Industriekonjunktur : Deutschland: Volle Auftragbücher, aber Angst vor Ukraine-Folgen

Fahrzeugmontage bei Daimler

Produktionslinie bei Mercedes: Hohe Gewinne, aber Sorgen wegen Ukraine

- © Mercedes Benz

Die deutsche Industrie hat zu Jahresbeginn und damit mehrere Wochen vor Ausbruch des Krieges in der Ukraine überraschend viele Aufträge an Land gezogen. Die Unternehmen sammelten im Jänner um 1,8 Prozent mehr Bestellungen ein als im Vormonat, wie das Statistische Bundesamt am Montag mitteilte. Experten hatten lediglich mit einem Plus von 1,0 Prozent gerechnet. Der Jänner markierte die dritte Aufwärtsbewegung in Folge.

Der Zuwachs der Bestellungen ist insbesondere auf die Auslandsaufträge zurückzuführen: Ihr Volumen stieg im Jänner gegenüber dem Vormonat um 9,4 Prozent. Dabei nahmen die ausländischen Auftragseingänge außerhalb der Eurozone mit 17 Prozent deutlich zu. Die Bestellungen aus den Staaten der Währungsunion hingegen sanken um 2,6 Prozent. Die Inlandsaufträge fielen um 8,3 Prozent gegenüber dem Vormonat.

Das deutsche Wirtschaftsministerium verweist darauf, dass die Auftragseingänge im Verarbeitenden Gewerbe bereits vor ihrer Zunahme im Jänner deutlich über dem Vor-Coronakrisenniveau lagen: "Allerdings bergen die aktuellen geopolitischen Entwicklungen enorm hohe Unsicherheiten bezüglich der weiteren Entwicklung der Nachfrage", hieß es mit Blick auf den Krieg in der Ukraine weiter. Unsicher sei auch, inwiefern die Produzenten den hohen Auftragsbeständen angesichts von Lieferengpässen und Materialknappheiten in naher Zukunft nachkommen könnten.

Viele Gewinner

Unter bekannten deutschen Unternehmen, die ihre Gewinne 2021 steigern konnten, sind Triebwerksbauer wie MTU, Konsumgüterhersteller wie Villeroy und Boch, Autobauer wie Mercedes Benz, aber auch Banken und Versicherungen.

Mercedes-Benz hat im vergangenen Jahr im operativen Geschäft zum Beisspiel mehr verdient als ursprünglich angenommen. Der bereinigte Betriebsgewinn (EBIT) bei Mercedes-Benz Cars & Vans verbesserte sich 2021 auf 14 Milliarden Euro, wie das Unternehmen auf Basis vorläufiger Zahlen am Freitag mitteilte. Die Umsatzrendite liege bei 12,7 Prozent und damit über der selbstgesteckten Spanne von zehn bis zwölf Prozent.

Mercedes-Benz sprach von einer "soliden Nettopreisgestaltung, einem guten Produktmix und einer günstigen Gebrauchtwagenperformance", während es zugleich anhaltende Engpässe bei der Versorgung mit Halbleitern gegeben habe. "Unser gutes Ergebnis ist das Resultat von stark gefragten Produkten sowie dem Fokus auf profitables Wachstum und Kostendisziplin", sagte Mercedes-Benz-Chef Ola Källenius.

Daimler hat im vergangenen Jahr die Lkw-Sparte abgespalten; Daimler Trucks ist seit diesem Freitag im Nebenwerteindex MDAX notiert. Der Barmittelzufluss des Konzerns, zu dem bis Anfang Dezember das Auto- und das Lkw-Geschäft gehörten, habe 2021 bei rund 8,5 Mrd. Euro gelegen und damit ebenfalls etwas besser als erwartet. Konzernzahlen zu Gewinn und Umsatz liegen noch nicht vor, sie werden zur Bilanzpressekonferenz am 24. Februar erwartet. Die Abspaltung des Lkw-Geschäfts dürfte aber positive Auswirkungen auf den Betriebsgewinn haben; Mercedes-Benz bezifferte den Effekt auf 9 bis 10 Mrd. Euro.

Zukunftssorgen

Nun fürchtet die Branche aber, ebenso wie der Maschinenbau Einbrüche. Der deutsche, aber auch der österreichische Maschinenbau etwa erwarten spürbare Folgen für ihr Geschäft infolge der Wirtschaftssanktionen gegen Russland. "Die neuen Lieferverbote für diverse Güter nach Russland erfassen weite Teile des europäischen Maschinen- und Anlagenbaus", sagte VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann unlängst.

Für dieses Jahr rechnete der Branchenverband zuletzt mit einem realen Anstieg der Produktion von 7 Prozent. Das Niveau vor der Coronakrise soll wieder erreicht werden. In der Krise 2020 war die Produktion um knapp 12
Prozent eingebrochen. (apa/red/pd)