Nachhaltigkeit : Industrieller Ehrlich-Adam: „EU-Regulierungen dürfen nicht zu weit greifen“

Adam Ehrlich
© Matthias Heschl

Über die Zuschreibung „selbsterklärter Untergrundaktivist“ muss er schmunzeln, selbst wenn er andere Worte wählen würde, ist sie im Kern zutreffend: Stefan Ehrlich-Adam, geschäftsführender Gesellschafter beim Schließsystemehersteller Evva und seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen tätig, gehört jener Generation an, die im Wiener Unternehmen umweltrelevante Themen seit jeher pusht: Seit zwölf Jahren publiziert man Nachhaltigkeitsberichte, die Zahl umweltrelevanter Themen in die Höhe zu schrauben, via Wesentlichkeitsmatrix Stakeholder einzubinden und „neue Projekte aufzureißen“, wie Ehrlich-Adam sagt, „macht Spaß“. Vielleicht, weil die Vorarbeiten dazu im Unternehmen schon vor Jahren anfingen. Vor etwa einem Jahrzehnt wurde in der Zerspanung auf Trockenbearbeitung umgestellt, heute sind das nicht weniger als 75 Prozent des Anlagenparks, viele Dutzende Tonnen Öl und Schmierstoffe wurden eingespart. Es müsse sich nicht jedes Projekt rechnen, sagt der Unternehmer. Das sei nunmal der Vorteil eines Mittelstandsunternehmens in Familienhand, in dem die Überzeugung hoch gehalten wird, dass es kein Schaden sei, an die nächste und übernächste Generation sei zu denken.

Welche Hindernisse und Herausforderungen ortet der Unternehmer jedoch, nachhaltig zu produzieren - Stichwort Verknappung von ökologischeren Werkstoffen? „80 Prozent des eingekauften Messings stammen aus Schrott“, sagt Ehrlich-Adam. Von der EU werde man jedoch getrieben mit Designrichtlinien, noch stärker in eine Kreislaufwirtschaft hineinzukommen. Auch wenn man in Sachen Taxonomieverordnung aufgrund der Unternehmensgröße noch nicht in vergleichbarem Ausmaß wie Großunternehmen betroffen sind, gerate man aufgrund von Unternehmensverbunden „automatisch unter Druck wie etwa beim Lieferkettengesetz. „Natürlich müssen wir uns damit auseinandersetzen“, so Ehrlich-Adam.

Für Europa seien die aktuellen Entwicklungen jedenfalls ein Weckruf, mehr zu tun. Im Westen produziert man auf Basis viel niedriger Energiekosten preiswerter, der Wettbewerbsdruck sei enorm, die Gefahr einer Deindustrialisierung stehe im Raum. Greifen die EU-Regulierungen zu weit, müssen wir wohl bald wieder flüssiges Öl als Schmiermittel für unsere Maschinen heranziehen“, sagt Ehrlich-Adam.

Immerhin: Gas brauche man bei Evva lediglich zum Heizen. „Unser Produktion ist nicht von Gas abhängig, da tun wir uns leichter“, sagte Ehrlich-Adam in einem Interview im Vorjahr. Die Industrie sei zeitgleich mit der Transformation zur grünen Wirtschaft konfrontiert. Der Staat sei gefordert, mit allen gesellschaftlichen Partnern zu reden. „Wir kommen nur im nationalen Schulterschluss aus der Krise. Zugleich müsse man die Digitalisierung in die Fertigung bringen. Evva ist Gesellschafter beim CDP, dem Comet-zentrum für Digitale Produktion“. „Es bringt uns viele Inputs, wie Digitalisierung stärker voranzutreiben ist“, so Ehrlich-Adam.

Im Vorjahr wurden mit einem Zubau in Wien die Kapazitäten hochgefahren. „Der richtige Schritt, wenn man die wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens, die Produktentwicklungen entlang eines strategisch ausgerichteten Pfades sieht“, sagt Ehrlich-Adam. Die Entscheidung, hier in einen Neubau zu investieren, war getrieben durch den Bedarf und die Notwendigkeit neuer Maschinen mit höherem Automatisierungsgrad, die wir für die zukünftig neuen Systeme benötigen.

In Tschechien wurde zudem auf die grüne Wiese gebaut. „Wir haben vor vielen Jahren die älteste tschechische Zylinderfertigung übernommen“, so Ehrlich-Adam. „Wir haben hier viele Jahre am alten Standort gefertigt. Vor mehr als einem Jahrzehnt erwarben wir das Grundstück in Tišnov und wollten dort neu bauen. Dann kam die Krise 2008, 2009, und wir schoben das Projekt auf. Mit unserer Powerplant-Strategie ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen: Wir stellten eine Fertigungshalle auf die grüne Wiese, in der wir nun nach und nach Prozesse, teils aus Wien, hierher verlagern und einen optimierten Fertigungskreislauf schaffen wollen. Es liegt noch einiges vor uns, aber das Werk steht. Alle Mitarbeiter sind übersiedelt“, so Ehrlich-Adam damals.

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