Deutsche Autoindustrie : EU-Klimavorgaben für Auto-Industrie: Millionen Arbeitsplätze in Gefahr?

SAS Automotive Fabrik für Volkswagen: Vor allem die schwächelnde Autoindustrie in Deutschland hat Auswirkungen auf die heimischen Zulieferer.

SAS Automotive fertigt für Volkswagen: Vor allem die schwächelnde Autoindustrie in Deutschland hat Auswirkungen auf die heimischen Zulieferer.

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Ein internes Dokument aus der europäischen Automobilbranche warnt aufgrund der angespannten Situation der Autoindustrie vor dem potenziellen Verlust von Millionen Arbeitsplätzen. Laut dem Papier, das der dpa vorliegt, ist die Branche nicht in der Lage, die bevorstehenden verschärften EU-Klimavorgaben zu erfüllen. „Folglich wird die EU-Industrie mit Strafzahlungen in Milliardenhöhe konfrontiert.“

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Um diese Strafen zu vermeiden, hätten die Hersteller „kaum eine andere Wahl, als die Produktion erheblich zu drosseln, was Millionen von Arbeitsplätzen in der EU bedroht“. Im Zentrum der Diskussion stehen die Flottengrenzwerte, die den maximal zulässigen CO2-Ausstoß der in der EU zugelassenen Fahrzeuge regeln.

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- © Industriemagazin

Strafzahlungen drohen

Dieser Grenzwert, der aktuell bei 115,1 Gramm CO2 pro Kilometer und Fahrzeug liegt, gemessen nach dem WLTP-Testverfahren, soll bis 2025 auf 93,6 Gramm und bis 2030 auf 49,5 Gramm sinken. Überschreiten Hersteller diese Vorgaben, drohen ihnen Strafzahlungen.

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Eine mögliche Lösung, um den Strafen zu entgehen, wäre laut dem Papier die Einstellung der Produktion und des Verkaufs von über zwei Millionen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Dies würde der Schließung von acht Produktionsstätten entsprechen und Millionen Arbeitsplätze gefährden. Um dieses Szenario zu vermeiden, wird die Anwendung eines Notfallartikels vorgeschlagen, der bereits während der Corona-Krise genutzt wurde. Dadurch könnte die EU-Kommission die Einführung der strengeren Vorgaben um zwei Jahre verschieben.

Der europäische Automobilverband Acea bestätigte auf Anfrage, dass das Dokument bekannt sei, es handele sich jedoch nicht um ein offizielles Papier des Verbandes. Nach dpa-Informationen ist das Dokument echt und zirkuliert innerhalb der europäischen Automobilbranche. Auch der Finanzdienstleister Bloomberg berichtete zuvor über das Papier.

Umweltschützer zeigten sich empört. „Der Vorstoß ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten: Die Autohersteller haben in den letzten zwei Jahren über 130 Milliarden Euro Gewinn gemacht und hatten genügend Zeit, sich auf das seit 2019 bekannte CO2-Ziel vorzubereiten“, erklärte Sebastian Bock, Geschäftsführer der Umweltorganisation Transport & Environment Deutschland. Nun forderten sie die Ausrufung eines Notstands, um weiterhin umweltschädliche Fahrzeuge verkaufen zu können.

Deutsche Auto-Industrie fordert frühere Überprüfung der Vorgaben

Die deutsche Automobilindustrie drängt darauf, dass die Europäische Kommission rascher handelt und die Umsetzbarkeit der EU-Klimavorgaben für Neuwagen früher als geplant überprüft. Laut dem Verband der Automobilindustrie (VDA) sollte die ursprünglich für 2026 vorgesehene Prüfung bereits im kommenden Jahr stattfinden. Der VDA betonte, dass der Klimaschutz im Verkehrssektor nur dann erfolgreich umgesetzt werden könne, wenn etwa die notwendige Ladeinfrastruktur vorhanden sei.

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Der Hintergrund dieser Forderung ist die Erwartung, dass viele Autohersteller die strengen Vorgaben wahrscheinlich nicht einhalten können. Dadurch drohen der ohnehin unter Druck stehenden europäischen Autoindustrie erhebliche Strafzahlungen. Im Zentrum der Diskussion stehen die Flottengrenzwerte, die den maximalen CO2-Ausstoß von Fahrzeugen regeln. Diese Grenzwerte dürfen im Durchschnitt aller in der EU pro Jahr zugelassenen Autos nicht überschritten werden. Ein Grund, warum die Zielvorgaben voraussichtlich nicht erreicht werden, ist die geringere Nachfrage nach Elektrofahrzeugen in Europa.

Diese Schwierigkeiten spiegeln sich aktuell auch beim größten europäischen Autohersteller VW wider. Anfang September kündigte Volkswagen an, aufgrund der angespannten Lage seine Sparmaßnahmen zu verstärken. Das Unternehmen schließt weder Entlassungen noch Werksschließungen aus. Die seit 1994 bestehende Beschäftigungsgarantie wurde bereits aufgehoben.

Der Aufsichtsratsvorsitzende von VW, Hans Dieter Pötsch, forderte eine Lockerung der CO2-Flottenziele und kritisierte: „Die Politik hat der Industrie Vorgaben gemacht, ohne dass die notwendige Infrastruktur vorhanden gewesen wäre und ohne darüber nachzudenken, ob die Kundinnen und Kunden da mitmachen.“

BILD zu OTS - DHK Pr?sident Hans Dieter P?tsch bei der DHK Jahrespressekonferenz 2024 in Wien
Hans Dieter Pötsch forderte eine Lockerung der CO2-Flottenziele - © DHK/Günther Peroutka

Auch Österreich betroffen

Auch Österreich wäre von den Auswirkungen der verschärften EU-Klimavorgaben auf die Automobilindustrie erheblich betroffen. Als Teil der Europäischen Union unterliegt die heimische Industrie denselben strengen CO2-Flottengrenzwerten wie der Rest der EU. Diese legen fest, wie viel CO2 Fahrzeuge im Durchschnitt pro Kilometer ausstoßen dürfen. Hersteller, die diese Vorgaben nicht einhalten, drohen ab 2025 hohe Strafzahlungen.

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Die österreichische Autozulieferindustrie, die eng mit großen europäischen Herstellern wie Volkswagen, BMW und Mercedes verbunden ist, steht vor einer großen Herausforderung. Wenn Autohersteller ihre Produktion aufgrund der drohenden Strafen drosseln müssen oder sogar Werke schließen, hätte das direkte Folgen für Zulieferbetriebe in Österreich. „Das könnte zu Stellenstreichungen und wirtschaftlichen Einbußen führen, insbesondere in den Regionen, in denen die Automobilindustrie ein wichtiger Arbeitgeber ist“, warnen Branchenexperten.

Zudem stehen geplante Investitionen in neue Technologien und Produktionsanlagen auf der Kippe. Die Unsicherheit in der Branche könnte dazu führen, dass österreichische Unternehmen, die stark von Aufträgen aus der Automobilindustrie abhängen, auf die Bremse treten. Insbesondere Innovationen im Bereich der Elektromobilität und grünen Technologien könnten dadurch verzögert werden.