IV-Konjunkturbarometer : Industriekonjunktur: "Ein allererster Lichtblick"

Christoph Neumayer, IV-Generalsekretär

Im Herbst könnte eine Stagnation die Rezession ablösen: Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung

- © IV/Philipp Horak

"Wir können leider noch keine Entwarnung geben", sagt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV) anlässlich der Vorstellung des IV-Konjunkturbarometers am Montag in Wien. Die Konjunkturerhebung der Industriellenvereinigung für das erste Quartal 2024 ist nach wie vor weit überwiegend von Schatten geprägt, doch ist vereinzelt etwas Licht zu erblicken. Wie schon zu den vorangehenden Quartalen befindet sich die österreichische Industrie weiterhin in der Rezession. Infolge zahlreicher fortbestehender Belastungsfaktoren nimmt diese einen hartnäckigen Verlauf.

"Die Arbeitskostensteigerung ist Gift", sagt Neumayer. Der Druck auf exportiertende Unternehmen Österreichs sei massiv. Auch, dass die Stundenproduktivität seit 2013 lediglich um sechs Prozent gestiegen sei, sei dem Standort anzukreiden. Österreich sei zudem das Land der "Teilzeitmeister". All das sorge dafür, Österreichs Industrie "meilenweit von einem von sich selbst getragenen Aufschwung entfernt ist", sagt IV-Chefökonom Christian Helmenstein.

„Um die Rahmenbedingungen weiter zu verbessern, gibt es unterschiedliche Hebel, die man dringend betätigen sollte – dabei geht es um bereits bekannte Punkte, wie eine Erhöhung des Arbeitsvolumens, den Abbau der bürokratischen Auflagen und eine sichere und leistbare Energieversorgung“, so Christoph Neumayer

„Um den Standort wieder auf Kurs zu bringen, braucht es auch eine stabile, sichere und leistbare Energieversorgung“, betont Neumayer. Insbesondere die infolge eines Stopps des Gastransits durch die Ukraine aufgrund zu geringer alternativer Leitungskapazitäten in Österreich absehbare Gasmangellage würde die inländische Wirtschaft erneut in die Rezession stürzen – bei einem Wertschöpfungsminus in der Größenordnung von 2 Prozent ab 2026 fände nicht nur die konjunkturelle Stabilisierung ein jähes Ende, sondern es wäre auch mit der schärfsten Rezession seit den 1950er Jahren unter Ausklammerung der Lehman- und der COVID-Krise zu rechnen.

Neumayer weiter: „Die Lohnsteuer trägt einen großen Teil unseres Wohlstands und Sozialsystems. Sinkt das Arbeitsvolumen, sinken auch die Einnahmen und das bei steigenden Ausgaben. Immer weniger Menschen tragen daher eine immer größer werdende Last. Um das Arbeitsvolumen im Gesamten zu erhöhen, müssen wir daher eine Arbeitszeitverlängerung – um beispielsweise eine halbe Stunde pro Tag, also 41 Wochenarbeitsstunden – auf die Agenda setzen. Andernfalls werden wir unseren Wohlfahrtsstaat nicht erhalten können. Betrachtet man die Jahresarbeitszeit, gehört Österreich zu den Schlusslichtern weltweit. Anstrengungsloser Wohlstand ist nicht möglich.“

Verfassungs- und Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) hat sich am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz offen für den Wunsch der Industrie nach einer Arbeitszeitverlängerung auf 41 Stunden die Woche gezeigt. "Wenn wir unseren Wohlstand erhalten wollen, müssen wir mehr als weniger arbeiten", meinte sie. Mit "linken Träumen" einer Arbeitszeitverkürzung "wird es sich nicht ausgehen". "Eher mehr als weniger wird notwendig sein", sagte Edtstadler im Haus der Industrie.

ÖGB Bundesgeschäftsführerin Ingrid Reischl reagierte entsetzt auf die heutigen Aussagen von Edtstadler: "Dass jetzt auch die Bundesregierung in den von der IV angeführten Chor einstimmt und ebenfalls eine Arbeitszeitsverlängerung fordert, ist völlig absurd. Runter mit der Arbeitszeit und nicht hinauf, muss die Devise lauten." Reischl erinnert daran, dass allein im Vorjahr Beschäftigte in Österreich fast 47 Millionen Überstunden ohne Geld- oder Zeitausgleich geleistet hätten. "Jede vierte Überstunde ist unbezahlte Gratisarbeit", so die Gewerkschafts-Chefin.

Die Diskussion um eine Verlängerung der Arbeitszeit ohne Lohnausgleich, sprich höherem Einkommen, wurde von der Industriellenvereinigung (IV) losgetreten. IV-Generalsekretär Christoph Neumayer sprach am Montag auch von einer "Unzahl an Feiertagen" in Österreich, ein Thema, das man angehen müsse.

Des weiteren meinte Edtstadler heute, die "hohen Lohnabschlüsse" seien eine Herausforderung. Es gehe darum die Wirtschaft nicht noch weiter zu belasten, daher habe sie auch den nationalen Klimaplan ihrer Kollegin Leonore Gewessler (Grüne) zurückgezogen, da dieser nicht abgestimmt gewesen sei und einseitige Maßnahmen enthalten habe, die teilweise nicht im Interesse Österreichs gewesen wären.

Mittlerweile wurde Österreich wiederholt von der EU aufgefordert, einen Klimaplan vorzulegen. Ende Februar hieß es, nur noch von Österreich und Polen würde der Plan fehlen, von Brüssel wurde mittlerweile ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet, was zu empfindlich hohen Strafzahlungen führen könnte. Die Frist für die Abgabe des Plans endet im Juni.

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Die IV-Konjunkturumfrage: Zur Befragungsmethode

An der jüngsten Konjunkturumfrage der Industriellenvereinigung beteiligten sich 387 Unternehmen mit rund 293.800 Beschäftigten. Bei der Konjunkturumfrage der IV kommt folgende Methode zur Anwendung: Den Unternehmen werden drei Antwortmöglichkeiten vorgelegt: positiv, neutral und negativ. Errechnet werden die (beschäftigungsgewichteten) Prozentanteile dieser Antwortkategorien, sodann wird der konjunktursensible „Saldo“ aus den Prozentanteilen positiver und negativer Antworten unter Vernachlässigung der neutralen gebildet. (red)

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Christian Helmenstein, Chefökonom der Industriellenvereinigung Österreich
"Auslandsaufträge ziehen an": IV-Chefökonom Christian Helmenstein - © YouTube/ Industriellenvereinigung Niederösterreich