseren sehr wichtigen Investor Deutschland – alles andere als rosig. Der Investitionsstandort Österreich muss sich anschnallen und wieder attraktiver werden, denn es ist ganz klar, wir verlieren seit Jahren immer mehr den Anschluss. Die hohe Steuerbelastung und die überbordende Bürokratie sprechen nicht für uns, und auch im Bereich Digitalisierung und Innovation heißt es, die Ärmel aufzukrempeln, um nicht auf der Strecke zu bleiben“.

Die großen europäischen Industrienationen: Nur in Deutschland zeigt der Mehrjahrestrend klar nach unten.